
Roboterhund patrouilliert in extremen Umgebungen
Im letzten Frühling besuchten die Gemeindepräsidenten der Region Nördlich Lägern das finnische Tiefenlager Onkalo. Kurz darauf durchquerte ein weiterer Schweizer die Stollen im finnischen Untergrund – diesmal in Gestalt eines vierbeinigen Roboters des Start-ups ANYbotics. Dieser Roboter, der optisch einem Hund ähnelt, kann selbstständig vorgegebene Routen ablaufen und auch schwieriges Gelände oder Treppen bewältigen. Er erkennt Hindernisse und findet autonom alternative Wege um diese herum.
Roboter können dort eingesetzt werden, wo Menschen nicht hinkommen, und erhöhen so die Sicherheit der Mitarbeitenden. Sie überwachen die Tunnel beim Bau, transportieren Behälter während der Einlagerung und überwachen danach Systeme und messen beispielsweise die Dosisleistung. Auf Letzteres hat sich ANYmal spezialisiert, der vierbeinige Roboter von ANYbotics. «ANYmal wurde speziell für den Einsatz in extremen Umgebungen entwickelt, wo präzise Daten und eine zuverlässige Überwachung entscheidend sind», erläutert Duncan Kennan, Lead Nuclear bei ANYbotics. Entsprechend sei der Einsatz in einem Tiefenlager die logische Konsequenz.
Das 2016 als Spin-Off der ETH Zürich gegründete Unternehmen spezialisiert sich auf Überwachungsroboter für Industrieanlagen, Atomkraftwerke und eben auch Tiefenlager.
«Diese autonomen Helfer bieten nicht nur eine erhöhte Sicherheit durch weniger direkte Exposition des Personals mit Strahlung, sondern verbessern auch die Effizienz und Präzision der Überwachungsprozesse», erklärt Duncan Kennan. Mit ihren Robotern wollten sie keinem Menschen den Job wegnehmen, sondern die Arbeit des Menschen sicherer und interessanter machen. Dadurch müssten Menschen weniger repetitive Arbeiten ausführen oder sich nicht mehr in unangenehmen Orten aufhalten. Doch funktioniert das auch in der Praxis?

Wie der Roboter für Sicherheit sorgt
Im finnischen Tiefenlager soll ANYmal Messungen an Orten durchführen, die für Menschen aufgrund von erhöhten Strahlungswerten gefährlich sein können. So misst er etwa Gase und radioaktive Strahlung. Der batteriebetriebene Roboter kann seine Aufgaben rund 90 Minuten lang ausführen, dann lädt er sich an den Ladestationen selbst wieder auf. «ANYmal kann autonom durch komplexe Umgebungen navigieren. Diese Fähigkeit ist eine wichtige Neuentwicklung in der Robotik», sagt Duncan Kennan. «Die Roboter können im Gegensatz zum Menschen 365 Tage im Jahr den gleichen Test am gleichen Ort mit gleichbleibender Genauigkeit durchführen. Damit kann man auch schon kleinste Veränderungen feststellen und die Sicherheit erhöhen. Mit den ersten Tests in Finnland sind wir sehr zufrieden.»
ANYmal in the Depths of Onkalo: Monitoring Nuclear Waste in Finland
Der Plan der Nagra
Auch die Nagra hat sich bereits ausführlich mit dem Einsatz von Robotik beschäftigt. Auch wenn es im Schweizer Tiefenlager keine offenen Strahlungsquellen geben wird, so können sie doch das grösste Risiko für Unfälle vermindern: menschliche Fehler. Dabei gilt das bei Kernanlagen übliche ALARA-Prinzip. Dieses steht für «As low as reasonably achievable» und meint, dass die Dosiswerte der Mitarbeitenden überall reduziert werden sollen, wo es mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Die autonomen Systeme könnten also auch dort eingesetzt werden, wo Menschen nur minimaler Strahlung ausgesetzt wären.
Ein Anwendungsgebiet ist dabei analog zum ANYmal-Test in Finnland die Überwachung der Strahlungs- und Dosiswerte im Tiefenlager. Diese Aufgabe kann entweder von statischen oder mobilen Sensoren auf Robotern ausgeführt werden. Dabei braucht es im Falle des Schweizer Tiefenlagers aber voraussichtlich nicht unbedingt einen Hund, da das Terrain praktisch barrierefrei und sehr organisiert gebaut wird – somit wären auch mobile Sensoren auf Rollen möglich. Im finnischen Onkalo ist das Terrain hingegen deutlich anspruchsvoller.
Neben solchen Rundgängen zur Überwachung des Lagers sind auch andere Anwendungen für autonome Systeme denkbar: Beispielsweise der Transport und das Einlagern von Behältern. Auch bei Fahrten im Tiefenlager könnten selbstfahrende Fahrzeuge eingesetzt werden. Gerade in einem Tiefenlager sind Genauigkeit und die Vermeidung von Kollisionen entscheidend. Der Einsatz solcher Systeme soll primär die Sicherheit steigern und nicht die Geschwindigkeit oder Effizienz erhöhen.
Droht Gefahr durch die Maschinen?
Wer sich mit den Themen Robotern und KI beschäftigt, kommt nicht um ethische Fragestellungen herum und spätestens seit dem ersten Terminator-Film fürchten wir uns mindestens ein bisschen vor der Übernahme der Welt durch einen Computer. Welche potenziellen Gefahren gehen dabei in einem Tiefenlager von diesen autonomen Robotern aus? «Die IT-Sicherheit hat höchste Priorität für das Projekt Tiefenlager», sagt Patrick Zimmermann, Ressortleiter Anlagen & Betrieb der Nagra. «Die Roboter funktionieren in einem geschlossenen System und sind daher offline. Da sind die Mitarbeiter mit ihren Laptops, welche mit dem Internet verbunden sind, ein grösseres Risiko».
Die Sicherheit der Systeme hat auch bei ANYbotics höchste Priorität: Die kleinen Helfer benötigen für ihren Einsatz keine Verbindung zum Internet und können offline betrieben werden.
Roboter erhöhen also im Tiefenlager die Sicherheit für Mensch und Umwelt. Gibt es keinerlei Nachteile? Doch, die gebe es schon, meint Zimmermann, der sich in einer Zementfabrik ein Bild vom Einsatz autonomer Roboter machen konnte und sich in einer früheren Arbeit mit autonomen Transportsystemen beschäftigt hat. «Der Aufwand, die Systeme aktuell zu halten, wird immer grösser und erfordert viel Fachwissen». Die Hardware und Software müssten öfter aktualisiert werden, je fortgeschrittener die Technologie werde.
Für mehr Atommüll würden die Roboter jedoch nicht sorgen. «Im ganzen Tiefenlager gibt es keine offenen Strahlungsquellen, daher droht auch den Robotern keine Verstrahlung.»
Was die Zukunft bringt
Während in Finnland bald die ersten Abfälle eingelagert werden, dauert es in der Schweiz noch rund 25 Jahre. In dieser Zeit sind noch weitere Fortschritte in der Robotik zu erwarten. «Wir haben schon jetzt einen Plan und wissen, wie wir das Lager heute bauen und betreiben würden. Dennoch schauen wir aktiv, wie sich die Technologie entwickelt und prüfen stets, wo wir optimieren können», so Zimmermann. «Es ist entscheidend, dass wir die Entwicklungen nicht nur beobachten, sondern aktiv in unsere Pläne integrieren, um die Sicherheit und Effizienz des Tiefenlagers kontinuierlich zu verbessern.». Es ist offensichtlich: Auch beim Schweizer Tiefenlager wird kein Weg an Robotern vorbeiführen.
Fotos und Videos: Tapani Karjanlahti/Posiva
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