Technical Report NTB 16-06

Colloid Formation and Migration Project:Modelling of tracer, colloid and radionuclide/homologue transport for dipole CFM 06.002 – Pinkel surface packer

Das Projekt Colloid Formation and Migration (CFM, Bildung und Migration von Kolloiden) trägt zu einer Reihe von Experimenten bei, die im Rahmen der GTS Untersuchungsphase VI mit Blick auf endlagerrelevante Randbedingungen durchgeführt werden. Es widmet sich der Untersuchung der Kolloidbildung/Bentoniterosion, der Mischungszone von Grundwasser und Porenwasser, der Kolloidmigration und -filtration sowie dem kolloidgetragenen Radionuklidtransport.
 

Die CFM in situ Experimente werden in einer gegenüber dem ungestörten Gestein höher permeablen Scherzone durchgeführt, die in der Vergangenheit bereits mehrfach für Tracer-Migrationsversuche genutzt wurde (Frick et al. 1992, Smith et al. 2001, Möri 2004). Das Colloid and Radionuclide Retardation Projekt (CRR; Möri 2004) diente der Untersuchung des Bentonitkolloid- und kolloidgestützten Radionuklidtransports. Die Kolloid-Tracerversuche im CRR Projekt wurden in einfacher Dipolanordnung mit ca. 2 m Abstand zwischen den Bohrlochintervallen und relativ hohen Durchflussraten realisiert. Für die konservativen Spezies resultierten daraus Transportzeiten von unter einer Stunde. Das Ziel der CFM in situ Experimente ist es nun, die CRR Ergebnisse auf eine längere Zeitskala zu übertragen und den Prozess der Kolloidbildung unter für Tiefenlager realistischen Bedingungen – d. h. bei relativ niedrigen Gradienten und Strömungsgeschwindigkeiten – zu untersuchen. Für die entsprechenden Strömungsbedingungen mussten eine bzw. mehrere gut steuerbare Dipolanordnungen mit niedrigem Gradienten bei gleichzeitig hoher Wiederfindungsrate entwickelt werden. Dies gelang erfolgreich mit Hilfe eines neuartigen Tunnel-Packer-Systems. Eine ausführliche Beschreibung dieses Packer-Systems findet sich in Schlickenrieder et al. (2017).
 

Der ungehinderte Ausstrom aus der Scherzone in den Tunnel beträgt etwa 600 ml/min (Tracerversuche Run 05-01 und Run 06-01). Die Reduktion des Ausstroms aus der Scherzone führte zu einem signifikant reduzierten hydraulischen Gradienten in der Scherzone. Seit den ersten Arbeiten zur Abdichtung des Tunnels wurden insgesamt 27 Tracerversuche durchgeführt, bei denen die Ausstromraten aus der Scherzone und der hydraulische Gradient über einen grossen Bereich variierten. Dieser Bericht beschreibt die Simulation von Kolloid/Homolog-, und Kolloid/Radionuklid-Migrationsversuchen in der Scherzone zwischen dem Bohrloch CFM 06.002 und dem Pinkel-Oberflächenpacker (Punkt, an dem der Hauptausstrom aus der Scherzone erfolgt). Die hier betrachteten Feldversuche umfassen:

  • Tracerversuche Run 08-01 (Kolloid/Homolog) und 08-02 (konservativer Tracer): Ausstrom 160 ml/min
  • Tracerversuch Run 10-01 (Kolloid/Homolog/konservativer Tracer): Ausstrom 48 ml/min
  • Tracerversuch Run 10-03 (Kolloid/Homolog/konservativer Tracer): Ausstrom 10 ml/min
  • Tracerversuch Run 12-02 (Kolloid/Radionuklid/konservativer Tracer): Ausstrom 25 ml/min

Der für diese Tracerversuche verwendete "Dipol" wird auch für den CFM Long-term In situ Test (LIT, Langzeit in situ Versuch, Schlickenrieder et al. 2017) verwendet, bei dem eine feste Bentonitquelle mit Radionuklidtracern in das Bohrloch CFM 06.002 eingebracht und der Ausstrom am Pinkel-Oberflächenpacker konstant gehalten wird. Die Randbedingungen für die Strömung im LIT (25 ml/min Ausstrom am Pinkel-Oberflächenpacker) entsprechen den Bedingungen des Kolloid/Radionuklid-Tracerversuchs Run 12-02. Weitere Kolloid/Radionuklid-Tracerversuche wurden an dem CRR Dipol 1 (in der Scherzone zwischen CRR 99.002 und BOMI 87.010) durchgeführt und werden in einem zukünftigen Bericht beschrieben.
 

Die hier beschriebenen Modellrechnungen konzentrieren sich auf den Kolloidtransport mit 
-filtration und den assoziierten Transport von trivalenten und tetravalenten Homologen bzw. Radionukliden. Diese wurden von drei Gruppen auf der Grundlage eines festgelegten Datensatzes und ähnlichen konzeptuellen Modellen mit teilweise unterschiedlichen Ansätzen durchgeführt:

  • GRS: 2D Modell unter Verwendung der Rechenprogramme d3f und r3t
  • LANL: 1D Lösung im Raum unter Verwendung von Finite Differenzen Modellen und RELAP (Lösung über Laplace Transformation und numerische Inversion in der Zeit)
  • KTH: 1D Lösung über Zeit-Transformation

Alle Gruppen haben die Tracerversuche Run 10-01, Run 10-03 und Run 12-02 modelliert. Die Modellierung beinhaltete sowohl Vorhersagerechnungen (Blind Prediction, GRS) als auch eine modellhafte Analyse der Versuche nach Erhalt der Ergebnisse (Back Analysis).
 

Mit den unterschiedlichen Modellansätzen wurden qualitativ ähnliche Ergebnisse erzielt: Der Kolloidtransport wird relativ gut über einen Filtrationsprozess erster Ordnung beschrieben und der Transport der Homologe bzw. Radionuklide wird wesentlich durch die Desorptionsrate von den Kolloiden bestimmt.
 

Eine etwas bessere Übereinstimmung mit den Durchbruchskurven konnte unter Annahme einer reversiblen Filtration der Kolloide erreicht werden. Für die Desorption der Homologe und Radionuklide von den Kolloiden wurde von GRS eine einzelne Reaktion erster Ordnung angenommen. Die bei Betrachtung ausschliesslich einer Desorptionsreaktion ermittelten Raten stimmten gut mit den Modellergebnissen der beiden anderen Gruppen überein. In einigen Fällen erreichten LANL und KTH allerdings eine bessere Anpassung an die Durchbruchskurven der Homologe und Radionuklide durch Verwendung eines Sorptionsmodells mit zwei Sorptionsplätzen und/oder einer mit der Transportzeit abnehmenden Desorptionsrate.
 

Die Desorptionsraten, die aus dem Tracerversuch Run 12-02 für Am und Pu bestimmt wurden, stimmen gut mit entsprechenden Daten aus Batch-Experimenten mit Bentonitkolloiden, Radionukliden und Kluftfüllmaterial aus der GTS-Scherzone (Huber et al. 2011) überein.
 

Zwischen den Best-Fit Beschreibungen der Homolog- bzw. Radionuklid-Desorptionsprozesse von den Kolloiden wurden Inkonsistenzen identifiziert, deren Gründe noch nicht geklärt werden konnten. Während bei der Verwendung eines Modells mit nur einer Art Sorptionsplatz tendenziell eine Abnahme der Desorptionsrate mit zunehmender Transportzeit beobachtet wurde, zeigte sich bei der Verwendung eines Sorptionsmodells mit zwei verschiedenen Sorptionsplätzen keine solche Abhängigkeit.
 

Eine Extrapolation der in den CFM Tracerversuchen beobachteten Zeitskalenabhängigkeit der Desorptionsraten der tri- und tetravalenten Homologe und Radionuklide deutet darauf hin, dass Homologe bzw. Radionuklide innerhalb weniger Monate oder höchstens weniger Jahre vollständig von den Kolloiden desorbieren. Somit würde der kolloidgetragene Transport auf der zeitlichen und räumlichen Skala einer Langzeitsicherheitsanalyse kein Problem darstellen. Mögliche Ansätze zur besseren Abschätzung der dafür relevanten, sehr kleinen Filtrations- und Desorptionsraten werden im Bericht aufgezeigt.