Die anderen Experten


Am vergangenen Samstag hat sich die Regionalkonferenz Zürich Nordost aufgelöst. Wir blicken mit dem Präsidenten, Jürg Grau, auf elf intensive Jahre zurück.

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Es war ein Anlass im Zeichen des Abschieds und des Dankes: Elf Jahre nach ihrer Gründung hat sich die Regionalkonferenz Zürich Nordost in Andelfingen zum letzten Mal versammelt. Die vom Vorstand beantragte Auflösung war Formsache und wurde mit überwiegender Mehrheit beschlossen. Was bleibt? «Elf Jahre lang haben wir gemeinsam gewirkt und an einem Strick gezogen», sagt Jürg Grau, der die Regionalkonferenz von der Gründung bis zur Auflösung präsidierte und sich dafür im Ausbildungszentrum Andelfingen zum Abschluss eine Standing Ovation verdiente. Er gibt unumwunden zu: «Die Erleichterung ist viel grösser als die Wehmut. Es war viel Arbeit und ich haben grössten Respekt vor den Arbeiten, die nun auf die Region Nördlich Lägern zukommen.»

Jürg Grau präsidierte die Regionalkonferenz Zürich Nordost während den gesamten elf Jahren.

Die Farbe der Tür
Jürg Grau hatte in der Regionalkonferenz Zürich Nordost verschiedene Hüte auf: Er präsidierte nicht nur die Regionalkonferenz Zürich Nordost, sondern ist auch Gemeindepräsident von Feuerthalen, zudem sei er normaler Einwohner in der Region mit Kind und Grosskind. «Wenn ich als Präsident der Regionalkonferenz gesprochen habe, dann habe ich meine persönliche Haltung und die der Gemeinde beiseitegeschoben. Ich habe versucht, neutral zu sein.» Nicht immer habe er Verständnis für seinen Versuch erhalten, alle gleich zu behandeln. «Es war eine grosse Herausforderung.»

«Wir sind Experten, was unsere Region angeht.»


Das war es von Anfang an. «Als wir zu Beginn Mitwirkende für die Regionalkonferenz suchten, haben wir Antworten erhalten wie: ‘Ihr könnt höchstens bestimmen, welche Farbe die Tür zur Oberflächenanlage haben wird’.» Doch Jürg Grau ist stolz auf das Geleistete. In seinem Büro türmen sich Ordner und technische Berichte zur Tiefenlager-Thematik einen Meter hoch. «Im technischen Bereich sind wir Laien. Aber wir sind Experten, was unsere Region angeht. Da sind wir besser als alle anderen, auch besser als die Nagra und das Bundesamt für Energie», erklärt der Feuerthaler und lacht.

Laien dürfen alles hinterfragen
Man habe das Projekt mitgeprägt, sagt Jürg Grau ein paar Tage nach Auflösung der Regionalkonferenz Zürich Nordost. 2013 hatte seine Konferenz zusammen mit der Region Südranden, die damals auch noch im Verfahren war, Bedenken geäussert, dass die Brennelementverpackungsanlage (BEVA) am Standort des Tiefenlagers platziert werden soll. «Das fanden wir nicht gut. Die Nagra hat nun auch gesehen, dass eine externe BEVA Sinn macht.»

Überhaupt hätten die kritischen Fragen das Projekt Tiefenlager weitergebracht. «Wir waren immer kritisch-konstruktiv», erklärt Grau seine Rolle. «Wir waren beispielsweise sehr kritisch als die Region Nördlich Lägern 2015 rausgefallen ist. Wir konnten die Begründung der Nagra nicht nachvollziehen.» Da sei er auch beim ENSI vorstellig geworden. «Immer fragend, denn wir sind ja Laien.» Das habe seine Vorteile, weil man als Laie immer alles fragen dürfe.

«Wir hören einander zu»
Gut in Erinnerung bleibt Jürg Grau die Gesprächskultur innerhalb der Regionalkonferenz. Diese habe sich entwickelt. Es gab eine Szene, in der ein Votum ausgepfiffen wurde. «Da sagte einer der anwesenden Gemeindepräsidenten: ‘In diesem Ton komme ich an keine Sitzung mehr’.» Das habe gesessen. Von da an war allen klar: «Wir hören einander zu».

Schwierig waren die Momente, wenn es an Erkenntnissen fehlte. Grau erzählt, dass sie sich 3D-Visualisierungen gewünscht hätten. Heraus kamen aber Luftaufnahmen, mit denen die Mitglieder der Regionalkonferenz nichts anfangen konnten. «Wir wollten wissen, wie die Anlagen von der Hauptstrasse her aussehen. Das interessiert unsere Leute.» Er kannte eine Firma, die solche Visualisierungen generiert. «Da hatten wir zu kämpfen, aber am Ende hat sich auch die Nagra eingebracht und die Daten geliefert.» Nicht alle Menschen seien sich gewohnt, Pläne zu lesen. Die Umsetzung gewisser Projekte auf Eigeninitiative sei für das Verständnis der Mitglieder in der Regionalkonferenz sehr wichtig gewesen.

Überhaupt habe die Partizipation für ihn Beispielcharakter, «auch für andere Projekte». Aber gerade in der Tiefenlager-Frage müsse sie nun fortgesetzt werden. «Die Regionalkonferenz ist das Bindeglied zur und zugleich ein Abbild der Bevölkerung» Erst jetzt geht es gemäss Grau um die «echte Akzeptanz in der Region».

Das richtige Gefühl
Für Jürg Grau gab es nicht den einen Moment, in dem er realisierte, dass die Nagra nicht «seine» Region vorschlagen wird. «Ich habe gespürt, wo es hingeht, habe mein Gefühl aber bis zum Schluss niemandem mitgeteilt.» Die Wahl der Nagra auf Nördlich Lägern habe ihn insofern nur bestätigt. Er habe Wert darauf gelegt, dass er an der Medienkonferenz in Bern dabei sein konnte. «Als Matthias Braun in Bern gesagt hat ‘die Geologie hat gesprochen’, da war es für mich wirklich definitiv.» Den Schlusspunkt aus Sicht der Regionalkonferenz setzte die Versammlung am vergangenen Samstag in Andelfingen. «Die Luft war schon etwas draussen. Einzelne wollten sich weiter engagieren, aber es wurde akzeptiert, dass nun Schluss ist.»

Ein, zwei Legislaturen werde die Regionalkonferenz noch nachwirken, sagt Grau, nun mit dem Hut des Gemeindepräsidenten auf. Der Perimeter der Konferenz sei deutlich grösser gewesen als die bisherigen politischen Beziehungen in der Region. So sei die Region politisch «gewachsen». «Aber in drei Jahren bin ich nicht mehr Gemeindepräsident und diese Beziehungen gehen irgendwann wieder verloren.» Dennoch ist er überzeugt, dass die Regionalkonferenz die Menschen näher zusammengebracht habe.

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