Die Menschen hinter dem Jahrhundertprojekt
Julia Leuthold hat Bauingenieurwesen studiert und im Bereich der Felsmechanik am Karlsruher Institut für Technologie doktoriert.
In dieser Serie stellen sich die Menschen hinter dem Jahrhundertprojekt gleich selbst vor.
Meine Aufgaben als Bauingenieurin bei der Nagra sind ähnlich wie an der Uni, ich musste mich nicht in ein komplett neues Feld einarbeiten. Und doch gibt es Unterschiede. Hier haben wir ein klares Ziel – unser Jahrhundertprojekt. Es ist wie in jeder Firma: Wenn du deinen Teil der Arbeit nicht erledigst, kommt das ganze Unternehmen nicht weiter. An der Uni dagegen schadest du höchstens dir selbst.
Die Nagra hat eine lange Geschichte. Als junger Mensch beeindruckt dich das. Wenn du überlegst, was alles schon durchgedacht wurde, wie viele Berichte schon geschrieben wurden, um an den Punkt zu kommen, an dem wir heute sind. Ich habe schnell gemerkt: Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Im Untertagebau gibt es jedoch immer Risiken, mit denen wir umgehen müssen. Diese zwei Welten zusammenzuführen, das fasziniert mich.
Weitere Menschen hinter dem Jahrhundertprojekt
Dicht, aber bautechnisch schwierig
Der Standortvorschlag war sehr wichtig für die GeologInnen, für uns Ingenieurinnen und Ingenieure geht die Arbeit jetzt richtig los. Als Projektleiterin Felsmechanik und Tunnelbau bin ich unter anderem zuständig für die Tragwerksplanung der Untergrundbauwerke. Wir ermitteln, ob der Tunnel auch aus statischer Sicht auf die geplante Weise gebaut werden kann. Dafür entwickle ich gemeinsam mit WissenschaftlerInnen der ETH und der EPFL Berechnungsmodelle. Wir haben zum Beispiel ein Stoffgesetz erarbeitet, mit dem wir das hydromechanische Verhalten des Opalinustons beschreiben können.
Dazu muss man wissen, dass der Opalinuston für die Einlagerung der radioaktiven Abfälle sehr gut ist, für den Tunnelbau aber umso komplexer. Wir haben in diesem Bereich eng mit den Kolleginnen und Kollegen der Geomechanik zusammengearbeitet. Diese Interdisziplinarität ist grossartig und das fachliche Know-how bei der Nagra riesig. Durch meine offene Herangehensweise bekomme ich unterschiedliche Sichtweisen auf das Projekt und lerne auch persönlich sehr viel.
«Die Interdisziplinarität ist grossartig und das fachliche Know-how bei der Nagra riesig.»
Wir lernen ständig dazu
Ich möchte immer und unbedingt alles selbst verstehen. Das hilft mir bei meiner Arbeit hier. Für mein Umfeld ist es vielleicht manchmal etwas anstrengend, aber durch meine exakte Arbeitsweise sehe ich Dinge, die anderen verborgen bleiben. Ich kann mich beispielsweise sehr gut in theoretische Modelle eindenken. Das ist notwendig, damit wir Prozesse, die wir beobachten, physikalisch ausdrücken können.
Ich bin noch nicht so lange dabei und habe weniger Berufserfahrung. Das verschafft mir einen unbedarfteren, flexibleren Blick auf die Dinge. Das passt sehr gut zum Tiefenlager, denn wir haben noch nie eines gebaut. Wir müssen ständig dazulernen und uns verbessern. Zudem arbeite ich auf externer Seite fast nur mit Männern zusammen. Jung, weiblich und direkt von der Uni: Das machte den Einstieg in das Projekt nicht ganz einfach. Mittlerweile kann ich aber sagen, dass ich die Kommunikation und die Zusammenarbeit mit unseren Auftragnehmern verbessern und neue Lösungswege eröffnen konnte.
Bei der Nagra zu arbeiten, ist auch toll in Bezug auf die Aussenwirkung. Was wir tun, ist wichtig für die Gesellschaft. Ich habe Mitte 2021 bei der Nagra angefangen und würde sagen, dass ich 2022 so richtig angekommen bin, meine Aufgabe gefunden habe. Mit meiner Aussensicht und meiner Genauigkeit versuche ich, das Projekt noch besser zu machen.
Zur Person
Nach dem Doktorat wollte sie ihr Know-how in ein gesellschaftlich relevantes Projekt einbringen und das theoretische Wissen über die Felsmechanik und den Tunnelbau erweitern. So gelangte Julia 2021 als Projektleiterin Felsmechanik und Tunnelbau zur Nagra, wo sie seit 2022 das Projekt Tunnelbauverfahren und Design leitet. Sie ist Mutter eines Kindes und wohnt mit ihrer Familie in Zürich.
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