Gibt es schon Tiefenlager?


Wo stehen andere Länder bei der Entsorgung? Es gibt Länder, die bereits erfolgreich geologische Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle betreiben. Zudem wird in Finnland das erste Lager für hochaktive Abfälle gebaut und steht in wenigen Jahren bereit.

Viele Länder nutzen die Kernenergie. Sie alle müssen hochaktive Abfälle und verbrauchte Brennelemente sowie schwach- und mittelaktive Abfälle aus dem täglichen Kraftwerksbetrieb lagern und entsorgen. In Ländern wie Schweden, Finnland, Südkorea und Ungarn sind geologische Tiefenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle bereits seit Jahren oder gar Jahrzehnten in Betrieb.

Die Tiefenlagerprojekte für hochaktive Abfälle in Ländern wie Finnland, Frankreich oder Schweden sind ebenfalls weit fortgeschritten. Durch eine enge Zusammenarbeit mit diesen Ländern kann die Schweiz von diesen Fortschritten profitieren. Einige Länder wie Frankreich oder Spanien entsorgen ihre schwachaktiven Abfälle in Lagern, die sehr nahe an der Erdoberfläche liegen. Zudem gibt es auch ein Lager für hochaktive Abfälle an der Oberfläche, das auf rund 100 Jahre ausgelegt ist.

Finnland

Geologisches Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle in beschränkter Tiefe in Olkiluoto in Finnland. Foto: Tapani Karjanlahti/TVO

Im Südwesten Finnlands befindet sich das Endlager Onkalo für abgebrannte Brennelemente seit Ende 2016 an der Ostseeküste im Bau. Es liegt auf der Halbinsel Olkiluoto und soll voraussichtlich Mitte der 2020er-Jahre seinen Betrieb aufnehmen. Der hochaktive Atommüll wird in Kupferbehältern eingeschlossen, die in einer Tiefe von über 400 Metern im Kristallingestein eingelagert werden. Im Frühjahr 2021 hat die finnische Entsorgungsorganisation Posiva mit dem Bau der ersten Lagerstollen begonnen.

Die Verpackungsanlage für abgebrannte Brennelemente ist seit Herbst 2019 im Bau und wird voraussichtlich im Sommer 2022 fertiggestellt. An den beiden Kernkraftwerksstandorten Olkiluoto und Loviisa gibt es zudem zwei geologische Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle sowie ein Nasslager für verbrauchte Brennelemente.

Onkalo, das geologische Tiefenlager für verbrauchte Brennelemente auf der Halbinsel Olkiluoto, ist im Bau. Im Bild die Oberflächeninfrastruktur des Lagers. Foto: Posiva

Frankreich

Das oberflächennahe Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle "Centre de stockage de la Manche". Es liegt in Nordfrankreich bei La Hague und gehört der französischen Entsorgungsorganisation Andra. Foto: © Andra, M. Aubert

Die französische Entsorgungsorganisation Andra betreibt seit 2000 ein Untertagelabor. Es liegt in Bure im Département Meuse, rund 150 Kilometer vom deutschen Saarland entfernt. Der potenzielle Standort für Cigéo, das Endlager für hochaktive Abfälle, befindet sich im gleichen Gebiet in einem Abstand von mehreren Kilometern zum Untertagelabor. Die Abfälle sollen dereinst in rund 500 Metern Tiefe im Tongestein eingelagert werden. Das Gesuch für die Baubewilligung wird demnächst eingereicht. Der Lagerbetrieb könnte ab zirka 2040 beginnen.

Für kurzlebige schwach- und mittelaktive Abfälle existieren mit dem Centre de la Manche und dem Centre de l’Aube bereits zwei oberflächennahe Lager (siehe auch unter Spanien).

In der Galerie des unterirdischen Forschungslabors in Bure (Frankreich) wird ein Demonstrationsbehälter für hochaktive Abfälle rückgeholt. Unweit davon will Frankreich sein Tiefenlager bauen. Foto: © Andra, Adrien Daste

Niederlande

Das HABOG Langzeit-Zwischenlager bei Borsele in den Niederlanden schliesst die hochaktiven Abfälle für mindestens 100 Jahre an der Erdoberfläche ein. Foto: COVRA

Die niederländische Entsorgungsorganisation COVRA betreibt in Borsele ein zentrales Zwischenlager an der Erdoberfläche. Es liegt an der Mündung der Schelde in die Nordsee. Am auffälligsten ist das orangefarbene Lagergebäude HABOG für hochaktive Abfälle, das seit 2003 in Betrieb ist. Es dient als Langzeit-Zwischenlager für mindestens 100 Jahre.

Aufgrund der geographischen Lage der Niederlande sollen die Abfälle aber nicht dauerhaft an der Erdoberfläche bleiben, sondern in geologischen Tiefenlagern entsorgt werden. HABOG wurde wie auch das Schweizer Zwischenlager Zwilag nach sehr hohen Sicherheitsstandards gebaut. Unter anderem gewährleistet es die Widerstandsfähigkeit gegen Feuer, Erdbeben, Explosionen, direkte Flugzeugabstürze und Überschwemmungen.

Schweden

Fotomontage des schwedischen Tiefenlagers für Kernbrennstoffe in Söderviken an der Ostsee. Der unterirdische Teil des Lagers wird in einer Tiefe von 500 Metern liegen und drei bis vier Quadratkilometer gross sein. Foto: SKB, Lasse Modin

In Schweden ist das geologische Tiefenlager Söderviken für abgebrannte Brennelemente vorgesehen. Der Standort liegt nahe des Kernkraftwerks Forsmark in der Gemeinde Östhammar rund 140 km nördlich von Stockholm an der Ostsee. Die schwedische Entsorgungsorganisation SKB hat 2011 das Baugesuch dafür eingereicht. Die Beurteilung durch die Regierung läuft.

Zwischenzeitlich gab es Fragen zur Korrosionsbeständigkeit der Endlagerbehälter aus Kupfer. SKB hat deshalb Ergänzungen zum Gesuch nachgereicht. Rund 350 Kilometer weiter südlich soll die Verpackungsanlage für abgebrannte Brennelemente gebaut werden: beim Standort des unterirdischen Nasslagers für verbrauchte Brennelemente (CLAB-Zwischenlager) in Oskarshamn, das seit 1985 in Betrieb ist.

Die Baubewilligung für die Verpackungsanlage wurde ebenfalls 2011 eingereicht. Im Oktober hat die Gemeinde Östhammar dem Bau des Endlagers zugestimmt. Bereits früher hat die Gemeinde Oskarshamn den Bau der Verpackungsanlage genehmigt.

Die schwedische Regierung hat der SKB die Erlaubnis zum Bau eines Tiefenlagers erteilt. Der Bau der Anlagen könnte Mitte der 2020er-Jahre beginnen. Ein Tiefenlager für radioaktive Abfälle soll in Forsmark in der Kommune Östhammar gebaut werden und eine Verpackungsanlage in Oskarshamn.

Beim Kernkraftwerksstandort Forsmark ist ein geologisches Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle im Kristallingestein seit 1988 in Betrieb. Es wird bis 2023 erweitert. Im Felslabor Äspö bei Oskarshamn wird seit 1995 der kristalline Untergrund untersucht.

Spanien

Die oberflächennahen Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle bei El Cabril in Spanien. Foto: Enresa

Spanien entsorgt seit 1992 kurzlebige schwachaktive Abfälle mit guten Erfahrungen oberflächennah in El Cabril. Technische Barrieren wie verfüllte und überdeckte Betonwannen schliessen die Abfälle ein, unterliegen aber menschlichen Aktivitäten und Umwelteinflüssen wie der Erosion. Die Barrierewirkung reicht für eine beschränkte Zeit von bis zu einigen hundert Jahren. Die Lager müssen aber überwacht und unterhalten werden, bis die radioaktiven Stoffe bis zur Unschädlichkeit zerfallen sind. Auch Frankreich hat solche Lager.

Ungarn

Ungarn lagert seit Ende 2012 schwach- und mittelaktive Abfälle im geologischen Tiefenlager in Bátaapáti ein. Dies in einer Tiefe von rund 250 Metern im Kristallingestein. Die Standortsuche für ein geologischen Tiefenlager für hochaktive Abfälle läuft.

Kanada

In Kanada sollen abgebrannte Brennelemente in einem geologischen Tiefenlager entsorgt werden. Das Standortwahlverfahren basiert auf freiwilligen Bewerbungen möglicher Standortgemeinden und läuft seit 2010. Mit South Bruce (tonhaltiger Kalkstein) und Ignace (Kristallingestein) sind nun noch zwei Standorte im Auswahlverfahren verblieben. Sie liegen in der Provinz Ontario. 2021 finden am Standort South Bruce Tiefbohrungen zur Standorterkundung statt. Der Standortentscheid soll zirka 2023 erfolgen.

Deutschland

Die Anlagen an der Oberfläche des Endlagers Morsleben in Deutschland. Foto: BGE

In Deutschland wurden 1971 bis 1998 schwach- und mittelaktive Abfälle im stillgelegten Salzbergwerk Morsleben eingelagert. Das Lager wurde verfüllt und die Stilllegung des ehemaligen DDR-Endlagers ist beantragt.

Zwischen 1967 und 1978 wurden schwach- und mittelaktive Abfälle im stillgelegten Bergwerk Asse versuchsweise eingelagert. Die Rückholung dieser Abfälle steht heute an. Der Schacht Konrad, ein ehemaliges Eisenbergwerk, wird bis Ende 2027 als Endlager für langlebige mittelaktive Abfälle umgebaut.

Das Standortauswahlverfahren für geologische Tiefenlager für «wärmeentwickelnde Abfälle» (hochaktive Abfälle und abgebrannte Brennelemente) wurde neu gestartet. Es hat 2017 mit einer «weissen Landkarte Deutschland» begonnen. Als Wirtgesteine kommen Granit, Salz oder Ton in Frage.

Die deutsche Bundesgesellschaft für Entsorgung (BGE) hat im September 2020 einen Zwischenbericht zur ersten Phase der Standortsuche veröffentlicht. Dieser zeigt auf, welche Gebiete in Deutschland bei der Endlagersuche schon jetzt ausgeschlossen werden können. Und er benennt diejenigen Gebiete, die im weiteren Verfahren näher untersucht werden. Der beste Standort soll in drei Phasen bis 2031 bestimmt werden.

USA

Transport von TRUPACT-II Behältern zum Waste Isoloation Pilot Plant in den USA, welches im Hintergrund zu sehen ist. Foto: WIPP

In den USA betreibt das Department of Energy (DOE) in Carlsbad, New Mexico, seit 1999 das Waste Isolation Pilot Plant (WIPP). Dieses ist ein Lager für militärische Transuran-Abfälle im Steinsalz in 655 Meter Tiefe. In 2014 kam es zu einer Freisetzung von Radionukliden; die gemessenen Radioaktivitätswerte über Tage lagen aber deutlich unter dem Grenzwert für die Bevölkerung. Der Verschluss des WIPP ist ab zirka 2050 vorgesehen. Für schwach- und mittelaktive Abfälle gibt es mehrere oberflächennahe Endlager.

Einblick in eine der unterirdischen Lagerhallen des WIPP. Foto: WIPP