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«In den Gesteinen steckt die Geschichte unserer Landschaft»


Gaudenz Deplazes fasziniert die Vielseitigkeit des Projekts Tiefenlager. Neugier, Genauigkeit und eine Prise Pioniergeist begleiten den Geologen bei seiner Arbeit.

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Bei den neun Tiefbohrungen und der anschliessenden Analyse der Bohrkerne kann die Nagra auf viel Know-how aus dem In- und Ausland zählen. Wir stellen hier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor, die mit Ihrer Expertise zum Gelingen des Jahrhundertprojekts Tiefenlager beitragen. Heute ist die Reihe an:

Gaudenz Deplazes, Projektleiter Geologie, Nagra

Im Ressort Geologie bei der Nagra ist Gaudenz Deplazes zuständig für Sedimentologie und Stratigraphie. Zusammen mit einem Projektteam hat er vor der Tiefbohrkampagne die Vorgaben erstellt, damit die Bohrkerne einheitlich beschrieben werden können. Während den Tiefbohrungen war Deplazes aufseiten der Nagra auch in die Qualitätssicherung involviert.

Was fasziniert dich an deiner Aufgabe?
Es sind die tollen Gesteine und die wissenschaftlich sehr spannenden Fragen. Aus den Gesteinen kann man sehr viel lesen: In ihnen steckt die Geschichte unserer Landschaft.

Ich schätze die Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen und interessanten Menschen. Involviert sind Geologinnen, Ingenieure, Physikerinnen und viele weitere – diese unterschiedlichen Arbeiten und Sichtweisen zusammenzufügen ist komplex, spannend und es macht unser Projekt einzigartig. Am Ende haben wir ein gemeinsames, sinnvolles Ziel: das Tiefenlager.

 

Ist es in der Forschung eine zusätzliche Motivation, wenn man auf ein konkretes Ziel hinarbeiten kann?
Ja, mit dem Tiefenlager wird unsere Forschung angewandt und hat einen Nutzen für die ganze Gesellschaft. Für mich ist es motivierend, dass wir nicht nur in der Theorie bleiben.

Was zeichnet das Projekt Tiefenlager in Bezug auf die Geologie besonders aus?
Wir sind dazu verpflichtet, qualitativ hochwertige Daten, Analysen und Lösungsvorschläge abzuliefern. Diese Grundlagen werden überprüft; wir müssen also Rechenschaft ablegen. Wir haben die Chance, längerfristige Projekte zu realisieren – das macht unsere Arbeit zwar komplex, ich persönlich empfinde unsere Möglichkeiten aber als grosse Chance. Dank unserer Arbeit haben wir nun ein viel besseres Verständnis von der Geologie der Nordschweiz.

Ausserdem gibt es da noch einen anderen Aspekt, der unsere Arbeit einzigartig macht…

 

… und der wäre?
Die Breite der Fragestellungen. Wir haben das Ziel, die Gesteine so gut wie möglich zu verstehen. Dazu gehören viele Aspekte. Wenn man beispielsweise nach Grundwasser sucht, ist das lediglich eine – ganz konkrete – Aufgabe.

Wir haben aber eine ganze Reihe dieser konkreten Aufgaben: Wir möchten sowohl die Aquifere, also die Grundwasserleiter, verstehen, als auch die Aquitarde, also die dichten Gesteine, in denen wir die radioaktiven Abfälle einlagern. Wir müssen die vergangene Entwicklung nachvollziehen, um daraus abzuleiten, was in Zukunft passieren könnte. Wir wollen zum Beispiel abschätzen können, wie sich die Landschaft über dem Lager entwickelt. Dadurch können wir sicherstellen, dass die barrierenwirksamen Gesteine langfristig erhalten bleiben. Wir müssen die Prozesse an sich verstehen. Diese vielseitige Betrachtungsweise ist für das Projekt Tiefenlager unabdingbar.

Welche Fähigkeiten brauchen Sie, um bei so einem vielfältigen Projekt den Überblick zu behalten?
In erster Linie brauche ich mein Fachwissen als Geologe und Erfahrung in der Projektleitung. Wichtig ist auch die Bereitschaft, immer wieder Neues zu lernen. Die Fragestellungen ändern sich mit dem Projekt. Hinzu kommt, dass wir oft nicht nach einem bereits vorhandenen Schema arbeiten können. Es ist in vielerlei Hinsicht ein Pionierprojekt, bei dem wir neue Wege finden müssen.

Im Bereich Qualitätssicherung sind die Anforderungen an mich etwas repetitiver. Da muss man genau hinschauen, um die Konsistenz über die verschiedenen Projektphasen und Fachgruppen zu gewährleisten.

 

Spürst du in deinem Arbeitsalltag, welche Bedeutung deine Arbeit hat?
Ja. Den Geologen in der Schweiz ist die Bedeutung der Arbeit der Nagra bekannt. Unsere Fragestellung ist einzigartig, das spürt man auch bei der Vergabe von Aufträgen.

Und in den Standortgebieten hat unsere Arbeit natürlich eine besondere Bedeutung, da die Bevölkerung direkt betroffen ist. Hier ist eine transparente und verständliche Kommunikation besonders wichtig.

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