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Wie man mit Zielkonflikten umgeht und Jugendliche involviert


Zusammenarbeit macht das Jahrhundertprojekt Tiefenlager besser – darin waren sich an der Veranstaltung «Dialog Tiefenlager» alle einig. Doch wo lauern die Fallstricke, wo gibt es Probleme? Darüber diskutierten über 120 Personen im Ebianum in Fisibach.

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«Wir müssen und wir wollen mit den Einwohnerinnen und Einwohnern der Region Nördlich Lägern, ja mit allen beteiligten Akteuren reden», eröffnete Nagra-Präsident Lino Guzzella die Veranstaltung. Es gelte, einander zuzuhören. Herauszufinden, wo der Schuh drückt. «Wir müssen darüber sprechen, wie alle Beteiligten das Projekt gemeinsam verbessern können, und wir müssen voreinander lernen», so Guzzella.   

In einem ersten Kurzreferat stand das Lernen von einem anderen Grossprojekt im Vordergrund. Martin Haller vom Verwaltungsrat der Gateway Basel Nord AG erörterte die Zielkonflikte bei «seinem» Jahrhundertprojekt. Gateaway Basel Nord will die Schifffahrt, Eisenbahn und Strasse besser verknüpfen und mehr Güter auf die Schiene verlagern. Ein aus Sicht des Umweltschutzes durchaus sinnvolles Projekt – und doch gibt es Zielkonflikte, etwa mit dem Naturschutz: Flora und Fauna auf dem stillgelegten Rangierbahnhof, der für das Projekt vorgesehen ist, haben sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung entwickelt. Haller sprach von einem Dilemma, aus dem nun ein Ausweg gesucht werden müsse. Es gibt noch weitere Konflikte, etwa juristische Auseinandersetzungen mit anderen Logistikunternehmen. Heute beschäftigen sich Gerichte mit dem Projekt. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen gab Haller zum Tiefenlager zwei Tipps: «Bei Grossprojekten muss man erstens möglichst früh in den Dialog gehen. Und zweitens darf man das Gespräch nie abreissen lassen, auch und gerade mit kritischen Stimmen nicht.» 

Roland Schmidiger, Leiter der Division Kernenergie der Axpo, erläuterte, wie sich die «Entsorgungspflichtigen», also die Verursacher des radioaktiven Abfalls, die Verhandlungen über Abgeltungen vorstellen. Die Gesprächsphase soll bereits im Dezember 2023 beginnen. In dieser Phase sollen Standpunkte geklärt und Verhandlungsthemen, -rhythmus sowie die Delegationen bestimmt werden. In einer zweiten Phase sollen dann die Verhandlungen in einem definierten Rahmen starten. «Wir gehen ergebnisoffen in diese Verhandlungen», sagte Schmidiger. Er zeigte sich beeindruckt von der Arbeit der Gemeindevertreter: «Sie sind aktiv geworden, haben sich informiert, selbst Informationsanlässe auf die Beine gestellt. Bleiben Sie hartnäckig und stellen Sie weiterhin Fragen.»  

Bei den anschliessenden Statements von Vertretern und Vertreterinnen der Gemeinden, der Behörden und von Vereinen, kristallisierte sich vor allem ein Problem heraus: Die Jungen beschäftigen sich kaum mit dem Tiefenlager. Doch wie lassen sich junge Menschen an das Thema heranführen? Diese Frage beschäftigt nicht nur den Stadler Gemeindepräsidenten Dieter Schaltegger, sondern auch Werner Kramer von der Gruppierung STADELaktiv, Christoph Müller, den Co-Präsidenten der Regionalkonferenz Nördlich Lägern, sowie Jürgen Wiener, den Bürgermeister der deutschen Gemeinde Hohentengen. Monika Stauffer, Leiterin der Sektion Entsorgung radioaktive Abfälle des Bundesamts für Energie, wies darauf hin, dass es nicht nur beim Thema Tiefenlager schwierig sei, Jugendliche und ausserdem auch mehr Frauen zu involvieren. Wilma Willi, Kantonsrätin der Grünen und Einwohnerin von Windlach, argumentierte, dass es nicht ausreiche, wenn man sich nur wünsche, dass mehr Vertreterinnen und Vertreter der jüngeren Generation das Projekt mitgestalten: «Es braucht Konzepte, es braucht Massnahmen, und dann bin ich überzeugt, dass sich Junge mehr einbringen bei diesem Thema.» 

Es herrschte Einigkeit, dass der stärkere Einbezug der jüngeren Generation eines der wichtigsten Themen für die Zukunft ist. Konkrete Lösungen stehen noch aus – aber das Problem wurde als solches erkannt und damit ein wichtiger erster Schritt gemacht.  

Einig war man sich auch, dass der Dialog und die Zusammenarbeit weitergehen müssen, ja beides sogar noch wichtiger wird mit Blick auf die Umsetzung des Projekts. Der Zürcher Regierungsrat Martin Neukom versprach, die Gemeinden bei Bedarf zu unterstützen. Der Nagra-CEO Matthias Braun kündigte an, dass die Nagra Anfang 2024 in Stadel ein Informationsbüro eröffne, und Ann-Kathrin Leutz vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI betonte, dass die Türen des ENSI immer offen seien und der Austausch auch ihnen sehr wichtig sei.    

«Wir können dankbar und auch ein bisschen stolz darauf sein, dass wir in der Schweiz Probleme und Lösungen so konstruktiv miteinander diskutieren können», bilanzierte Lino Guzzella in seinem abschliessenden Fazit, bevor die Gespräche beim Apéro noch lange weitergingen. 

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