Das geologische Tiefenlager

Das geologische Tiefenlager: Abfälle im Untergrund sicher entsorgen


Mehrere hundert Meter tief im Untergrund werden die Abfälle fernab vom Lebensraum der Menschen sicher eingeschlossen. Dafür sorgen mehrfache Barrieren. Ein Tiefenlager besteht aus Gebäuden an der Erdoberfläche, Zugängen nach unter Tage und Anlagen im Untergrund.

Wozu ein geologisches Tiefenlager?

Radioaktive Abfälle müssen für lange Zeit sicher vom Lebensraum der Menschen ferngehalten werden, bis sie zur Unschädlichkeit zerfallen sind. Das Kernenergiegesetz sieht dazu ein geologisches Tiefenlager vor. Dort werden die Abfälle in mehreren hundert Metern Tiefe in einer dichten und stabilen Gesteinsschicht eingeschlossen. Insbesondere hochaktive Abfälle dürfen langfristig nicht an der Erdoberfläche bleiben. Die schweizerische Eidgenossenschaft hat die Nagra beauftragt, ein Tiefenlager zu planen und zu realisieren. Wir sind stolz darauf, einen wichtigen Beitrag zum Schutz nachfolgender Generationen und der Umwelt zu leisten.

Schutz durch mehrfache Barrieren

Ein Tiefenlager muss die radioaktiven Abfälle für Zehntausende bis Hunderttausende von Jahren sicher einschliessen. Es verfügt daher über ein durchdachtes System aus mehrfachen Sicherheitsbarrieren. Diese sorgen dafür, dass das Lager Langzeitsicherheit bieten kann. Die wichtigste Barriere im Schweizer Konzept ist die Geologie mit den tonhaltigen Gesteinsschichten.

Das Tongestein Opalinuston nimmt die Lagerfelder mit den Abfällen auf und wird als Wirtgestein bezeichnet. Es ist äusserst geringdurchlässig, hält Wasser von den Abfällen fern und radioaktive Stoffe zurück. Ober- und unterhalb des Opalinustons liegen weitere tonhaltige, geringdurchlässige Gesteinsschichten, die sogenannten Rahmengesteine. Der dickwandige Endlagerbehälter oder die abdichtende Verfüllung aller Hohlräume – man spricht hier von technischen Barrieren – ergänzen die natürliche geologische Barriere.

Was gehört zu einem Tiefenlager?

Ein geologisches Tiefenlager für radioaktive Abfälle besteht nicht nur aus Anlagen im Untergrund, sondern auch aus Gebäuden an der Erdoberfläche, der sogenannten Oberflächeninfrastruktur. Dort treffen beispielsweise die Transporte mit den radioaktiven Abfällen ein. Die Verbindung zwischen Erdoberfläche und Untergrund stellen Zugänge her.

Darstellung eines geologischen Tiefenlagers für schwach- und mittelaktive Abfälle sowie hochaktive Abfälle (Kombilager). Die Zugänge sind in diesem Beispiel als Schächte ausgelegt.

Oberflächeninfrastruktur: Pforte für die Abfälle

Die Oberflächeninfrastruktur besteht aus der Oberflächenanlage, Nebenzugangsanlagen, Bauten für die Erschliessung und Depots für das Ausbruchmaterial. Diese sind für den Bau, Betrieb und Verschluss des Lagers notwendig. In der Oberflächenanlage werden die Abfälle angeliefert und für die Einlagerung unter Tag vorbereitet. Hochaktive Abfälle werden von Transport- und Lagerbehältern in Endlagerbehälter umverpackt. Dann werden sie über den Hauptzugang in die Tiefe gebracht. Die Endlagerfässer mit den schwach- und mittelaktiven Abfällen erhalten eine zusätzliche Verpackung.

Wie gelangt man nach unter Tage?

Die untertägigen Anlagen des Tiefenlagers werden mit Schächten respektive Rampen erschlossen. Die Abfälle können mit einem Lift respektive einem Pneufahrzeug oder einer Zahnradbahn in die Tiefe gebracht werden. Aus Sicht des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) und der Nagra ist sowohl ein Schacht als auch eine Rampe als Zugang geeignet. Diese Varianten bieten Flexibilität bei der Anordnung der Oberflächenanlage, haben aber jeweils bauliche und betriebliche Vor- und Nachteile. Beide gewährleisten die erforderliche nukleare Betriebssicherheit wie auch Langzeitsicherheit.

Schächte und Rampen sind im Bergbau sehr gebräuchlich. Sie werden zudem nicht nur von der Nagra sondern auch von anderen Organisationen in ihren Projekten für geologische Tiefenlager verwendet, beispielsweise in Frankreich, Finnland und Schweden. Effektiv festgelegt wird die Art des Zugangs mit der nuklearen Baubewilligung.

Unter Tage besteht ein Tiefenlager aus verschiedenen Anlagen, die durch Stollen miteinander verbunden sind. Im Bild ein vergleichbarer Stollen aus dem Felslabor Mont Terri.

Was gehört zum Lager unter Tage?

Das Tiefenlager besteht unter Tage aus einem Hauptlager, einem Testbereich und einem Pilotlager (siehe Abbildung oben). Im Testbereich wird vor dem Bau endgültig abgeklärt, ob sich der Standort für ein Tiefenlager eignet. Zudem testen Fachleute die Technik für eine allfällige Rückholung. Das Hauptlager nimmt den Grossteil der Abfälle auf: Schwach- und mittelaktive Abfälle werden in Lagerkavernen – das sind grosse herausgebrochene Hohlräume im Gestein – und hochaktive Abfälle in Lagerstollen eingelagert. Lagerstollen sind Tunnel mit nur einem Zugang. Das sogenannte Pilotlager nimmt einen kleinen, repräsentativen Teil der Abfälle auf. Im Untergrund liegen weitere Anlagen für den Fuhrpark oder für Experimente.

Zwei Einzellager oder ein Kombilager?

Wie genau ein Tiefenlager aussieht, hängt auch davon ab, welche Abfälle darin entsorgt werden. In der Schweiz gibt es vor allem hochaktive sowie schwach- und mittelaktive Abfälle. Die beiden Abfalltypen besitzen unterschiedliche physikalische Eigenschaften und müssen getrennt voneinander entsorgt werden. Dies kann in zwei Einzellagern an unterschiedlichen Standorten erfolgen. Oder es gibt ein sogenanntes Kombilager an einem gemeinsamen Standort, aber mit getrennten Lagerfeldern im Untergrund. Die Unterseite informiert Sie über die Vorteile eines Kombilagers.

Rückholbarkeit der Abfälle trotz Langzeitsicherheit vorgeschrieben

Ein verschlossenes Tiefenlager ist passiv sicher: Ein menschliches Zutun oder ein Unterhalt sind dann nicht mehr notwendig. Stollen und Kavernen, die vollständig mit eingelagerten Abfallbehältern bestückt sind, werden deshalb fortlaufend verfüllt und versiegelt. Das gilt auch für nicht mehr benötigte Zugänge. Sind alle Abfälle eingelagert, folgt die Beobachtungsphase, die Jahrzehnte dauert. Ein Zugang von der Erdoberfläche her bleibt zur Kontrolle des Pilotlagers noch offen. Das Tiefenlager wird erst dann endgültig verschlossen, wenn der Nachweis erbracht ist, dass es Langzeitsicherheit bietet. Die Erlaubnis dazu erteilt der Bundesrat.

Beispielhafte Darstellung der Rückholung hochaktiver Abfälle: Der Endlagerbehälter wird mit einem Rückholungsfahrzeug geborgen und aus dem Einlagerungsstollen gebracht.

Die Nagra erarbeitet ein Lagerprojekt, das grosse Sicherheitsreserven bietet. Dennoch müssen radioaktive Abfälle aus einem geologischen Tiefenlager rückholbar sein. Dies bedeutet, dass man die Abfälle wieder an die Erdoberfläche holen könnte, was einem gesellschaftlichen Wunsch entspricht und gesetzlich festgelegt ist. Massnahmen zur Rückholbarkeit dürfen weder die Sicherheitsbarrieren noch die Langzeitsicherheit beeinträchtigen.

Eine Rückholung aus sicherheitstechnischen Gründen ist wenig wahrscheinlich, muss jedoch bis zum Verschluss des gesamten Tiefenlagers ohne grossen Aufwand möglich sein. Zu einem späteren Zeitpunkt wird der Aufwand grösser, aber eine Rückholung ist auch dann noch möglich. Da ein Teil der radioaktiven Abfälle aus abgebrannten Brennelementen besteht, könnten zukünftige Generationen diese jedoch zurückholen, um sie als Rohstoffe zur Energieerzeugung zu verwenden. Eine Rückholung käme auch in Frage, um eine zukünftige alternative Entsorgungsvariante zu nutzen.