Technischer Bericht NTB 14-01

SGT Etappe 2: Vorschlag weiter zu untersuchender geologischer Standortgebiete mit zugehörigen Standortarealen für die OberflächenanlageSicherheitstechnischer Bericht zu SGT Etappe 2Sicherheitstechnischer Vergleich und Vorschlag der in Etappe 3 weiter zu untersuchenden geologischen Standortgebiete(Textband und Anhang)

Wichtige Schritte zur Entsorgung der radioaktiven Abfälle der Schweiz sind heute realisiert. Dies betrifft die Behandlung und Verpackung der radioaktiven Abfälle, ihre Charakterisierung und Inventarisierung sowie die Zwischenlagerung und die dazu gehörenden Transporte. Bei der Vorbereitung der geologischen Tiefenlager wurde ein guter technisch-wissenschaftlicher Stand erreicht; der Nachweis der Machbarkeit von langfristig sicheren geologischen Tiefenlagern in der Schweiz für alle hier anfallenden radioaktiven Abfälle wurde erbracht (Entsorgungsnachweise) und vom Bundesrat anerkannt. Mit dem vom Bundesrat im Jahr 2008 genehmigten Konzept "Sachplan geologische Tiefenlager" wurde das Standortwahlverfahren für die Tiefenlager festgelegt und dessen Umsetzung in Angriff genommen. Federführende Behörde ist das Bundesamt für Energie (BFE). Gemäss Konzept Sachplan geologische Tiefenlager (SGT) erfolgt die Auswahl von Standorten für geologische Tiefenlager in der Schweiz in drei Etappen. Etappe 1 endete mit der Festlegung von geologisch geeigneten Standortgebieten. Innerhalb dieser Gebiete werden in den Etappen 2 und 3 des Verfahrens die Projekte konkretisiert und die Sicherheit detaillierter beurteilt, was schliesslich zur Festsetzung der Standorte für die Realisierung der benötigten geologischen Tiefenlager und zur Erteilung der Rahmenbewilligungen führen soll.

Im November 2008 hat die Nagra für Etappe 1 sechs geologische Standortgebiete für das geologische Tiefenlager für die schwach- und mittelaktiven Abfälle (SMA) und drei für das geologische Tiefenlager für die hochaktiven Abfälle (HAA) vorgeschlagen, die unter Berücksichtigung der Kriterien zur Sicherheit und technischen Machbarkeit sowie weiterer Vorgaben gemäss SGT erarbeitet wurden. Für die geologischen Standortgebiete, die sowohl für das HAALager wie auch fürdas SMA-Lager vorgeschlagen wurden, wurde festgehalten, dass dort beide Lagertypen gleichzeitig angeordnet werden könnten; für eine solche Anlage wird der Begriff "Kombilager" verwendet. Mit dem Entscheid des Bundesrats vom November 2011 wurden die von der Nagra vorgeschlagenen geologischen Standortgebiete in den Sachplan geologische Tiefenlager aufgenommen.

Gemäss SGT sind in Etappe 2 in den Planungsperimetern der geologischen Standortgebiete in Zusammenarbeit mit den Standortregionen und mit den betroffenen Kantonen Vorschläge für die Platzierung der Oberflächenanlage zu erarbeiten und mögliche Standortareale zu bezeichnen. Dazu hat die Nagra zu Beginn der Etappe 2 zuhanden der Gremien der regionalen Partizipation in den Standortregionen diesbezügliche Vorschläge unterbreitet als Diskussionsgrundlage für die Zusammenarbeit. Diese Vorschläge wurden im Laufe der Etappe 2 von den Regionen und Kantonen diskutiert, geprüft und auf deren Wunsch fallweise angepasst sowie mit zusätzlichen Vorschlägen ergänzt. Auf Basis der Stellungnahmen der Partizipationsgremien hat die Nagra für jedes Standortgebiet im Rahmen von Planungsstudien mindestens ein Standortareal für die Oberflächenanlage pro Standortregion bezeichnet. Die Planungsstudien dienen in allen Regionen als Grundlage für sozioökonomisch-ökologische Wirkungsstudien (SÖW) unter Leitung des BFE und für Voruntersuchungen zu späteren Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Weiter ist in Etappe 2 basierend auf einem sicherheitstechnischen Vergleich eine Einengung auf mindestens zwei geologische Standortgebiete pro Lagertyp für die weiteren Untersuchungen für Etappe 3 vorzunehmen. Dabei hat die Langzeitsicherheit des geologischen Tiefenlagers oberste Priorität. Ein geologisches Standortgebiet kann in Etappe 2 nur dann zurückgestellt werden, wenn es eindeutige sicherheitstechnische Nachteile im Vergleich mit den übrigen Standortgebieten aufweist. Der Sicherheit nachgeordnet sind Aspekte der Raumplanung, Ökologie, Wirtschaft und Gesellschaft; die SÖW hat keinen Einfluss auf die Auswahl der vorzuschlagenden geologischen Standortgebiete.

Gemäss SGT und Vorgaben des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) hat die Nagra für jedes Standortgebiet eine provisorische Sicherheitsanalyse sowie einen sicherheitstechnischen Vergleich durchzuführen und gestützt darauf eine vergleichende Gesamtbewertung vorzunehmen. Dies erlaubt es schliesslich, geologische Standortgebiete für die weiteren Untersuchungen in Etappe 3 vorzuschlagen.
 

Der vorliegende Bericht hat zum Ziel, die für die weiteren Untersuchungen in SGT Etappe 3 zu betrachtenden geologischen Standortgebiete für das SMA- und das HAA-Lager vorzuschlagen und diesen Vorschlag zu begründen. Dazu werden die behördlichen Vorgaben und das darauf basierende Vorgehen erläutert, die für die Bewertung und Einengung notwendigen Unterlagen zusammenfassend dargestellt und der schrittweise Prozess der Einengung aufgezeigt. Die Erarbeitung der Vorschläge erfolgt in fünf Schritten:

  • In einem ersten Schritt wird die in Etappe 1 verwendete Methodik an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst. Neben den Vorgaben im Sachplan und den Präzisierungen des ENSI werden dazu auch die Behördenkommentare zu Etappe 1 und die spezifischen Eigenschaften der in Etappe 1 festgelegten Wirtgesteine und geologischen Standortgebiete berücksichtigt. Wichtiges Element beim Vorgehen in Etappe 2 ist der Optimierungsgedanke: Um die Vorschläge gemäss Etappe 1 möglichst gut zu nutzen, erfolgt eine dreistufige Optimierung (Festlegung des prioritären Wirtgesteins in Standortgebieten mit mehr als einem Wirtgestein, Abgrenzung von optimierten Lagerperimetern innerhalb der geologischen Standortgebiete, Zurückstellen von geologischen Standortgebieten mit eindeutigen Nachteilen, vgl. Schritte 2, 3 und 5).
  • Im zweiten Schritt wird in denjenigen Standortgebieten für das SMA-Lager mit mehr als einem Wirtgestein basierend auf einem sicherheitstechnischen Vergleich der Wirtgesteine das prioritäre Wirtgestein festgelegt, welches für die weiteren Schritte verwendet wird. Für das HAA-Lager entfällt dieser Schritt; in Etappe 1 wurde der Opalinuston als Wirtgestein festgelegt. Für das SMA-Lager wurde in diesem Schritt mit Ausnahme des Standortgebiets Wellenberg ebenfalls der Opalinuston als prioritäres Wirtgestein festgelegt.
  • Im dritten Schritt wird innerhalb der in Etappe 1 festgelegten Standortgebiete eine optimierte räumliche Konfiguration der prioritären Wirtgesteine ausgewählt (Abgrenzung von optimierten Lagerperimetern).
  • Im vierten Schritt erfolgt eine Prüfung der sicherheitstechnischen Eignung der geologischen Standortgebiete bzw. der zugehörigen Lagerperimeter, einerseits anhand von Dosisberechnungen (charakteristische Dosisintervalle) und andererseits durch eine qualitative Bewertung anhand der Kriterien zur Sicherheit und technischen Machbarkeit gemäss SGT.
  • Im fünften Schritt erfolgen der sicherheitstechnische Vergleich und die vergleichende Gesamtbewertung der geologischen Standortgebiete bzw. der zugehörigen Lagerperimeter anhand der vom ENSI festgelegten entscheidrelevanten Merkmale (Identifikation geologischer Standortgebiete mit eindeutigen Nachteilen).

Für die Umsetzung der Methodik werden neben den schon für Etappe 1 verwendeten Informationen auch die in der Zwischenzeit neu erarbeiteten Grundlagen insbesondere aus der Beteiligung an Bohrungen Dritter sowie aus der neuen 2D-Seismik und der reprozessierten Seismik verwendet. Zur Prüfung der Sensitivität der Vorschläge bezüglich bestehender Ungewissheiten werden in jedem Umsetzungsschritt bei Bedarf alternative Konzeptualisierungen und Parameterwerte berücksichtigt.

Dieses Vorgehen hat für das SMA-Lager und das HAA-Lager zu einer Einengung auf je zwei geologische Standortgebiete gefühhrt, welche die Nagra im Auftrag der Entsorgungspflichtigen für die weiteren Untersuchungen in der dritten Etappe des Sachplanverfahrens vorschlägt.

Es sind dies für das SMA-Lager die geologischen Standortgebiete

  • Zürich Nordost (ZH, TG) mit dem Standortareal ZNO-6b und
  • Jura Ost (AG) mit dem Standortareal JO-3+

und für das HAA-Lager die geologischen Standortgebiete

  • Zürich Nordost (ZH, TG) mit dem Standortareal ZNO-6b und
  • Jura Ost (AG) mit dem Standortareal JO-3+.

In beiden Gebieten besteht das Potenzial, das SMA- und das HAA-Lager am selben Standort anzuordnen und dort ein sogenanntes Kombilager zu erstellen.

Die eingereichten Vorschläge werden durch die Behörden geprüft, und in etwa 2,5 Jahren wird nach einer Anhörung der Entscheid des Bundesrats zu den vorgeschlagenen geologischen Standortgebieten erwartet. Für Etappe 3 werden die verbleibenden geologischen Standortgebiete für das SMA- und das HAA-Lager vertieft untersucht im Hinblick auf die Wahl der Standorte für die Vorbereitung der Rahmenbewilligungsgesuche. Ca. 5 Jahre nach Abschluss von Etappe 2 sollen gemäss BFE die Rahmenbewilligungsgesuche eingereicht werden und der Standortentscheid für die geologischen Tiefenlager für SMA und HAA mit der Rahmenbewilligung durch den Bundesrat soll ca. 2027 erfolgen. Die Rahmenbewilligung muss durch das Parlament genehmigt werden und unterliegt dem fakultativen nationalen Referendum. Anschliessend folgen der Bau der standortspezifischen Felslabors und die untertägige Erkundung. Dies führt dann zu den nuklearen Baubewilligungsverfahren; der Beginn der Betriebsphase für das SMA-Lager ist gemäss heutiger Planung im Jahr 2050 vorgesehen, für das HAALager im Jahr 2060.