Arbeitsbericht NAB 18-34

Preliminary horizon and structure mapping of the Nagra 3D seismics JO-15 (Jura Ost) in time domain

Im Rahmen des Sachplans geologische Tiefenlager (SGT) untersucht die Nagra gegenwärtig drei Standortregionen in der Nordschweiz. Zu diesen Untersuchungen gehören auch drei 3D-seismische Messkampagnen, welche die Nagra von 2015 bis 2017 durchführte. Der vorliegende Bericht fasst die erste Horizont- und Strukturkartierung der neu zur Verfügung stehenden 3DSeismik JO-15 zur Charakterisierung des Standortgebiets Jura Ost zusammen. Die interpretierte 3D-Seismik deckt ein Gebiet von 96.3 km2 ab.

Die hier präsentierte 3D-Seismik-Kartierung von Horizonten und Strukturen wird in der Zeitdomäne ausgeführt. Ihre geologische Kalibrierung basiert im Fall der 3D-Seismik JO-15 auf der bereits bestehenden Tiefbohrung Riniken. Die Verfeinerung der Datenaufarbeitung inklusive einer Tiefenmigration unter Berücksichtigung weiterer in Planung befindlicher Tiefbohrungen
steht noch aus. Aus diesem Grund werden die aktuellen Ergebnisse als vorläufig erachtet.

Der vorliegende Bericht fasst den gegenwärtigen Stand der Interpretation zusammen und soll eine strukturelle Übersicht der Standortregion mit Schwerpunkt auf grössere Strukturen erschaffen. Er soll verschiedenen Planungsaspekten innerhalb SGT Etappe 3 dienlich sein, vor allem jener, die mit der vorgesehenen Tiefbohrkampagne in der Standortregion JO (z. B. Entwicklung eines Arbeitsprogramms für die Bohrungen) sowie mit der grundlegenden Anordnung der Zugangsbauwerke zum geologischen Tiefenlager in Verbindung stehen.

Das synthetische Seismogramm der Tiefbohrung Riniken wurde während dieser Studie unter Berücksichtigung der neu verarbeiteten 3D-seismischen Daten überarbeitet. Bei der darauf basierenden
Verknüpfung von Bohrlochdaten mit der 3D-Seismik wurde ein Korrelationskoeffizient von ca. 70 % erzielt. Für die Kartierung der 3D-Seismik JO-15 wurden sieben seismische Markerhorizonte
definiert. Der wichtige regionale Markerhorizont Basis Tertiär wurde nicht im Bohrloch Riniken durchgebohrt und musste konzeptuell anhand der Aufschlussindikatoren kartiert werden.

Die weiteren Interpretationsarbeiten wurden mit Hilfe der Petrel-Software ausgeführt. Die Kartierung der seismischen Markerhorizonte erfolgte zunächst weitgehend manuell entlang eines regelmässigen Rasters auf jeder fünften Längs- und Querlinie (Inline und Crossline) des seismischen Datenvolumens. Im Zuge dessen wurden auch Störungen interpretiert, wobei der Fokus auf grössere Störungen mit vertikalen Versätzen von > 10 ms gelegt wurde. Für die Interpretation der Störungsverläufe wurden zusätzlich Horizontscheiben aus seismischen Attributvolumen verwendet, welche im Rahmen des Interpretationsprojekts berechnet wurden. Auf Basis der manuellen Rasterkartierung wurde die Horizontinterpretation der 3D-Seismik unter Anwendung von automatischen Suchalgorithmen (autotracking) vervollständigt.

Die meisten definierten Markerhorizonte erwiesen sich durch das gesamte Untersuchungsgebiet als gut identifizierbar. Nur lokal waren einige Markerhorizonte, darunter der Top Opalinuston und der Top Lias, schwieriger zu interpretieren. Zeitintervallkarten auf Basis der kartierten Horizonte zeigen im Standtortgebiet Jura Ost in einigen Fällen ausgeprägte Variationen, vor allem für die Intervalle des Oberen und Mittleren Doggers sowie des Opalinustons. Diese Variationen deuten auf Mächtigkeitsunterschiede der jeweiligen Gesteinseinheiten, die möglicherweise mit lateralen sedimentologischen Veränderungen (z. B. in der Fazies) und subtiler synsedimentärer tektonischer Aktivität in diesem Bereich in Zusammenhang stehen könnten. Da die seismischen Daten aktuell aber nur in der Zeitdimension vorliegen und keine exakten Aussagen über Intervallbzw. Schichtmächtigkeiten erlauben, sind diese Hinweise aber gegenwärtig noch mit Vorsicht zu
bewerten.

Zu den bereits vorgängig bekannten Hauptstrukturen im Untersuchungsgebiet, welche im Zuge der 3D-Seismik-Kartierung bestätigt wurden, gehören die Mandach-Überschiebung nördlich des Standortgebiets Jura Ost, die Siggenthal-Antiklinale sowie die Jura-Hauptüberschiebung, die südlich an das Standortgebiet angrenzt. Letztere wurde mit der 3D-Seismik JO-15 nur marginal abgedeckt. Sie ist nicht klar abgebildet, weshalb eine detaillierte Interpretation nicht Bestandteil dieser Studie war. Die 3D-Seismik ermöglichte auch die Identifizierung mehrerer neuer grösserer Strukturen im Untersuchungsgebiet. Zu diesen gehören die Effingen- und Umiken-Störungen, die beide subvertikal sind und N-S bzw. NNW-SSW streichen, sowie die Villnachern-Störung, bei der es sich um eine stark segmentierte E-W streichende Störung im südlich-zentralen Teil des Untersuchungsgebiets handelt. Lokal betreffen diese neu erkannten Störungen auch das mögliche Wirtgestein Opalinuston.

Neben den oben erwähnten Hauptstrukturen wurde eine Anzahl von Strukturzonen identifiziert, welche weniger diskrete Deformationsbereiche umreissen. In ihrer Ausdehnung sind sie hauptsächlich auf stratigraphische Einheiten der Trias und darunter beschränkt, wirken sich in abgeschwächter Form aber zumindest lokal auch auf die darüber liegenden Einheiten aus. Die Unterbözberg-Strukturzone im zentralen Teil des Untersuchungsgebiets ist auf Ebene des Top Muschelkalks von einer Anzahl rundlicher Depressionen und polygonaler Störungsgeometrien charakterisiert, die eventuell mit Gesteinslösungsprozessen in Verbindung stehen. Sie liegt oberhalb einer in NW-SO-Richtung verlaufenden Grundgebirgsstruktur. Die Strukturzonen von Zeihen und Gallenkirch sind Kontraktionszonen, die von Über- und Aufschiebungen sowie sanften Falten geprägt sind. Diese Zonen markieren eine strukturelle Überprägung des Gebiets, die vermutlich mit derselben Tektonik in Verbindung steht, die auch zur Ausbildung des angrenzenden Faltenjura führte. Sie betrifft insbesondere den unteren Teil der triassischen Abfolge, welche auch den basalen Abscherhorizont des Jura-Überschiebungsgürtels bildet. Subtilere Hinweise für mit dieser Tektonik typischerweise assoziierten Überschiebungen – die aufgrund ihres meist flachen Einfallens in der Seismik nur schwer identifizierbar sind – sind auch auf höheren stratigraphischen Ebenen zu finden. Da sie erstem Anschein nach auch den Opalinuston betreffen, ist vorgesehen, diesbezüglich noch weitere Interpretationsarbeiten durchzuführen. Die tektonische Bedeutung der Brugg-Strukturzone südlich des Standortgebiets ist noch nicht geklärt, da diese ausgeprägte strukturelle Depression mit einer zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht vollständig geklärten statischen Korrektur im Bereich des unteren Aaretals in Verbindung stehen könnte. Zusätzlich zu diesen Strukturelementen zeigen seismische Attribute das Potenzial zur Identifikation weiterer Strukturen. Eine detaillierte Analyse steht aber noch aus.

Insgesamt bestätigte die vorläufige Horizont- und Strukturkartierung der 3D-Seismikdaten JO-15 die prinzipiellen strukturellen Eigenschaften des Standortgebiets Jura Ost, brachte aber auch viele neue Informationen zutage. Zukünftig sind weitere Interpretationsarbeiten am JO-15-Datensatz vorgesehen, insbesondere für das bessere Verständnis der kinematischen Beziehungen zwischen den verschiedenen identifizierten Strukturen (z. B. die auf mehreren stratigraphischen Ebenen angedeuteten Überschiebungen und die neu identifizierten subvertikalen Störungen) und seismofaziellen Phänomenen (z. B. der scheinbare Faziesübergang von der Klingnau-Formation zur Hauptrogenstein-Formation im Westen des Untersuchungsgebiets). Nicht zuletzt zeigt die qualitativ hochwertige 3D-Seismik auch grosses Potenzial für eine weiterführende seismische Interpretation des Nordschweizer Permokarbontrogs, der unterhalb des Standortgebiets verläuft, im Zuge der hier präsentierten 3D-Seismik-Kartierung aber noch nicht berücksichtigt wurde. Diese und weitere Aspekte werden im späteren Verlauf des SGT unter Berücksichtigung der gegenwärtig laufenden Verfeinerung der seismischen Daten und zusätzlicher geologischer Informationen aus den geplanten Tiefbohrungen vertieft untersucht werden.