Technischer Bericht NTB 13-04

Langzeit-Degradation von organischen Polymeren unter SMA-Tiefenlagerbedingungen

Im Auftrag der Nagra untersuchte die Fachstelle Umweltbiotechnologie der ZHAW Wädenswil das Potenzial des mikrobiologischen Abbaus von organischen Polymeren unter den Bedingun­gen eines geologischen Tiefenlagers für schwach- und mittelaktive Abfälle (SMA). Die aktuelle wissenschaftliche Literatur wurde ausgewertet, eigene thermodynamische Berechnungen auf­gestellt und international anerkannte Experten auf dem Gebiet befragt. Die Studie beschränkt sich auf wenige Stoffe, welche sich massenmässig am häufigsten im Schweizer SMA-Inventar befinden, nämlich Polystyrol (PS), PVC, sonstige Kunststoffe und Bitumen.
 

In der Literatur fanden sich keine eindeutigen Hinweise darauf, dass das Polymergerüst der syn­thetischen Polymere unter anoxischen Bedingungen biologisch abgebaut wird. Dagegen gelten funktionelle Gruppen von Ionenaustauschern und Weichmacher in Kunststoffen als rasch ver­füg­bar und biologisch gut abbaubar. Das grösste Hindernis beim biologischen Abbau von syn­the­tischen Polymeren besteht in der Depolymerisation zu verwertbaren Monomeren. Da für die Aufspaltung meist Energie notwendig ist, sind die Chancen für diesen Prozess, der grund­sätz­lich ausserhalb der Zellen stattfindet, sehr gering. Monomere sind prinzipiell anaerob bio­logisch abbaubar, sofern sie auftreten.
 

Thermodynamische Betrachtungen legen nahe, dass ein Abbau von synthetischen Polymeren unter Tiefenlagerbedingungen zwar theoretisch möglich ist, jedoch liegt der Abbau von Poly­styrol sehr nahe am thermodynamischen Gleichgewicht. Die nutzbare Energie für Mikro­or­ga­nis­men wäre kaum ausreichend. Unter hohen H2-Partialdrücken wird eine thermo­dynamische Hemmung von anaeroben Abbauwegen vorhergesagt, da gewisse Zwischenschritte beim Abbau endergonisch werden.
 

Die Anfangsbedingungen für mikrobielles Wachstum in einem Tiefenlager in Bezug auf Wasser­verfügbarkeit und pH sind ungünstig. Praktisch keine bekannten Mikroorganismen können die Kombination dieser Bedingungen tolerieren. Die meisten bekannten Mikro­organis­men sind auf flüssiges Wasser und einen moderaten pH (4 – 10) angewiesen. Über lange Zeit­räume könnten sich die Bedingungen jedoch ändern, und insbesondere nach einer Wasser-Wiederaufsättigung eines Tiefenlagers sind mikrobielle Aktivität und Wachstum durchaus mög­lich. Eine langsame Ausbreitung der Mikrobiologie aus Nischen, in denen günstige Bedingun­gen herrschen, ist vorstellbar.
 

Fast alle befragten Experten waren der Ansicht, dass sie den mikrobiellen Abbau von PS und PVC unter anaeroben, wasserlimitierten und hohen pH-Bedingungen im gegebenen Betrach­tungs­zeitraum von 104 Jahren als äusserst unwahrscheinlich einstufen. Sie bestätigten auch die Tatsache, dass es derzeit noch zu wenig wissenschaftlich erhobene Daten gibt, um eindeutige belastbare Aussagen über den Abbau von Organika unter Tiefenlagerbedingungen machen zu können.