«Momentan ist ein geologisches Tiefenlager die sicherste Lösung. Das heutige Zwischenlager ist sicher, und doch ist die Lagerung radioaktiver Abfälle an der Erdoberfläche langfristig keine Lösung – denken wir nur an den Krieg in der Ukraine. Ich bin Hydrologe und beschäftige mich damit, wie sich die Landschaft über lange Zeiträume entwickelt, insbesondere durch den Einfluss von Wasser und Gletscherbewegungen. An der Erdoberfläche zeigen sich solche Veränderungen schnell, beispielsweise bei den Moränen der alpinen Gletscher. Im Untergrund dauern Veränderungen länger. Aber die Fragen sind sehr ähnlich, und oft geht es um Risikoabschätzungen. So müssen Bauwerke aus hydrologischer Sicht einem Hochwasser standhalten, das vielleicht nur alle 100 Jahre auftritt. Beim Tiefenlager sprechen wir von einem Zeithorizont von einer Million Jahren, da sind die Unsicherheiten natürlich viel grösser. Jetzt können wir sagen, dass sich der Untergrund beim gewählten Standort für das Tiefenlager über lange Zeiträume sehr wenig verändert hat und deshalb sicher ist.
Die Menschen hinter dem Jahrhundertprojekt
Fabian ist in der Nähe von Tübingen aufgewachsen. In München hat er Geografie studiert, in Innsbruck seinen Masterabschluss mit einer Arbeit über Wasserkreisläufe im Hochgebirge gemacht und anschliessend an der Universität Zürich in Hydrologie doktoriert. Insbesondere Gletscher haben es dem Schwaben angetan. Seine Freizeit verbringt er oft in den Alpen, entweder mit Bergschuhen oder auf Skitouren. Seit Mai 2021 arbeitet er als Spezialist für geologische Langzeitentwicklung bei der Nagra. Fabian Maier lebt mit seiner Frau in Zürich. In dieser Serie stellen sich die Menschen hinter dem Jahrhundertprojekt gleich selbst vor.
Die Spuren der Gletscher
Früher waren die Gletscher, die wir in den Alpen sehen, in grossen Teilen des Mittellandes verbreitet. Sie haben damals mehrere hundert Meter Erdoberfläche abgeschürft, womit ein Lager in diesen Tiefen freigelegt worden wäre. Wir modellieren künftige Gletscherbewegungen und Eiszeiten mit den Erkenntnissen der Vergangenheit. Dadurch können wir die Risiken für das Tiefenlager abschätzen. Zurzeit arbeite ich aber vor allem für die Geosynthese, die wir Ende 2024 im Zug des Rahmenbewilligungsgesuchs beim Bund einreichen. Dabei tragen wir von allen Geologiedisziplinen den Sachstand zusammen. Ich bin dafür verantwortlich, einen Grossteil der Abbildungen zu harmonisieren. Die verschiedenen Autoren haben unterschiedliche Handschriften, deshalb braucht es diese Arbeit. Dabei codiere ich auch die Rohdaten, werte sie statistisch aus und bereite sie grafisch auf.
Ich bin seit Mai 2021 bei der Nagra. Das Privileg, Wissenschaft mit hoher Relevanz zu betreiben und nicht nur im «luftleeren Raum» zu forschen, war für mich neu. Diese Relevanz ist für mich sehr wichtig. Ich schätze es auch sehr, in einem interdisziplinären Team zu arbeiten und mich etwa mit Themen wie Tektonik und Seismik zu beschäftigen, die nicht meine Fachgebiete sind. Die Bekanntgabe des Tiefenlagerstandorts letztes Jahr war ein bedeutender Meilenstein im Projekt. Die Anspannung im Vorfeld war sehr gross, die positive Stimmung danach deutlich spürbar. Die Arbeitsatmosphäre und die Kollegialität hier im Geo-Team sind toll – das ist für mich mindestens so wichtig wie das Inhaltliche.
Ein Beitrag zum Umweltschutz
Ich bin Bergsteiger. Abgelegene Räume in den Alpen faszinieren mich, und ich finde es spannend, mehr darüber zu erfahren. Ich stecke also auch emotional in diesen Themen drin, der Gletscherrückgang bricht mir das Herz. Ich bin total dankbar, dass ich diese Natur noch so erleben darf, aber gleichzeitig macht es mich traurig, dass dies künftigen Generationen womöglich nicht mehr in gleichem Masse vergönnt ist. Insofern sehe ich meine Arbeit wirklich auch als Vermächtnis für nachfolgende Generationen und als Umweltschutzaufgabe.»
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