Technical Report NTB 93-14

Methodology for Deriving Hydrogelogical Input Parameters for Safety-Analysis Models - Application to Fractured Crystalline Rocks of Northern Switzerland

Die Schweiz gehört zu den Ländern, die Atomkraftwerke betreiben und für die Endlagerung radioaktiver Abfälle geeignete Wirtgesteine und geeignete Standorte suchen. Für diese Aufgabe benötigen die projektierenden Ingenieure und die Sicherheitsanalytiker u. a. einen repräsentativen Datensatz mit den hydrogeologischen Eingangsgrössen. Darin enthalten sein müssen die relevanten Informationen von Feldbeobachtungen und die daraus abgeleiteten Schlüsse und Resultate von Modellierungen. Notwendig sind Angaben zum volumetrischen Fluss durch ein Gesteinsvolumen und dessen Verteilung auf diskrete Fliesspfade zwischen Endlagerzone und Biosphäre. Da solche Flüsse nicht direkt mit Messungen erfassbar sind, müssen sie aus der möglichen Bandbreite der plausiblen hydrogeologischen Verhältnisse am Standort abgeleitet werden.

Die im vorliegenden Bericht beschriebene Methodik benutzt zur Herleitung des Datensatzes konzeptuelle und numerische Modelle in verschiedenem Grössenmassstab. Eingesetzt wird auch eine neue Methode, das «geometrische» Verfahren. Die mit einer entsprechenden Unsicherheit behafteten Feldbeobachtungen und eine konzeptuelle Vorstellung der Eigenschaften (Parameter), die das Grundwasserfliesssystem am stärksten beeinflussen, werden berücksichtigt, um mögliche alternative Szenarien für die hydrogeologischen Verhältnisse zu erzeugen. Dieses Verfahren liefert aufgrund der Bandbreite der Ergebnisse eine direkte Wertung der Unsicherheit in den Eingangsgrössen.

Als Beispiel wird die Methodik für die Herleitung des hydrogeologischen Datensatzes für das Kristallin Nordschweiz (KRI) angewendet. Nachfolgend werden die verschiedenen Schritte erläutert.

Das hydrogeologische konzeptuelle Modell Kristallin Nordschweiz beschreibt die hydrogeologischen Verhältnisse und den Grundwasserfluss. Das kristalline Grundgebirge wird durch grosse, steilstehende, wasserführende Störungen in Blöcke getrennt. Kleinmassstäblich enthalten diese Kristallin-Blöcke wasserführende Systeme, deren Transmissivität mit der Tiefe abnimmt. Dadurch ergibt sich ein oberer Bereich (Mächtigkeit etwa 500 m) mit erhöhter und ein tieferer Bereich mit geringer Durchlässigkeit. Im Regionalmassstab fliesst das Grundwasser vom Haupteinzugsgebiet im Südschwarzwald (Deutschland) zum Rhein, der das Hauptexfiltrationsgebiet bildet. Im viel kleineren Betrachtungsmassstab fliesst es im geringdurchlässigen Bereich durch ein komplexes Kluftnetzwerk diskreter wasserführender Systeme oder transmissiver Elemente.

Um die Infiltrations- und Exfiltrationsgebiete sowie die generellen Fliesspfade zwischen potentieller Endlagerzone und Exfiltrationsgebieten zu beschreiben, wurden numerische Grundwassermodelle im Regional- und Lokalmassstab entwickelt. Das Regionalmodell bestätigt die konzeptuellen Vorstellungen zum regionalen Fliesssystem. Das Lokalmodell verwendet einen Hybrid-Ansatz, worin jede der hydrogeologischen Haupteinheiten als äquivalent-poröses Medium behandelt wird, die grossen steilstehenden wasserführenden Störungen hingegen werden ausführlich beschrieben. Die Modellrechnungen ergeben, dass die Charakteristik des Fliessfeldes im Lokalmassstab im wesentlichen von der Häufigkeit der grossen, steilstehenden Störungen abhängt. Zwei Szenarien wurden getestet, das eine mit einer hohen (full scenario), das andere mit einer geringen Frequenz (sparse scenario) von Störungen. Für jedes Szenarium wurde die Verteilung des hydraulischen Gradienten berechnet.

Um die Verteilung des Grundwasserflusses durch transmissive Elemente in Abhängigkeit ihrer Geometrie und hydraulischen Eigenschaften zu ermitteln, wurden Modellierungen in Blockgrösse oder Stollenmassstab durchgeführt. Das Ziel war, die Bandbreite der Fliessdistanzen (Länge der Fliesswege) und Fliessraten zwischen hypothetischen Endlagerstollen und grossen auslegungsbestimmenden Störungen zu erfassen. Vereinzelte Zuflussstellen, die in den Bohrlöchern zu beobachten waren, werden transmissiven Elementen zugeordnet, welche als Hauptfliesswege im geringdurchlässigen Bereich angesehen werden.

Um die statistische Information aus den Bohrungen in ein stochastisches Modell aus diskreten transmissiven Elementen einzubauen, wurde das numerische Kluftnetzwerk­-Modell NAPSAC eingesetzt. Mit diesem Modell ist es möglich, alle relevanten geometrischen und hydraulischen Eigenschaften der transmissiven Elemente, von denen angenommen wird, dass sie die Verteilung des Grundwasserflusses im Blockmassstab beeinflussen, zu berücksichtigen. Der Unsicherheit wird dadurch Rechnung getragen, indem die Verteilung der transmissiven Elemente mehrfach generiert wird. Anhand dieser Berechnungen wurde direkt der Schnitt der simulierten transmissiven Elemente mit hypothetischen Endlagerstollen bestimmt. Die Häufigkeitsverteilung folgender geometrischer und hydraulischer Grössen wurde für solche Elemente ermittelt, die ein Stollensegment queren: Anzahl, Spurenlänge, Transmissivität, Durchlässigkeit, effektiver Fliesspfad und Fliessstrecke vom Stollensegment bis zum Rand des Kristallin-Blocks.

Um den Grundwasserfluss im Blockmassstab zu ermitteln, wurde das «geometrische» Verfahren entwickelt. Dazu werden die Gradienten aus dem Lokalmodell (Hybrid­Modell) übernommen und mit dem jeweiligen Durchlässigkeitsbeiwert des transmissiven Elementes multipliziert. Als Ergebnis erhält man eine Bandbreite möglicher volumetrischer Flüsse für jedes transmissive Element. Im Speziellen wurden folgende Werte berechnet: i) Fluss durch ein einzelnes transmissives Element, ii) normalisierter Fluss durch transmissive Elemente, iii) Gesamtfluss durch ein 500 m langes Stollensegment und iv) Gesamtfluss durch ein Endlager. Die mit dem «geometrischen» Verfahren berechneten Werte sind im Vergleich mit der Simulation dynamischer Fliessverhältnisse als konservativ einzustufen (unter Verwendung desselben geometrischen Netzwerks). Die geometrischen und hydrogeologischen Ergebnisse wurden in die von der Sicherheitsanalyse für das Kristallin Nordschweiz verwendeten Eingangsgrössen umgesetzt.

Das «geometrische» Verfahren weicht von der standardmässigen hydrodynamischen Modellierung ab, weil angenommen wird, dass der mit dem Lokalmodell bestimmte Gradient (treibende Kraft) durch die Variabilität der hydraulischen Parameter im Blockmassstab nicht beeinflusst wird. Ein Vorteil des «geometrischen» Verfahrens ist, dass es einfach zu implementieren ist und nachweislich konservative Werte für den Grundwasserfluss liefert. Das Verfahren ist somit ein geeigneter Kompromiss zwischen einer komplexeren (Ergebnisse realistisch, jedoch mit grosser Unsicherheit behaftet) und einer einfachen Methode (Ergebnisse, im konservativen Sinne, mit geringer Unsicherheit behaftet).