Lächelnder Mann mit Bart und grauer Jacke steht in einem hellen Raum. Er blickt direkt in die Kamera, sein Gesicht zeigt ein freundliches Lächeln. Sein dunkles Haar ist leicht nach hinten gekämmt, und er trägt einen gepflegten Vollbart. Er trägt ein graues Kapuzenshirt. Die natürliche Beleuchtung des Raumes unterstreicht seine entspannte Haltung und freundliche Ausstrahlung.

Das Puzzle, das Jahrmillionen alt ist


ETH-Geologe Stephan Wohlwend unterstützt die Nagra bei der Erforschung des Untergrunds: «Ich liefere ein kleines Puzzleteil, das etwas Sinnvolles für die Zukunft generiert.»

Seite teilen

Bei den neun Tiefbohrungen und der anschliessenden Analyse der Bohrkerne kann die Nagra auf viel Know-how aus dem In- und Ausland zählen. Wir stellen hier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor, die mit Ihrer Expertise zum Gelingen des Jahrhundertprojekts Tiefenlager beitragen. Heute ist die Reihe an:

Stephan Wohlwend, Geologe ETH Zürich

Wohlwend hat an der ETH studiert und seine Doktorarbeit geschrieben. Er befasste sich während seiner Ausbildung hauptsächlich mit Sedimentgesteinen und ihrer stratigraphischen Ablagerung. Die Stratigraphie hilft dabei, die Erdgeschichte zu rekonstruieren, indem sie die Gesteine räumlich und zeitlich einordnet. Ein weiteres Spezialgebiet von Stephan Wohlwend sind geochemische Analysen, die er auch bei den Bohrkernen der Nagra anwendet.

Wie kam es zu Ihrer Beteiligung an der Tiefbohrkampagne?
Ich mache geochemische Analysen. Deshalb waren die Bohrkerne durch die komplette Sedimentabfolge der Nordschweiz für mich seit jeher von grossem Interesse. Gaudenz Deplazes, der heute bei der Nagra als Geologe arbeitet, war früher auch an der ETH. Ich sagte ihm, dass mich diese Untersuchungen sehr interessieren und so kam die Zusammenarbeit schliesslich zustande. Sie dauert mittlerweile sieben Jahre. Und es ist immer noch sehr spannend.

 

Was sind genau Ihre Aufgaben?
Zu Beginn der Bohrkampagne habe ich Aufschlusskartierungen gemacht. Man sucht sich dafür Orte, an denen die Gesteinsabfolgen möglichst vollständig ersichtlich und gut zugänglich sind. Dann beschreibt man diese Abfolgen im Detail. Ich war also oft draussen im Feld tätig. Gewisse Dokumentationen über solche Aufschlüsse waren mehr als hundert Jahre alt. Mit meinem Team habe ich diese für die Bohrkampagne aufgearbeitet.

Die letzten vier Jahre war ich in die Tiefbohrkampagne selbst involviert. Einerseits in der Qualitätssicherung, andererseits war ich mit demselben Team, mit dem wir schon zuvor für die Nagra gearbeitet haben, für die Beschreibung der Bohrkerne zuständig. Wir haben alles detailliert untersucht, vor allem beim Opalinuston und den Gesteinen direkt darüber gab es noch einige geologische Fragezeichen. Ich habe mich vor allem geochemisch an den Untersuchungen beteiligt und darf sagen, dass wir mit meinen Analysen viele zusätzliche Erkenntnisse gewinnen konnten.

 

Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?
In diesem Projekt besonders die Zusammenarbeit. Ich bin an der ETH tätig, komme von der Akademie, der Wissenschaft, her. Im Zusammenspiel mit den Geologiebüros und anderen Universitäten arbeitet man an einem kleinen Aspekt dieser grossen Aufgabe, die die Nagra hat. Ich schreibe also nicht nur wissenschaftliche Papers, sondern liefere ein kleines Puzzleteil, das hoffentlich etwas Sinnvolles für die Zukunft generiert.

Ich mache nicht nur Forschung der Forschung willen. Klar bin ich sehr neugierig. Aber es geht mir nicht darum, nur meine Neugier zu erfüllen. Es soll ein Nutzen da sein. Das interdisziplinäre Zusammenspiel aus Privatindustrie und Forschung, mit der Nagra, anderen Universitäten – das ist sehr spannend.

«Es geht mir nicht darum, nur meine Neugier zu erfüllen. Es soll ein Nutzen da sein.»


Stephan Wohlwend, Geologe an der ETH Zürich

Welche Skills benötigen Sie für Ihren Job?
Alle Leute, die mit Bohrkernen zu tun haben, benötigen eine gewisse Abstraktionsfähigkeit. Man sieht sich zehn Zentimeter Bohrkern an und versucht daraus abzuleiten, wie der Untergrund rundherum aussehen könnte. Das ist herausfordernd. Man muss sich vorstellen können: «Wie hat es vor Jahrmillionen dort ausgesehen als alles noch Meeresboden war?»

Gleichzeitig braucht es Erfahrung: Je mehr man schon gesehen hat, desto mehr kann man erkennen, wo möglicherweise Schwierigkeiten zu erwarten sind. Für ältere und somit erfahrenere Geologen ist es deshalb häufig einfacher, weil sie einfach schon so Vieles gesehen haben. Das allein macht sie nicht zu besseren Geologen an sich, aber die Verknüpfung von all diesen Daten hilft. Ich sehe es bei mir: Allein was ich in den letzten rund fünf Jahren alles gesehen habe, hilft mir bei meinem Verständnis enorm weiter.

Ähnliche Beiträge
«Ich begleite das Jahrhundertprojekt in die nächste Phase»
07.05.2024 #Jahrhundertprojekt #Menschen
«Ich begleite das Jahrhundertprojekt in die nächste Phase»

Nach einer langen, intensiven Forschungszeit bereitet sich die Nagra auf die Umsetzung des Projekts vor. Bei Projektplanerin Anastasia Escallon laufen die Fäden zusammen, sie löst knifflige Probleme und behält den Überblick über das grosse Ganze.

«In den Gesteinen steckt die Geschichte unserer Landschaft»
23.04.2024 #Menschen
«In den Gesteinen steckt die Geschichte unserer Landschaft»

Gaudenz Deplazes fasziniert die Vielseitigkeit des Projekts Tiefenlager. Neugier, Genauigkeit und eine Prise Pioniergeist begleiten den Geologen bei seiner Arbeit.

Das Experten-ABC mit Maurus Alig
10.04.2024 #Menschen
Das Experten-ABC mit Maurus Alig

Viele Buchstaben und verwirrende Abkürzungen: Bei all den Expertengremien verliert man schnell einmal die Übersicht. Maurus Alig zeigt auf, wer alles zur Sicherheit des Tiefenlager beiträgt.