Technischer Bericht NTB 14-02/VI
SGT Etappe 2: Vorschlag weiter zu untersuchender geologischer Standortgebiete mit zugehörigen Standortarealen für die OberflächenanlageGeologische GrundlagenDossier VI:Barriereneigenschaften der Wirt- und Rahmengesteine
Dossier VI: Barriereneigenschaften der Wirt- und Rahmengesteine
In Dossier VI 'Barriereneigenschaften der Wirt- und Rahmengesteine' werden deren Parameter und Konzeptualisierungen für die Dosisberechnungen und den sicherheitstechnischen Vergleich im Rahmen von SGT Etappe 2 beschrieben. Dies bildet die geowissenschaftliche Grundlage für die qualitative und quantitative Bewertung von zahlreichen SGT-Kriterien bzw. der zugehörigen Indikatoren und für die Identifikation allfällig vorhandener eindeutiger Nachteile.
Das Kapitel 'Barriereneigenschaften der Wirtgesteine' enthält eine Charakterisierung der Wirtgesteine bezüglich der für den Transport der Radionuklide relevanten Eigenschaften. Die Definition der lithofaziellen Einheiten baut auf den im Dossier II präsentierten Grundlagen auf und teilt diese basierend auf Erfahrungen betreffend den Zusammenhang zwischen Tonmineralgehalt und hydraulischen Eigenschaften in drei Kategorien ein (< 20, 20 – 40 und > 40 Gew.-%):
- Die mineralogische Zusammensetzung des Opalinustons liegt im Bereich der Tonsteine und sandigen Tonsteine. Für die sicherheitsbezogenen Analysen und Bewertungen kann er als eine einzige lithofazielle Einheit mit Tonmineralgehalt > 40 Gew.-% betrachtet werden.
- Die mineralogischen Analysen des 'Braunen Doggers' zeigen im Füchtbauer-Dreieck eine beträchtliche Variation. Für die sicherheitsbezogenen Analysen und Bewertungen werden drei lithofazielle Einheiten unterschieden: Die Tonigen Abfolgen mit in der Regel > 40 Gew.-% Tonmineralen umfassen das Wirtgestein sensu stricto bestehend aus Tonsteinen und Tonmergeln der Parkinsoni-Württembergica-Schichten und der Variansmergel-Formation. Die Sandig-tonigen Abfolgen fassen die stark sandigen Tonsteine und Mergel der Murchisonae-Oolith-, der Wedelsandstein- und der Humphriesioolith-Formation zusammen, der mittlere Tonmineralgehalt liegt im Bereich von 20 – 40 Gew.-%. Unter dem Begriff 'Sandkalkabfolgen' werden die "harten Bänke" bestehend v. a. aus z. T. sandigen Kalken und Eisenoolithen mit charakteristischen Tonmineralgehalten < 20 Gew.-% zusammengefasst.
- Die mineralogischen Analysen der Effinger Schichten fallen im Füchtbauer-Dreieck in die Felder der (z. T. sandigen) Kalkmergel, tonigen Kalke und Kalke. Für die sicherheitsbezogenen Analysen und Bewertungen werden die lithofaziellen Einheiten Kalkmergelabfolgen (Kategorie Tonmineralgehalt 20 – 40 Gew.-%) und Kalkbankabfolgen (Kategorie Tonmineralgehalt < 20 Gew.-%) unterschieden.
- Die mineralogischen Analysen der Mergel-Formationen des Helvetikums (Helvetische Mergel) liegen im Füchtbauer-Dreieck typischerweise im Bereich von kalkig-sandigen Tonsteinen, sandigen Ton- und Kalkmergeln, tonigen Kalken bis zu nahezu reinen Kalken und weisen damit im Vergleich zu den Effinger Schichten ein ähnliche, aber variablere Zusammensetzung auf. Die Helvetischen Mergel sind so stark ineinander verschuppt und verfaltet, dass im Hinblick auf die sicherheitsbezogenen Analysen und Bewertungen lediglich zwei lithofazielle Einheiten unterschieden werden. Die Mergel, welche die Hauptmasse des Wirtgesteins ausmachen, fallen in die Kategorie Tonmineralgehalt 20 – 40 Gew.-%. Die häufig boudinierten und auseinandergerissenen Kalkbankabfolgen fallen in die Kategorie Tonmineralgehalt < 20 Gew.-%.
Aus Untersuchungen an Bohrkernen von zahlreichen Tiefbohrungen der Nordschweiz und am Wellenberg liegen Analysenresultate zahlreicher Parameter vor. Insbesondere bezüglich der Porosität werden die Resultate verschiedener Methoden vorgestellt und diskutiert.
Die Charakterisierung der Porenwässer stützt sich insbesondere auf Untersuchungen von Bohrkernen aus den Standortregionen. Zusätzlich werden, wo vorhanden, Analysen von Grundwässern und im Fall des Opalinustons Resultate aus dem Felslabor Mont Terri berücksichtigt. Mögliche regionale Unterschiede resp. Ungewissheiten werden über Varianten des Referenzporenwassers abgedeckt.
Die Charakterisierung der hydraulischen Eigenschaften basiert auf In situ-Tests in Bohrungen, Experimenten mit Bohrkernen und Beobachtungen in Untertagebauten. Zusätzlich erfolgte ein systematischer Vergleich des Strukturinventares der Bohrkerne mit den Resultaten der In situ-Tests. Die Datensätze beschreiben dabei die Gesteine auf unterschiedlichen Massstäben. Die Labortests an Bohrkernen ergeben für die Gesteinsmatrix allgemein sehr geringe hydraulische Durchlässigkeiten und zeigen damit, dass die bei einzelnen Wirtgesteinen beobachteten erhöhten Durchlässigkeiten durch diskrete tektonisch-strukturelle Elemente bedingt sein müssen:
- Beim lithologisch relativ homogenen Opalinuston zeigt die Übereinstimmung der sehr geringen Durchlässigkeiten aus Laborexperimenten und In situ-Tests in Bohrungen (unter Berücksichtigung von kleineren Störungen und unterschiedlicher lithofazieller Untereinheiten), dass eine Modellierung als homogen-poröses Medium mit diffusionsdominiertem Transport angezeigt ist.
- Beim 'Braunen Dogger' zeigen In situ-Tests im Einklang mit Untersuchungen an Bohrkernen sehr geringe hydraulische Durchlässigkeiten des ungestörten Wirtgesteins. Einzig in der nahe am Hegau-Bodensee-Graben gelegenen Bohrung Schlattingen-1 wurde in einem Intervall mit zwei potenziell offenen Strukturen in der Wedelsandstein- und in der Humphriesioolith-Formation eine erhöhte Durchlässigkeit angetroffen. In den Tonigen Abfolgen wird in Analogie zum Opalinuston eine effiziente Selbstabdichtung erwartet.
- Bei den Effinger Schichten zeigen In situ-Tests im ungestörten Wirtgestein wie auch hydraulische Tests an Bohrkernen sehr geringe hydraulische Durchlässigkeiten. Erhöhte KWerte finden sich in gestörten Bereichen, beispielsweise in den Gerstenhübel-Schichten der Bohrung Oftringen. Die Kalke dieser Einheit sind äusserst tonmineralarm, so dass kein relevantes Selbstabdichtungsvermögen zu erwarten ist
- Bei den Helvetischen Mergeln handelt es sich um ein geklüftetes Medium mit sehr gering durchlässiger Matrix. Die Wasserführung ist ausschliesslich an Strukturen der spröden Deformation und an spröd überprägte (reaktivierte), duktile Strukturen gebunden. Unterhalb eines 500 – 600 m mächtigen Bereichs mit erhöhten Durchlässigkeiten liegen die Werte im Bereich von 10-13 bis 10-10 m/s.
Bei allen Wirtgesteinen, bei denen zumindest in einzelnen lithofaziellen Einheiten Störungen oder Klüfte hydraulisch wirksam sein können, stellt sich die Frage, in wie weit einzelne Bohrungen die zu erwartende Bandbreite abdecken können. Um die Transmissivitäten im Bereich von tektonisch-strukturellen Elementen robust einzugrenzen, werden deshalb Erfahrungen aus anderen, lithologisch ähnlichen Gesteinen und auch konzeptuelle Überlegungen zur Selbstabdichtung von Störungen berücksichtigt.
Die Diffusionseigenschaften beruhen auf Messungen im Labor sowie auf im Rahmen von Feldexperimenten im Felslabor Mont Terri gewonnen Datensätzen. Zusätzlich besteht ein empirischer Zusammenhang zwischen der Porosität und dem Diffusionskoeffzienten (extended Archie's law); dieser Ansatz basiert auf einer breiten internationalen Datenbasis und erlaubt eine robuste Abschätzung einzig auf Grund der Porosität. Porenwasser-Tracerprofile erlauben die Validierung über den Massstab Formation und über lange Zeiträume.
Unabhängige Evidenzen wie Tracerprofile oder anomale hydraulische Potenziale im Wirtgestein belegen die Einschlusswirksamkeit der Wirtgesteine über sehr lange Zeiträume und untermauern beispielsweise im Fall des Opalinustons die Dominanz des diffusiven über den advektiven Stofftransport sowie die hydraulische Barrierenwirkung resultierend in ausgeprägtem Grundwasser-Stockwerkbau.
Im Kapitel 'Barriereneigenschaften der Rahmengesteine' werden die lithofaziellen Einheiten, die Gesteinsparameter und die Transportparameter hergeleitet. Es handelt sich dabei um die oberen Rahmengesteine des Opalinustons in den Standortgebieten Jura-Südfuss und Jura Ost (Passwang-Formation, Untere Acuminata-Schichten) und die unteren Rahmengesteine des Opalinustons in allen Standortgebieten der Nordschweiz. Die lithofaziellen Einheiten der restlichen als Rahmengesteine ausgeschiedenen Gesteine in den Standortgebieten Südranden, Zürich Nordost und Nördlich Lägern (Opalinuston, 'Brauner Dogger', Effinger Schichten) wurden bereits als Wirtgesteine charakterisiert. Die Effinger Schichten im Standortgebiet Jura-Südfuss und die Helvetischen Mergel im Standortgebiet Wellenberg haben keine Rahmengesteine.
Unter dem Opalinuston folgt die lithofazielle Einheit Toniger Lias mit typischen Tonmineralgehalten von 40 Gew.-% und sehr geringen hydraulischen Durchlässigkeiten von ≤ 10-13 m/s. Einzig im Standortgebiet Jura-Südfuss ist der Lias unter dem Opalinuston vergleichsweise sandig-kalkig ausgebildet und wird deshalb als Kalkiger Lias bezeichnet. Beobachtungen zur Wasser- und Gasführung insbesondere in der Bohrung Gösgen SB4 legen nahe, dass es sich um eine Einheit mit gegenüber dem Tonigen Lias erhöhter Durchlässigkeit handelt.
Die lithofazielle Einheit 'Arietenkalk' besteht aus z. T. tonigen und sandigen Kalksteinen und zeigte in den Tiefbohrungen Benken, Weiach, Riniken und Schafisheim geringe Durchlässigkeiten. Demgegenüber gibt es aus oberflächennahen Bereichen und Tunneln Evidenzen, dass der 'Arietenkalk' in Zusammenhang mit einer verstärkten Deformation (Störungen, Klüfte) Aquifercharakter aufweisen kann.
Zwischen 'Arietenkalk' und Keuper-Aquifer finden sich in der lithofaziellen Einheit Toniger Keuper wiederum tonreiche Lithologien mit geringer Durchlässigkeit.
Im Oberen Mittelkeuper finden sich Einheiten, die in Abhängigkeit der lokalen lithologischen Ausbildung Aquifer-Charakter aufweisen können. Diese werden in der lithofaziellen Einheit Keuper-Aquifer zusammengefasst.
Unter dem Keuper-Aquifer folgen gering durchlässige Gesteine, welche zur mächtigen lithofaziellen Einheit 'Gipskeuper' zusammengefasst werden.
Die oberen Rahmengesteine des Opalinustons in den Standortgebieten Jura Ost und Jura-Südfuss umfassen insbesondere die Passwang-Formation. In Analogie zum 'Braunen Dogger' wurde sie in die lithofaziellen Einheiten Sandig-tonige Abfolgen und Sandkalkabfolgen unterteilt. Die Passwang-Formation wurde in den Bohrungen Riniken und Schafisheim hydraulisch getestet, in beiden ergaben sich sehr geringe Durchlässigkeiten. Insbesondere mit dem Sissach-Member kann sie eine lokal markante, bis über 10 m mächtige Kalkbankabfolge direkt über dem Opalinuston aufweisen, welche in Bereichen mit einer stärkeren Klüftung resp. bei kleineren Störungen deutlich erhöhte Durchlässigkeiten aufweisen könnte.
Das Kapitel 'Standortbezogene Modellkonzepte und Parameter für den Radionuklidtransport in den Wirt- und Rahmengesteinen' präsentiert die Herleitung der Modellkonzepte und den Geodatensatz für die provisorische Sicherheitsanalyse und den sicherheitstechnischen Vergleich im Rahmen von SGT Etappe 2. Dieser basiert auf den in den beiden vorangehenden Kapiteln präsentierten Grundlagen und berücksichtigt bei den hydraulischen Parametern auch Erfahrungen mit ähnlichen Gesteinen. Die präsentierten Mächtigkeiten der lithofaziellen Einheiten beruhen auf den in Dossier II präsentierten Grundlagen.