Technischer Bericht NTB 10-01

Beurteilung der geologischen Unterlagen für die provisorischen Sicherheitsanalysen in SGT Etappe 2 - Klärung der Notwendigkeit ergänzender geologischer Untersuchungen

Das Vorgehen zur Auswahl von Standorten für geologische Tiefenlager für alle Abfallkategorien in der Schweiz ist im Konzeptteil des Sachplans geologische Tiefenlager (Abkürzung SGT, BFE 2008) definiert. Das Verfahren sieht vor, in drei Etappen zur Wahl von Standorten für die Realisierung der benötigten geologischen Tiefenlager zu kommen. Das Sachplanverfahren mündet in der dritten Etappe für jeden Lagertyp in ein Rahmenbewilligungsverfahren, in welchem der Standort sowie das Lager in seinen Grundzügen festgelegt werden. In Etappe 1 hat die Nagra basierend auf Kriterien zur Sicherheit und technischen Machbarkeit geologische Standortgebiete vorgeschlagen. Diesen Vorschlägen haben die Bundesbehörden in ihren Gutachten und Stellungnahmen zugestimmt; darauf basierend wird der Bundesrat seinen 2011 erwarteten Entscheid abstützen. Nach Einreichen der Vorschläge für SGT Etappe 1 hat die Nagra mit den Vorbereitungen für Etappe 2 begonnen. Ziel von Etappe 2 ist es, in den vom Bundesrat (in seinem Entscheid zu Etappe 1) festgelegten geologischen Standortgebieten und Planungsperimetern im Rahmen der Partizipation zusammen mit den Standortregionen und den betroffenen Kantonen Vorschläge zur Anordnung der Oberflächeninfrastruktur zu erarbeiten und mögliche Standorte zu identifizieren. Weiter hat die Nagra eine provisorische Sicherheitsanalyse für jeden Standort und einen sicherheitstechnischen Vergleich zwischen den Standorten durchzuführen. Darauf basierend und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der sozio-ökonomisch-ökologischen Wirkungsstudien hat die Nagra mindestens je zwei Standorte pro Lagertyp für die weitere Bearbeitung in Etappe 3 vorzuschlagen. In Etappe 3 sind dann die vorgeschlagenen Standorte vertieft zu untersuchen, sodass für die beiden Lagertypen eine gut begründete Wahl der Standorte für die Rahmenbewilligungsgesuche möglich ist.

Um die Ziele der anstehenden Etappe 2 zu erreichen, muss der Kenntnisstand über die geologischen Verhältnisse an den Standorten die Durchführung der provisorischen Sicherheitsanalysen erlauben. Deshalb wird gemäss Konzept Sachplan als Vorbereitung für die Etappe 2 verlangt, dass die Nagra frühzeitig mit dem ENSI die Notwendigkeit ergänzender Untersuchungen im Hinblick auf die provisorischen Sicherheitsanalysen klärt. Der vorliegende Bericht der Nagra dokumentiert die entsprechende technisch-wissenschaftliche Beurteilung des Kenntnisstands zur Prüfung durch das ENSI. Der Schwerpunkt der Abklärungen liegt auf der Beurteilung des geologischen Kenntnisstands; dieser wird anhand von Prozessen und Parametern evaluiert, die für die Sicherheit und technische Machbarkeit relevant sind.

Bei der Beurteilung des Kenntnisstands geht es darum, zu prüfen, ob zusätzliche Kenntnisse (z. B. durch zukünftige Untersuchungen) zu einer entscheidrelevanten Veränderung führen könnten bezüglich der Wahl der in SGT Etappe 3 weiter zu betrachtenden Standorte. Für die in SGT Etappe 2 vorzunehmende sicherheitstechnische Prioritätensetzung werden die durch Dosisberechnungen bestimmten charakteristischen Dosisintervalle, die Beurteilung der technischen Machbarkeit sowie die Resultate der qualitativen Bewertung herangezogen. Dementsprechend erfolgt die Beurteilung des Kenntnisstands anhand von Testrechnungen zur Ermittlung von Dosisintervallen, anhand der Beurteilung der technischen Machbarkeit und einer Evaluation der qualitativen Bewertung. Mit den Testrechnungen wird für die verschiedenen Lagertypen in den betrachteten geologischen Standortgebieten der Verlauf der Dosiskurven für ein breites Spektrum von Rechenfällen ermittelt, mit denen neben der erwarteten Entwicklung (Referenzfall) auch die vorhandenen Ungewissheiten in den relevanten Prozessen und Parametern abdeckend erfasst werden. Dies erlaubt es, pro Lagertyp für die verschiedenen Standortgebiete die gemäss SGT verlangten charakteristischen Dosisintervalle zu ermitteln und diese bezüglich ihrer Eindeutigkeit zu den gemäss SGT verlangten Aussagen der sicherheitstechnischen Eignung und der sicherheitstechnischen Gleichwertigkeit der Standortgebiete zu beurteilen. Der Kenntnisstand wird bezüglich der Beurteilung der Sicherheit als genügend betrachtet, wenn eindeutige Aussagen gemacht werden können trotz der zur Abdeckung der vorhandenen Ungewissheiten sehr grosszügig gewählten Parameterbandbreiten. Diese Aussagen dürfen sich auch dann nicht ändern, wenn sich die Ungewissheiten und zugehörigen Parameterbandbreiten durch zukünftige Untersuchungen reduzieren. Weiter wird geprüft, ob der Kenntnisstand für die Beurteilung der technischen Machbarkeit ausreicht. Auch hierzu wird die Bedeutung der Ungewissheiten der relevanten Prozesse und Parameter evaluiert. Die Analyse des Kenntnisstands zeigt, dass der vorhandene Kenntnisstand unter Berücksichtigung der von der Nagra seit 2008 systematisch durchgeführten Untersuchungen sowie der zusätzlich geplanten Arbeiten für die provisorischen Sicherheitsanalysen und den sicherheitstechnischen Vergleich genügt. Die Abklärungen zeigen für alle Standortgebiete, dass trotz der zur Erfassung der Ungewissheiten bewusst sehr grosszügig gewählten Bandbreiten eindeutige Aussagen bezüglich der sicherheitstechnischen Eignung und der sicherheitstechnischen Gleichwertigkeit gemacht werden können und dass die technische Machbarkeit gegeben ist. Dies heisst, dass zusätzlich zu den von der Nagra bereits durchgeführten bzw. noch vorgesehenen Arbeiten keine weiteren Untersuchungen notwendig sind im Hinblick auf die provisorischen Sicherheitsanalysen in SGT Etappe 2.

Im Bericht werden auch die von der Nagra für SGT Etappe 2 begonnenen bzw. geplanten Arbeiten beschrieben. Diese Arbeiten werden voraussichtlich dazu beitragen, die in diesem Bericht aufgeführten Ungewissheiten und damit die Bandbreiten zumindest teilweise zu reduzieren. Die Arbeiten betreffen die Geometrie (inklusive die Strukturen) der Wirtgesteine bzw. der einschlusswirksamen Gebirgsbereiche sowie Informationen zu Rohstoffvorkommen und Zustandsparametern in den verschiedenen Standortgebieten, die Eigenschaften der Wirtgesteine bzw. der einschlusswirksamen Gebirgsbereiche (inkl. Messungen zur Sorption), die hydrogeologischen Verhältnisse sowie die Langzeitentwicklung. Die seit Einreichung der Unterlagen zu SGT Etappe 1 durchgeführten Arbeiten sowie die begonnenen und geplanten Untersuchungen umfassen ergänzende Felduntersuchungen (Beteiligung an Untersuchungen in neuen Bohrungen Dritter, Seismik, Kartierungen), Auswertungen, Laboruntersuchungen (inkl. Untersuchungen an Kernen aus neuen Bohrungen) und Studien. Zusätzlich zu diesen auf die Geologie orientierten Arbeiten werden zu einem breiten Spektrum von Themen Untersuchungen durchgeführt, welche in die provisorischen Sicherheitsanalysen, die Beurteilung der technischen Machbarkeit und den sicherheitstechnischen Vergleich einfliessen werden. Dazu gehören insbesondere auch Arbeiten zur Lagerauslegung sowie zur Gasbildung und Gasfreisetzung.

Der Kenntnisstand wird in Etappe 2 bei der Überprüfung der von der Nagra eingereichten provisorischen Sicherheitsanalysen und des sicherheitstechnischen Vergleichs durch die Behörden nochmals beurteilt. Die Überprüfung durch die Behörden wird zum Entscheid beitragen, für welche Standorte in SGT Etappe 3 mit Felduntersuchungen weitere Informationen im Hinblick auf die Wahl der Standorte für die Rahmenbewilligungsgesuche für das SMA- bzw. HAA-Lager erhoben werden sollen. Dabei können bei Bedarf in SGT Etappe 3 auch an mehr als zwei Standorten für jeden Lagertyp Feldarbeiten durchgeführt werden; dies ist kompatibel mit den Vorgaben im Sachplan-Konzept.