Mehrfache Barrieren bieten Sicherheit


Die Schweiz schliesst ihre radioaktiven Abfälle tief im Untergrund in einem geologischen Tiefenlager ein. Zum Schutz von Mensch und Umwelt muss die Langzeitsicherheit gewährleistet sein. Erreicht wird dies mit mehrfachen Sicherheitsbarrieren.

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Die radioaktiven Abfälle werden zukünftig in einem geologischen Tiefenlager langfristig sicher entsorgt. Ein System aus mehreren technischen und geologischen Sicherheitsbarrieren schliesst die Abfälle zuverlässig ein. Fernab vom Lebensraum des Menschen können die in den Abfällen enthaltenen radioaktiven Stoffe bis zur Unschädlichkeit zerfallen. Die Nagra muss nachweisen, dass das Tiefenlager in Nördlich Lägern bis zu einer Million Jahre lang sicher ist. Die benötigte Einschlusszeit beträgt bei hochaktiven Abfällen etwa 200 000 Jahre und bei schwach- und mittelaktiven Abfällen rund 30 000 Jahre.

In die Tiefe – zum Schutz vor Erosion


Wir von der Nagra planen und bauen das Tiefenlager so, dass die Sicherheitsbarrieren bestmögliche Sicherheit während der gesamten Einschlusszeit der Abfälle bieten. Zum Schutz vor Gletschern und Erosion liegt es in mehreren hundert Metern Tiefe. Wir weichen dabei den aktiven Zonen mit deformierten Gesteinsschichten, sogenannten Störungszonen, aus. Zudem stimmen wir das Lager auf die Geologie am Standort ab und entwickeln das Projekt kontinuierlich weiter.

Dank der robusten Sicherheitsbarrieren kann ein Tiefenlager nach dem Verschluss sich selbst überlassen werden – ohne dass der Mensch eingreifen muss.

Tonhaltige Gesteinsschichten als natürliche Barrieren


Die Sicherheitsbarrieren ergänzen sich gegenseitig. Sie halten schädliche Einflüsse wie fliessendes Wasser von den Abfällen fern und radioaktive Stoffe im Tiefenlager zurück. So können keine radioaktiven Stoffe in unzulässigen Mengen durch Wasser aus einem Tiefenlager herausgelöst werden und über das angrenzende Gestein an die Erdoberfläche gelangen. Auch schirmen die Barrieren direkte Strahlung wirkungsvoll ab: Bereits ein bis zwei Meter von der Stollenwand des Lagers entfernt ist diese tiefer als die natürliche Strahlung des Gesteins selbst.

In Europa werden für den Einschluss der Abfälle Kristallin-, Salz- und Tongesteine in Betracht gezogen. Die wichtigsten Barrieren in der Schweiz sind tonhaltige Gesteinsschichten, in denen das Lager gebaut wird. Dazu zählen der sehr gering durchlässige Opalinuston (Wirtgestein) und die ebenfalls gering durchlässigen darunter- und darüberliegenden Rahmengesteine.

Was ist Opalinuston?


Opalinuston hat seinen Ursprung in der Jurazeit vor rund 175 Millionen Jahren. Damals war die Nordschweiz von einem flachen Meer bedeckt. Von den Inseln wurden Sedimente ins Meer geschwemmt. Im heutigen Raum Strassburg–Stuttgart–Zürich–Bern lagerte sich am Meeresboden feiner Tonschlamm ab. Durch stete Verfestigung entstand daraus der Opalinuston. Der Name geht auf den darin gefundenen Ammoniten «Leioceras opalinum» zurück.

Der Opalinuston im Video

Wo gibt es den Opalinuston in der Schweiz?

Die Anforderungen an Mächtigkeit und Tiefenlage der Schicht aus Opalinuston sind in einem Streifen von Olten bis Schaffhausen am besten erfüllt. Hier liegen die drei vertieft untersuchten Standortgebiete für ein Tiefenlager: Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost. Der Opalinuston ist dort zirka 110 Meter mächtig (dick), liegt in einer Tiefe von 400 bis 900 Metern und weist über weite Gebiete ähnliche Eigenschaften auf.

Alle drei aufwändig untersuchten Standortgebiete verfügen über genügend Platz für das Tiefenlager und zeichnen sich durch eine stabile geologische Situation aus. Im September 2022 hat die Nagra schliesslich Nördlich Lägern als Standort für das Tiefenlager vorgeschlagen.

Eigenschaften von Opalinuston


Opalinuston besteht zu einem grossen Anteil aus mikroskopisch kleinen, plättchenförmigen Tonmineralen. Er ist daher sehr dicht: Im intakten Gestein fliesst kein Wasser und bei Wasserkontakt quellen viele der Tonminerale auf. Dadurch werden Risse, die zum Beispiel beim Ausbrechen der Hohlräume im tiefen Untergrund entstehen, wieder abgedichtet. So kann ein Ausschwemmen der Schadstoffe praktisch ausgeschlossen werden.

Weiter haben elektrisch negativ geladene Tonminerale im Opalinuston die Eigenschaft, positiv geladene Stoffe zu binden. Die meisten Radionuklide in den Abfällen sind positiv geladen und binden sich an die Tonminerale – in der Fachsprache wird dieser Vorgang Sorption genannt. Die negativ geladenen Radionuklide wandern zudem nur äusserst langsam durch das Gestein – hier sprechen die Fachleute von Diffusion. Der Opalinuston hat dadurch also die Eigenschaft, (radioaktive) Stoffe sehr gut und langfristig einzuschliessen.

Bauen im Opalinuston


Der Opalinuston ist ein eher weiches Gestein. Eine Herausforderung für den Bau im tieferen Untergrund. Diese bautechnischen Herausforderungen sind technisch jedoch beherrschbar. Lediglich der Aufwand erhöht sich im Gegensatz zu härteren, für Bauwerke besser geeignete Gesteine.

Dieser Aufwand lohnt sich aber, da es bei der Lagerung von radioaktiven Abfällen um die grösstmögliche Sicherheit geht. Diesbezüglich muss auch darauf geachtet werden, dass die anfangs noch heissen hochaktiven Abfälle nicht zu viel Wärme an den Opalinuston abgeben. Er könnte dadurch seine einschliessenden Eigenschaften verlieren.

Wie warm es im Lagerstollen werden darf, ist Gegenstand des HotBENT-Experiments. All diese und viele weitere Parameter müssen in Betracht gezogen werden. Eine sorgfältige Planung und ein umsichtiger Bau des Tiefenlagers sind daher unabdingbar.

Rahmengesteine um den Opalinuston herum


Die tonhaltigen Rahmengesteine tragen ebenfalls dazu bei, dass radioaktive Stoffe aus dem Tiefenlager nur mit einer beträchtlichen Verzögerung in den Lebensraum an der Erdoberfläche gelangen können. So haben die meisten radioaktiven Stoffe genügend Zeit, bis zur Unschädlichkeit zu zerfallen.

Beispiele für Rahmengesteine sind: «Brauner Dogger» oder «Effingen Member». Im Vergleich zum Opalinuston sind diese Rahmengesteine nicht gleichmässig aufgebaut und enthalten eine etwas unterschiedliche Zusammensetzung an Gesteinen und Mineralen. Beide bestehen hauptsächlich aus Mergel, also einer Mischung aus Ton und Kalk. Sie enthalten aber auch Sand- und Kalksteine sowie im Falle des «Braunen Doggers» Eisenoolithe (Eisenerz). Diese Schichten haben einen geringeren Tongehalt und sind deshalb nicht ganz so undurchlässig wie der Opalinuston.

Die technischen Sicherheitsbarrieren

Damit ein Tiefenlager den bestmöglichen Schutz bieten kann, werden die technischen Sicherheitsbarrieren auf die geologische Sicherheitsbarriere abgestimmt.

Barrieren für hochaktive Abfälle


  1. Die hochaktiven Stoffe von abgebrannten Brennelementen sind in den Brennstoffpellets aus Uranoxid eingeschlossen. Die hochaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung sind in Glas eingebettet. Diese Abfallmatrix ist sehr schwer löslich und bildet die erste technische Barriere. Auch bei Wasserzutritt in den Endlagerbehälter können die radioaktiven Stoffe nur sehr langsam ins Wasser gelangen.
  2. Die abgebrannten Brennelemente werden in einen dickwandigen Endlagerbehälter aus Stahl gepackt. Dieser verhindert als zweite Barriere das Freisetzen von radioaktiven Stoffen während mindestens 1000 Jahren.
  3. Der Endlagerbehälter wird im Lagerstollen auf einem Bentonitsockel gelagert. Anschliessend wird der gesamte Tunnel mit Bentonitgranulat verfüllt. Bentonit besteht hauptsächlich aus Tonmineralen, ist sehr geringdurchlässig und stellt die dritte Barriere dar. Bei Feuchtigkeitszutritt quillt er auf und dichtet dadurch Risse und Klüfte ab. Zudem binden die Tonminerale die radioaktiven Stoffe und halten sie so zurück.

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Barrieren für schwach- und mittelaktive Abfälle


  1. Die Abfälle werden in einer Matrix – beispielsweise aus Zement, Glas oder Bitumen – verfestigt und in Die hochaktiven Stoffe von abgebrannten Brennelementen eingeschlossen.
  2. Die Fässer kommen in einen Endlagercontainer aus Beton, der mit Zementmörtel aufgefüllt wird.
  3. Schliesslich werden die Betonwannen in grossen Kavernen über- und nebeneinander gestapelt und der Zwischenraum mit einem Spezialmörtel verfüllt.

Sowohl bei den hochaktiven Abfällen in den Lagerstollen wie auch bei den schwach- und mittelaktiven Abfällen in den Lagerkavernen gilt: Erst wenn alle aufgeführten technischen Barrieren durchbrochen sind, kommt mit dem Opalinuston die geologische – und wichtigste – Barriere überhaupt erst zum Einsatz.