Benny, der Brennstab, feiert Weihnachten mit seiner Familie. Etwa zum hunderttausendsten Mal. Sie haben schon lang aufgehört zu zählen. Sie sind sich nicht mal sicher, ob es wirklich der 24. Dezember ist. Oder überhaupt Dezember.
«Frohe Weihnachten, meine Lieben», sagt Berthold, der Grossvater. Er kommt aus Mühleberg und strahlt nur noch so stark wie das Gestein, das sie hier im Tiefenlager umhüllt.
«Opa, erzähl uns, wie es da oben war, bevor wir hier runterkamen!», ruft Benny, wie jedesmal.
«Das war so», sagt Berthold: «Die Menschen haben ihre Energie aus uns gewonnen. Für ihre Wohnhäuser, ihre Bürogebäude, ihre Fabriken, ihre Eisenbahnen und ihre Kommunikationsmittel.»
«Und dann, und dann?», fragt Benny.
«Irgendwann gaben wir nicht mehr genug Strahlung ab, wurden in riesige Sicherheitsbehälter gepackt und hier endgelagert. Nachdem die Menschen lange darüber gestritten hatten.»
«Warum?»
«Sie hatten Angst vor Strahlung.»
«Aber ihre Kommunikationsmittel strahlten doch auch? Und wir in den Behältern nur ganz wenig? Und sie bauten doch immer mehr Atombomben?»
«Die Menschen waren damals nicht besonders vernünftig.»
«Und jetzt sind sie es?»
«Ich denke nicht. Vermutlich hat diese Eigenschaft sie schon lange aussterben lassen.»
Nach diesen Worten wurde die Stimmung etwas ernst.
«Aber wir haben es hier wunderbar kuschelig und ruhig!», rief Opa.
«Lasst uns singen!
Und sie sangen bis in alle Ewigkeiten.
Diese kurze Weihnachtsgeschichte Thomas Meyer geschrieben. Der Autor hat 2024 das Tiefenlagerprojekt im Auftrag der Regionalkonferenz Nördlich Lägern künstlerisch begleitet. Dabei hat er unter anderem die Figur Benny Brennstab ins Leben gerufen.
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