Technischer Bericht NTB 14-02/II

SGT Etappe 2: Vorschlag weiter zu untersuchender geologischer Standortgebiete mit zugehörigen Standortarealen für die OberflächenanlageGeologische GrundlagenDossier II:Sedimentologische und tektonische Verhältnisse

Dossier II: Sedimentologische und tektonische Verhältnisse

Dossier II ist den sedimentologischen und tektonischen Verhältnissen in den geologischen Standortgebieten und deren Umfeld gewidmet. Es beinhaltet die Beschreibung und Illustration der stratigraphischen und sedimentologischen Charakteristika der Wirt- und Rahmengesteine sowie der strukturgeologischen und tektonischen Situation in den geologischen Standortgebieten. Ausserdem werden in diesem Dossier Tiefen- und Mächtigkeitskarten für die Wirtgesteine in den geologischen Standortgebieten präsentiert.

Die Informationen über die sedimentologischen und tektonischen Verhältnisse in den geologischen Standortgebieten fliessen in mehrerer Hinsicht in den sicherheitstechnischen Vergleich ein. Die stratigraphischen und sedimentologischen Merkmale der Wirt- und Rahmengesteine sind für deren Beurteilung hinsichtlich Mächtigkeit, Barriereneigenschaften, Charakterisierbarkeit und zum Teil auch Explorierbarkeit massgebend. Letztere werden auf Basis der hier beschriebenen Grundlagen in den Dossiers VI und VIII diskutiert. Aus den strukturgeologischen und tektonischen Verhältnissen im Bereich der Standortgebiete werden regionale tektonischen Elemente definiert, die bei der Abgrenzung von geologischen Standortgebieten und darin gelegenen Lagerperimeter von grosser Bedeutung sind, und Auswirkungen auf das Platzangebot für das Lager untertag haben. Darüber hinaus fliessen strukturgeologische und tektonische Charakteristika, insbesondere das tektonische Regime in den Standortgebieten, in die Beurteilung verschiedener Aspekte der geologischer Langzeitentwicklung und der geomechanischen Eigenschaften mit ein. Diese Aspekte werden in den Dossiers III bzw. IV diskutiert. Die Tiefenlage der Wirtgesteine in den Standortgebieten bildet eine wesentliche Grundlage für die Abgrenzung der im Rahmen des sicherheitstechnischen Vergleichs zu bewertenden Lagerperimeter. Hinsichtlich der optimalen Tiefenlage werden dabei Aspekte zur Langzeitentwicklung und Geomechanik bzw. Bautechnik berücksichtigt, die in den Dossiers III und IV (und dort zitierten Berichten) eingehender diskutiert werden.

Die Datengrundlage zur Charakterisierung der sedimentologischen und tektonischen Verhältnisse in den geologischen Standortgebieten wurde im Rahmen des Sachplans geologische Tiefenlager (SGT) Etappe 2 wesentlich verbessert. Zum einen wurde die Bohrdatenbasis wesentlich vergrössert. Erwähnenswert sind hier insbesondere zahlreiche neu hinzugekommene, zwar zumeist nur untiefe aber geophysikalisch geloggte Bohrungen Dritter, die wichtige Informationen zur besseren stratigraphisch-sedimentologischen Charakterisierung der Wirt- und Rahmengesteine liefern. Der regionale 2D-Seismikdatensatz in der Nordschweiz stellt einen weiteren wesentlichen Informationseckpfeiler dar. Der bereits in SGT Etappe 1 zur Verfügung stehende Datensatz wurde im Rahmen der SGT Etappe 2 vollständig reprozessiert und so hinsichtlich seiner Interpretierbarkeit verbessert. Darüber hinaus wurde dieser Datensatz im Zuge der 2D-Seismikkampagne 2011/12 durch 20 neue Seismikprofile von hoher Abbildungsqualität verdichtet. Mit der so hergestellten, vergleichbaren Datendichte in allen geologischen Standortgebieten in der Nordschweiz konnte insbesondere eine Verifikation und Präzisierung von regionalen tektonischen Elemente erfolgen, sowie die Grundlage für eine lokale Überarbeitung der Schichtmodelle in den Standortgebieten gelegt werden.

Die Wirtgesteine in der Nordschweiz sind der Opalinuston, die Tongesteinsabfolge 'Brauner Dogger' und die Effinger Schichten. Diese bilden mit ihren Rahmengesteinen im Liegenden und Hangenden den potenziell einschlusswirksamen Gebirgsbereich, welcher im Folgenden vom stratigraphisch Liegenden zum Hangenden kurz charakterisiert wird.
 

Die unteren Rahmengesteine des Wirtgesteins Opalinustons bestehen v. a. aus tonig-mergeligen und sulfatreichen Sedimenten des Keupers und Lias (Staffelegg-Formation). Innerhalb dieser Sedimente treten kalkige, dolomitische und sandige, mehrere Meter mächtige Einheiten auf, welche in Aufschlüssen verwitterungsresistentere 'harte Bänke' bilden können (Arietenkalk, Gansinger Dolomit, Stuben- und Schilfsandstein-Formation). Im Standortgebiet Jura-Südfuss tritt ausserdem direkt unterhalb des Opalinustons eine bis über 10 mächtige Abfolge aus sandigen Kalksteinen und kalkigen Sandsteinen auf.

Der Opalinuston besteht v. a. aus teilweise stark sandigen Tonsteinen und bildet im Vergleich zu anderen mesozoischen Formationen der Nordschweiz ein homogenes, mächtiges Schichtpaket. Im Standortgebiet Jura-Südfuss gibt es konkrete Hinweise, dass der Opalinuston im Vergleich zu den anderen Standortgebieten etwas geringmächtiger ist.

In den Standortgebieten Südranden, Zürich Nordost und Nördlich Lägern wird der Opalinuston von der Tongesteinsabfolge 'Brauner Dogger' überlagert. Letztere ist ein potenzielles Wirtgestein in den Standortgebieten Zürich Nordost und Nördlich Lägern. Diese Abfolge ist hauptsächlich tonig ausgebildet, sie enthält aber einzelne oder in Abfolgen auftretende 'harte Bänke'. Diese können aus mikritischen, sandigen oder biodetritischen Kalksteinen und Eisenoolithen bestehen, welche hier unter dem Begriff Sandkalkabfolgen zusammengefasst werden. Einige dieser tonärmeren Abfolgen sind lateral nur unzureichend korrelierbar. Das tonreichste, homogenste Gesteinspaket innerhalb des 'Braunen Doggers' findet sich im oberen Teil der Abfolge und besteht aus den Parkinsoni-Württembergica-Schichten und der Variansmergel-Formation. Im Standortgebiet Nördlich Lägern gibt es Hinweise, dass im westlichen und östlichen Teil des Gebiets neben der in der Bohrung Weiach erbohrten Tongesteinsabfolge mächtigere, tonärmere Gesteinskörper auftreten könnten. In den Standortgebieten Jura Ost und Jura-Südfuss ist die Tongesteinsabfolge des 'Brauner Dogger' nicht ausgebildet und über dem Opalinuston stellen die Passwang-Formation und die mergeligen Unteren Acuminata-Schichten seine oberen Rahmengesteine dar. Die Passwang- Formation besteht aus mehreren Abfolgen von Tonsteinen, sandigen und/oder bioklastischen Mergeln, Kalken und Eisenoolithen. Sie weist deutliche laterale und vertikale Faziesvariationen auf und ist im Vergleich zum 'Braunen Dogger' generell weniger tonig ausgebildet.

Die Effinger Schichten folgen in den Standortgebieten Südranden, Zürich Nordost und Nördlich Lägern über dem 'Braunen Dogger' und zählen hier zu den Rahmengesteinen. Im Standortgebiet Jura-Südfuss stellen die Effinger Schichten ein potenzielles Wirtgestein dar. Die Effinger Schichten lassen sich in Kalkmergel- und bis > 10 m mächtige Kalkbankabfolgen unterteilen. Die Korrelation dieser Abfolgen zwischen Bohrungen ist teilweise gut möglich.

Das Wirtgestein im Standortgebiet Wellenberg (Palfris-Formation, Vitznau-Mergel und tertiäre Mergel-Formationen) besteht zu grossen Teilen aus Mergeln, welche aufgrund einer speziellen tektonischen Konstellation zu einer aussergewöhnlich grossen Akkumulation verschuppt und verfaltet worden sind. Einschaltungen von Kalkbankabfolgen sind schwer korrelierbar, Kalkschuppen mit erheblichen Ausmassen können als Fremdgesteinseinschlüsse auftreten.

Die Erläuterung der strukturgeologischen und tektonischen Verhältnisse im Bereich der geologischen Standortgebiete konzentriert sich im vorliegenden Dossier auf jene Aspekte mit spezifischer Bedeutung für den sicherheitstechnischen Vergleich der geologischen Standortgebiete in SGT Etappe 2. Dabei handelt es sich um die Charakterisierung der tektonischen Regimes in den Standortgebieten, um die Ausweisung und Abgrenzung von regionalen tektonischen Elementen und die lokalen strukturgeologisch-tektonischen Verhältnisse in den geologischen Standortgebieten.

Der Begriff des tektonischen Regimes bezieht sich im Sinne von SGT Etappe 1 auf eine Zone mit einer für sie charakteristischen geologisch-tektonischen Lage und Entstehungsgeschichte. Für Bereiche innerhalb eines tektonischen Regimes kann mit ähnlichen strukturgeologischen Eigenschaften und tektonischer Überprägung gerechnet werden. Die für die fünf Standortgebiete in der Nordschweiz durchgeführte Differenzierung von tektonischen Regimes aus SGT Etappe 1 wurde durch die intensiven Untersuchungen in SGT Etappe 2 bestätigt. Das Standortgebiet Südranden sowie der zentrale und nördliche Abschnitt des Standortgebiets Zürich Nordost liegen im östlichen Tafeljura bzw. im nordöstlichen Schweizer Molassebecken und damit nördlich des seismisch kartierbaren Einflussbereichs der mit dem alpinen Fernschub assoziierten Kompressionstektonik. Diese Region wurde tektonisch vergleichsweise wenig beansprucht. Der südliche Teil des geologischen Standortgebiets Zürich Nordost sowie die geologischen Standortgebiete Nördlich Lägern und Jura Ost liegen im Bereich der Vorfaltenzone, das geologische Standortgebiet Jura-Südfuss liegt im Bereich der Subjurassischen Zone. Während erstere Zone nur eine milde Überprägung durch die mit dem alpinen Fernschub verbundene Tektonik aufweist, ist letztere Zone vergleichsweise stärker beansprucht. Das Standortgebiet Wellenberg, welches im Gegensatz zu den übrigen Standortgebieten innerhalb der Zentralalpen an der Grenze zwischen Drusberg- und Axen-Decke liegt, wurde vergleichsweise viel stärker tektonisch beansprucht als die Standortgebiete in der Nordschweiz.

Regionale tektonische Elemente können konkret nur für die Standortgebiete in der Nordschweiz zur Abgrenzung von Lagerperimetern ausgewiesen werden. Der Verlauf der zum Grossteil bereits im Rahmen von SGT Etappe 1 definierten regionalen Störungszonen wurde durch die Auswertung des hinsichtlich seiner Interpretierbarkeit verbesserten und verdichteten 2D-Seismikdatensatzes verifiziert und präzisiert. Zusätzlich werden in SGT Etappe 2 neu "zu meidende tektonische Zonen" ausgewiesen, die sich am Verlauf von post-paläozoisch reaktivierten Grundgebirgsstörungen und Antiklinalen im Bereich des Deckgebirges orientieren.

Die lokalen strukturgeologisch-tektonischen Verhältnisse in den geologischen Standortgebieten unterscheiden sich im Detail beträchtlich. Im Standortgebiet Südranden haben die Untersuchungen in SGT Etappe 2 bestätigt, dass das Deckgebirge tektonisch vergleichsweise wenig gestört ist. Dies gilt auch für das Standortgebiet Zürich Nordost. Bei der Optimierung des Lagerperimeters im sicherheitstechnischen Vergleich wurde der südliche Teil dieses Standortgebiets, welcher oberhalb der nördlichen, post-paläozoisch reaktivierten Randzone des Nordschweizer Permokarbontrogs liegt und gemäss 3D-Seismik-Auswertung strukturgeologisch ungünstigere Eigenschaften zeigt, als zu meidende tektonische Zone ausgewiesen. Für das Standortgebiet Nördlich Lägern ergab sich aus den in SGT Etappe 2 durchgeführten Erkundungsmassnahmen vor allem im westlichen Teil des Gebiets ein stärkerer Einfluss von regionalen Störungszonen. Der nördliche Teil des Standortgebiets liegt oberhalb der post-paläozoisch reaktivierten Randzone des Permokarbontrogs und wird deshalb analog zum Vorgehen im Standortgebiet Zürich Nordost als zu meidende tektonische Zone ausgewiesen. Das Standortgebiet Jura Ost wird nur in seinen äussersten Randbereichen von regionalen tektonischen Elementen berührt und erscheint gemäss aktueller Auswertung der seismischen Profile nur wenig gestört. Im Gegensatz dazu ist im Standortgebiet Jura-Südfuss der Einfluss regionaler Störungszonen deutlich stärker erkennbar als bisher. Ausserdem zeichnet sich hier auch eine im Vergleich stärkere kleinräumige tektonische Überprägung des sedimentären Schichtstapels ab. Im Standortgebiet Wellenberg zeigen Kernbohrungen eine im Vergleich zu den Standortgebieten in der Nordschweiz höhere Dichte an kleinräumigen Störungen auf. Diese können aufgrund der schwierigen Explorierbarkeit dieses Gebiets mit Reflexionsseismik nicht systematisch erfasst werden.

Zur Charakterisierung der geologischen Verhältnisse wurden die Schichtmodelle für die Standortgebiete in der Nordschweiz gegenüber SGT Etappe 1 unter Berücksichtigung aller vorhandener Daten aktualisiert. Für das Standortgebiet Wellenberg wurde ein aktualisiertes geologisches 3D-Modell erstellt. In den geologischen Standortgebieten in der Nordschweiz ergibt sich im Vergleich zu SGT Etappe 1 auch unter Berücksichtigung der methodologischen Ungewissheiten vereinzelt eine signifikante Änderung der Tiefenlage der relevanten geologischen Horizonte. Die Basis des Opalinustons, welche als regionaler Bezugshorizont betrachtet wird, liegt im Standortgebiet Südranden deutlich weniger tief, im Standortgebiet Nördlich Lägern, vor allem im Westen, tiefer als bisher angenommen. Zusätzlich wurden aus den Tiefenkarten Mächtigkeitskarten für die Wirtgesteine generiert. Diese beruhen mehrheitlich auf seismischen Daten und sind im Vergleich zu entsprechenden Informationen aus Bohrungen mit grösseren Ungewissheiten behaftet. Unter Berücksichtigung derselben bestätigen sie die sich aus diesen Bohrungen ergebenden Hinweise auf die regionale Bandbreite der stratigraphischen Mächtigkeit der potenziellen Wirtgesteine.