Technischer Bericht NTB 98-04

Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle am Standort WellenbergEtappen auf dem Wege zum Verschluss; präzisierende Darstellung der Kontrollierbarkeit und Rückholbarkeit

Im Jahre 1994 unterbreitete die GNW (Genossenschaft für nukleare Entsorgung Wellenberg) dem Bundesrat das Gesuch um Erteilung der Rahmenbewilligung für ein Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle (EL-SMA) am Standort Wellenberg in Wolfenschiessen NW. Die Rahmenbewilligung soll den Standort sowie das Projekt in seinen Grundzügen festlegen. Bezüglich der baulichen und betrieblichen Realisierung werden vom Gesuch Angaben über die «ungefähre Gestaltung der unter- und oberirdischen Bauten» verlangt. Entsprechend dieser Forderung hat die GNW in der Gesuchsdokumentation die Fragen der Kontrollierbarkeit des Lagers und der Rückholbarkeit der Abfälle nur kurz behandelt. Gemäss Gesuch entspricht das Lagerkonzept der gesetzlichen Forderung, wonach die Langzeitsicherheit Priorität geniesst - das Lager muss auch ohne Überwachung dauernd sicher sein. Überwachung und Kontrolle sind trotz­dem vorgesehen, ebenso bleibt die Rückholbarkeit nach dem Lagerverschluss grundsätzlich möglich. Die Langzeitsicherheit darf von diesen Vorkehrungen aber weder abhängen noch darunter leiden. Der Zeitpunkt des Verschlusses wurde nicht speziell diskutiert - es wurde stillschweigend angenommen, dass die Lagerkavernen und Zugänge entsprechend den betrieblichen Erfordernissen nach und nach verschlossen und versiegelt werden.

In der öffentlichen Diskussion, insbesondere im Vorfeld der Nidwaldner Abstimmung zu den Gesuchen um Rahmenbewilligung und die kantonale Konzession im Jahre 1995, spielte die Problematik der Kontrollierbarkeit und Rückholbarkeit eine wichtige Rolle. In Anbetracht der Ablehnung des Konzessionsgesuchs einerseits und der positiven Schlussfolgerungen der Sicherheitsbehörden zum Lagerprojekt anderseits hat sich der Bundesrat 1996 zum weiteren Vorgehen geäussert: Im Gespräch aller Beteiligten solle eine einvernehmliche Lösung erarbeitet werden, wobei eine weitere Abstimmung zu einem überarbeiteten Projekt nicht ausgeschlossen sei. Für die Diskussion der Projektanpassung wurde eine Technische Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich auf Wunsch des Regierungsrates Nidwalden auch mit der Frage des Lagerkonzepts, d. h. mit Rückholbarkeit, Kontrollierbarkeit und Verschluss zu befassen hatte. 

Aufgrund der Diskussion der Kontrollierbarkeit und Rückholbarkeit in der Öffentlichkeit und in der Technischen Arbeitsgruppe Wellenberg hat die GNW beschlossen, entsprechende Festlegungen des Lagerprojekts zu präzisieren und den Ergebnissen der Diskussion anzupassen. Wie es die ethischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen verlangen, hält sie am Primat der Langzeitsicherheit durch passiven, vom Unsicherheitsfaktor Mensch unabhängigen Einschluss fest. Neu werden jedoch das Vorgehen zum Verschluss des Lagers modifiziert und der Zeitpunkt des Verschlusses definiert. Vor dem Verschluss ist eine Phase mit leichter Rückholbarkeit vorgesehen, unter Verzieht auf die laufende Verfüllung der Kavernen während der Einlagerung der Abfälle. Während dieser Zeit sind die Abfallgebinde in den Kavernen leicht zugänglich und trotzdem sicher gestapelt. Der Entscheid zum Verschluss muss folglich nicht getroffen werden, bevor sich künftige Generationen von der Sicherheit und Zweckmässigkeit der bereitgestellten Lösung überzeugt haben. Das vorgesehene Vorgehen kombiniert die gesetzliche Forderung nach (passiver) Langzeitsicherheit, die ethische Forderung nach Erledigung der Entsorgungsaufgabe durch die nutzniessende Generation und die politische Forderung nach möglichst grossem Handlungsspielraum für unsere Nachkommen in idealer Weise. Das angepasste Lagerkonzept wird allen diesen Forderungen gleichermassen gerecht. 

Die Nagra wurde von der GNW beauftragt, die Folgen der Phase der leichten Rückholbarkeit für die bauliche und betriebliche Auslegung des Lagers und allfällige Auswirkungen dieser Phase auf die Betriebs- und Langzeitsicherheit zu überprüfen. Der vorliegende Bericht fasst die Resultate dieser Überprüfung zusammen. Einleitend werden die Festlegungen des Lagerprojekts zur Kontrollierbarkeit und Rückholbarkeit während der verschiedenen Realisierungsphasen des Endlagers rekapituliert und präzisiert. Dabei zeigt sich klar, dass die Rückholung der Abfälle auch nach dem Lagerverschluss möglich ist, wenn auch mit erhöhtem technischen Aufwand. 

Die vertiefte Analyse des angepassten Lagerkonzepts zeigt, dass bei einer entsprechenden Auslegung der Bauwerke ihre Standfestigkeit über den vorgegebenen Zeitraum von hundert Jahren garantiert werden kann. Das angepasste Konzept geht von der Einlagerung aller Abfälle in vorfabrizierten Containern aus. Dies stellt die leichte Rückholbarkeit der Abfälle sicher und ermöglicht die einwandfreie nachträgliche Verfüllung der Kavernen. Die Überprüfung der radiologischen Betriebssicherheit hat ergeben, dass die Schutzziele sowohl für den Normalbetrieb als auch bei allfälligen Störfällen eingehalten werden können. 

Am System der Einschlussbarrieren nach dem Verschluss ändert sich mit der Einführung einer Phase leichter Rückholbarkeit nichts. Es werden alle ursprünglich vorgesehen Komponenten verwendet bzw. eingebaut. Die Phase leichter Rückholbarkeit könnte allerdings auf gewisse sicherheitsrelevante Eigenschaften ausgewählter Endlagerkomponenten Auswirkungen haben. Insbesondere führt das Belüften der offen gehaltenen Kavernen zu einer teilweisen Karbonatisierung des Verfüllmaterials in den Endlagercontainern. Die sicherheitstechnische Bewertung zeigt jedoch, dass die Sicherheit auch mit der Einführung einer Phase leichter Rückholbarkeit gegeben ist und am Standort Wellenberg auch unter den Festlegungen des angepassten Lagerkonzepts ein sicheres Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle realisiert werden kann.