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Wie Partizipation jedes Projekt besser macht


Grossprojekte erfolgreich realisieren – aber wie? Zu diesem Thema tauschten sich VertreterInnen aus Wirtschaft und Politik aus. Im Mittelpunkt: das Schweizer Tiefenlager.

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In der Schweiz werden die Räume enger, die Auflagen strenger: Wie soll man bei Grossprojekten bloss allen Erwartungen gerecht werden? Das Zauberwort heisst Partizipation: Sie kann, richtig durchgeführt, jedes Projekt besser machen. Das ist der im Volkshaus Zürich gefundene Konsens am Swiss Green Economy Forum zum Thema Partizipation.

An Anfang jedes Projektes stehen viele Fragen im Raum. Werden die richtigen Fragen gestellt, sind gute Lösungen möglich. Das ist das Ziel der Partizipation. Die konkrete Umsetzung bleibt dann aber eine Frage, die jedes Projekt für sich klären muss. Es ist ein grosser Unterschied, ob man ein Schloss restaurieren, eine Gemeindeversammlung effizienter gestalten oder ein grosses Bauprojekt realisieren will. Alles Beispiele, die an diesem Abend den Weg in die Diskussion fanden.

Wo sind die Jungen?
75 Jahre alt wird der Flughafen Zürich in diesem Jahr. 16-mal haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über Ausbauprojekte des Flughafens an der Urne abgestimmt. 14-mal zugunsten des Flughafens. «Unser Flughafen hat eine demokratische Legitimation», resümierte David Karrer, Head Public Affairs.

Auch in diesem Beispiel stellten sich viele Fragen: Welche Akteure müssen einbezogen werden? In welcher Form gelingt die Partizipation? Und wie bindet man die Jungen ein? Letztere Fragestellung zog sich durch den gesamten Abend – eine Patentlösung hatte niemand parat. Dass die jüngere Generation nicht dafür zu begeistern ist, jahrelang am Samstagmorgen in einer alten Turnhalle ihre Meinung zu einem Projekt kundzutun, das sie vielleicht irgendwann einmal betreffen könnte: Dafür hatten die meisten Anwesenden grosses Verständnis. Die Hoffnungen ruhen auf moderneren und digitalen Tools.

Gab einen Einblick über die Partizipation beim Zürcher Flughafen: David Karrer, Head Public Affairs.

Weg von der grossen Versammlung
Unterteilt in kleine Gruppen konnten sich die Teilnehmenden zu verschiedenen Fragestellungen austauschen. Das war konsequent: Sozialpsychologe Paul Krummenacher plädierte für Kleingruppen, wenn es um die Mitsprache geht: «Laute Einzelstimmen werden so automatisch gedämpft.» Angesprochen wurde die Person, die bei jeder Gemeindeversammlung drei Mal das Wort ergreift und dabei nur Partikularinteressen verfolgt. Das Nicken und Schmunzeln der Teilnehmenden bestätigte, dass diese Situation nur allzu bekannt ist.

«In kleineren Gruppen regulieren die Menschen sich selbst», erklärte der Organisationsberater. Statt im grossen Saal über starr vorgegebene Themen zu diskutieren, bringen die Menschen in Kleingruppen ihre eigene Sichtweise ein. Leitplanken brauche es dennoch. Sonst werde über «Nonsens» debattiert, die Motivation der Teilnehmenden sinke. Hier helfe es, Expertinnen und Experten einzuladen, die zu Beginn einer Veranstaltung einen Input geben.

Was ebenfalls gegen die Debatte in der grossen Gruppe spricht: Frauen und jüngere Personen fühlten sich im kleineren Rahmen wohler und somit bestärkt, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. Können sie das nicht, hat die Mitwirkung ihr Ziel bereits verfehlt.

Effizient und selbstregulierend: Paul Krummenacher (Mitte) empfiehlt, in kleineren Gruppen zu diskutieren.

Ohne Aufwand geht es nicht
All die genannten Herausforderungen stellen sich auch beim Jahrhundertprojekt Tiefenlager. Stefan Jordi, Leiter Regionale Partizipation beim Bundesamt für Energie, blickte auf elf Jahre Partizipation zurück. In der darauffolgenden Diskussion wurden Erfahrungen ausgetauscht, Erfolge und Misserfolge benannt. Solche langen Verfahren seien manchmal zermürbend, doch die Bevölkerung müsse früh einbezogen werden, meinte Jordi. In die gleiche Kerbe schlug Philipp Senn von der Nagra: «Wir haben viel dazugelernt», liess der Bereichsleiter Kommunikation und Public Affairs die Zuhörenden wissen. Nach all den Jahren kenne man heute die gegenseitigen Interessen. Das sei wichtig bei diesen Generationenprojekt, das sich ständig weiterentwickle. Senn zeigte sich überzeugt: «Das Projekt wird dadurch besser.»

Einig war man sich auch darüber, dass eine gute Moderation des Prozesses unabdingbar ist. Dies betonte insbesondere Hanspeter Lienhart. Der ehemalige Präsident der Regionalkonferenz Nördlich Lägern sprach von Vertrauen: «Wenn man das Gefühl hat, man wird über den Tisch gezogen, funktioniert es nicht.» Auch er stellte fest, dass die Motivation bei längeren Prozessen mit der Zeit eher sinke. Immer alle Menschen zu erreichen, sei sowieso nicht möglich.

Alles Argumente gegen eine Mitwirkung? Nein, fand Lienhart, denn die elf Jahre und der grosse Aufwand hätten sich gelohnt und müsse sich auch weiterhin lohnen: «Es wäre eine Bankrotterklärung, wenn es in der Region Nördlich Lägern ab jetzt keine Partizipation mehr gäbe.»

 

Alle Bilder von: Lifefair / Visual Craft

In der abschliessenden Podiumsdiskussion stand das Tiefenlager im Fokus. Der grosse Aufwand habe sich gelohnt, man dürfe jetzt aber nicht nachlassen, meinte Hanspeter Lienhart (Mitte), der Ende 2022 als Präsident der Regionalkonferenz Nördlich Lägern zurückgetreten ist.
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