Auf der Zielgeraden zur Rahmenbewilligung


Präsident Lino Guzzella und CEO Matthias Braun blicken im Interview auf das Jahr 2023 zurück, auf die konstruktive Zusammenarbeit mit der Standortregion – und den «Vorwärtsgang», den die Nagra eingelegt hat.

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Seit die Nagra den Standortvorschlag präsentiert hat, sind schon fast zwei Jahre vergangen. Bald wird sie das Rahmenbewilligungsgesuch einreichen. Wie hat das die Arbeit der Nagra verändert?

Matthias Braun: Wir sind viel lokaler geworden: Seit dem Standortvorschlag legen wir in unserer Arbeit einen starken Fokus auf die Region Nördlich Lägern. Diese Veränderung ist gut spür- und greifbar. Wir haben in Stadel einen Infopavillon betrieben und dort mittlerweile ein Büro eröffnet. Im Gebiet Haberstal haben wir gebohrt und die Bohrlöcher zu Messstellen ausgebaut, die das Grundwasser untersuchen. Wir arbeiten bereits eng mit den lokalen Behörden, mit Anwohnerinnen und Anwohnern sowie mit Organisationen aus Stadel und Umgebung zusammen. Insofern hat sich unsere tägliche Arbeit stark verändert.

Wie zeigt sich diese enge Zusammenarbeit?

Lino Guzzella: Unter anderem am konstruktiven Ton. An unserer Dialogveranstaltung in Fisibach haben verschiedene Stakeholder – Gemeindevertreter, Behördenmitglieder, Anwohnerinnen und Anwohner sowie NGOs – sachlich und lösungsorientiert miteinander diskutiert. Besonders beeindruckt hat mich, wie pragmatisch die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort ist: Das stimmt mich für die nächsten Schritte zuversichtlich. Aus meiner Sicht war dieser Anlass ein Höhepunkt im Jahr 2023.

Braun: Die Region als Ganzes hat viel Engagement gezeigt. Die Gemeinden Glattfelden, Stadel und Weiach etwa haben Informationsanlässe auf die Beine gestellt. Die Gemeindepräsidenten der drei Orte sind mit uns zusammen nach Finnland gereist und haben sich dort ein Bild gemacht, wie die finnischen Gemeinden mit ihrem Tiefenlager umgehen. Mit «STADELaktiv» hat sich eine neue Organisation gebildet. Sie sieht sich als Arbeitsgruppe, bestehend aus Einwohnerinnen und Einwohnern, die sich für ein verträgliches Projekt einsetzt. Auch die Organisation «LoTi» war mit uns im Austausch, hat uns etwa im Infopavillon oder im Kernlager Mellingen besucht und wichtige, auch kritische Fragen gestellt. Die Regionalkonferenz und ihre Fachgruppen leisten ebenfalls wertvolle Arbeit. Zusammenfassend kann man also sagen: Die Region hat sich als wichtige Akteurin positioniert, sie bringt sich ein und gestaltet das Projekt mit. Ich bin überzeugt, dass dieses Engagement der Menschen vor Ort das Tiefenlager verbessert.

Matthias Braun, CEO

«Wir sind viel lokaler geworden: Seit dem Standortvorschlag legen wir in unserer Arbeit einen starken Fokus auf die Region Nördlich Lägern»


Matthias Braun, CEO

Die Region ist also aktiver geworden. Was hat die Nagra im Berichtsjahr neben dieser Zusammenarbeit beschäftigt?

Braun: Wir haben bei der Erarbeitung des Rahmenbewilligungsgesuchs grosse Fortschritte gemacht. Da leisten ganz viele Mitarbeitende einen gewaltigen Effort. Daneben konkretisieren wir das Projekt und kommen auch da sehr gut voran.

Guzzella: Mir ist bewusst, dass die Mitarbeitenden der Nagra unter erheblichem Druck stehen. Dank ihrem grossen Engagement können wir das Gesuch voraussichtlich pünktlich im November 2024 einreichen. Die Qualität der Berichte ist sehr hoch. Das spricht für sich. Dass aber auch der Fahrplan stimmt, darauf können alle in der Nagra stolz sein, und ich bin dankbar dafür. Die Arbeit an den Berichten ist sehr anspruchsvoll und eine gewaltige Fleissarbeit. Die Mitarbeitenden leisten sie gewissermassen im «stillen Kämmerlein». Davor habe ich grössten Respekt.

Was sich 2023 auch klar gezeigt hat: Die Nagra hat den Vorwärtsgang eingelegt und verändert sich von einer Forschungs- zu einer Projektorganisation. Diese Transformation spüre ich in den Gängen der Nagra, und ich spüre sie im Gespräch mit den Mitarbeitenden.

Braun: Wir befinden uns im Aufbruch. Wir sind überzeugt, dass wir den besten Standort für ein Tiefenlager gefunden haben. Jetzt fokussieren wir uns auf die Umsetzung des Projekts.

Was bedeutet das für die Mitarbeitenden der Nagra?

Guzzella: Viele Stellenprofile werden sich verändern. Diese Veränderungen sind eine Chance für alle in der Nagra – davon bin ich überzeugt.

Und was ändert sich in der Verwaltung der Nagra?

Guzzella: Die Weichen, die wir jetzt in der Verwaltung stellen, die Entscheide, die wir jetzt treffen, haben konkrete finanzielle und zeitliche Auswirkungen – wir gehen hier mit grossem Respekt vor.

Gleichzeitig sind wir zuversichtlich, dass das Projekt sicher und bezahlbar ist und es auch bleibt. Die Mitarbeitenden der Nagra haben sich ein grosses Vertrauen erarbeitet, auch und gerade mit dem Standortvorschlag, der gut aufgenommen und verstanden wurde.

Hinzu kommt: Die Nagra profitiert in dieser neuen Phase immer stärker vom Know-how der Genossenschafter, die ihrerseits viel Erfahrung mit Grossprojekten haben.

«Die Nagra hat den Vorwärtsgang eingelegt und verändert sich von einer Forschungs- zu einer Projektorganisation»


Lino Guzella, Präsident

Warum ist bereits die Einreichung des Rahmenbewilligungsgesuchs so wichtig für die Nagra

Braun: Das Rahmenbewilligungsgesuch ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Meilenstein im Projekt, es formalisiert wichtige Grundzüge des Bauvorhabens, zum Beispiel den Standortvorschlag oder auch den Oberflächenperimeter der Bauten.

Guzzella: Diese Ansicht teile ich absolut. Vor allem politisch ist es ein wichtiger Meilenstein. Der Standortvorschlag war vielleicht medial interessanter und natürlich für die Region sehr wichtig. Formell gesehen ist aber die Einreichung des Gesuchs der entscheidende Schritt, denn erst danach können die Behörden unseren Vorschlag auch prüfen.

Braun: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass der Sachplan funktioniert und alle involvierten Akteure grossartige Arbeit leisten. Dass etwa die Zusammenarbeit mit der Region so gut und pragmatisch vonstattengeht, ist zu einem grossen Teil auf den Sachplan zurückzuführen. In diesem Sinn ist das Rahmenbewilligungsgesuch eine direkte Folge des Sachplans.

Guzzella: Ja, der Sachplan hat sich bewährt. Ich bin überzeugt, dass er bis zum Schluss zu einem guten Projekt beitragen wird.

Lino Guzzella, Präsident

Bis zum Schluss bedeutet: bis zur Erteilung der Rahmenbewilligung Ende der 20er-, Anfang der 30er-Jahre. Was bringen die nächsten Jahre?

Guzzella: Die Nagra ist gut unterwegs, in der Verwaltung der Nagra arbeiten wir hervorragend zusammen, die Kooperation mit den Behörden und der Region ist ebenfalls konstruktiv und zielorientiert. Das Schweizer Tiefenlagerkonzept ist robust, die Finanzierung ist gesichert, wir haben mit dem Opalinuston ein gut geeignetes Wirtgestein, und Nördlich Lägern ist der sicherste Standort. Das sind mehr als genug Gründe, um optimistisch in die Zukunft zu blicken.

Braun: Dieses Jahr arbeiten wir noch intensiv am Rahmenbewilligungsgesuch und reichen es im November ein. Parallel dazu planen wir schon weiter am Tiefenlager, an den Verpackungs- und an den Oberflächenanlagen. Und: Noch vor der Erteilung der Rahmenbewilligung werden wir voraussichtlich im Haberstal Erkundungsbohrungen durchführen. Es geht also mit grossen Schritten vorwärts mit dem Jahrhundertprojekt Tiefenlager.

Nagra Geschäftsbericht 2023


Das Interview ist Teil des Geschäftsberichts 2023. Lesen Sie weitere spannende Geschichten in der vollständigen Ausgabe.
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