Arbeitsbericht NAB 20-28

Konzeptbericht ÜberwachungUmwelt und geologisches Umfeld

1 Einleitung
Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) hat für das Rahmenbewilligungsgesuch (RBG) ein integrales Überwachungskonzept einzureichen, das sich über alle Phasen der Realisierung eines geologischen Tiefenlagers (gTL) erstreckt (ENSI 2018). Die Überwachung der Umwelt und des geologischen Umfelds (ÜUG) sowie die dazugehörigen Nullmessungen sind Teil des integralen Überwachungskonzepts.

Der vorliegende Bericht hat das Ziel, die ersten konzeptionellen, standortunabhängigen Überlegungen der Nagra zur ÜUG zu beschreiben. Im Kontext der Berichterstattung zum Entsorgungsprogramm 2021 (Nagra 2021) stellt dieses Dokument einen Hintergrundbericht dar, mit dem auch die Bundesratsauflage 5.5 zum Entsorgungsprogramm 2016 (Bundesrat 2018) bzgl. Nullmessungen und Umweltüberwachung beantwortet wird (Anhang 1). Ausserdem bildet dieser Bericht ein Grundlagendokument für die Entwicklung des integralen Überwachungskonzepts für das RBG sowie die damit einhergehende standortspezifische Planung der ÜUG.

Die Planungs- und Bewilligungsschritte eines gTL sind so ausgelegt, dass es sicher gebaut, betrieben und verschlossen wird. Ein Überschreiten festgelegter Grenzwerte oder ein Auftreten unerwünschter Auswirkungen auf Geologie oder Umwelt ist aufgrund stufengerechter Planung und fachgerechter Ausführung unter Einhaltung der behördlichen Auflagen nahezu ausgeschlossen. Mittels der umfangreichen ÜUG-Messprogramme wird die Grundlage geschaffen, um natürliche Schwankungen der Umwelt und Geologie von Veränderungen, die durch den Bau und Betrieb des gTL verursacht werden könnten, zu unterscheiden. Die ÜUG dienen der Vertrauensbildung sowie der Beweissicherung.

1.1 Gesetzliche Grundlagen
Im Zusammenhang mit der ÜUG werden in Zukunft zusätzlich zu den in Tabelle 1-1 aufgeführten Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien auch etwaige Bewilligungsauflagen von Relevanz sein.

Gemäss KEV Art. 61 sind die im Rahmen der ÜUG geplanten Messungen keine "bewilligungspflichtigen erdwissenschaftlichen Untersuchungen" im Sinne des KEG Art. 35. Somit werden die für den Bau von Messstellen oder die Durchführung von Messkampagnen eventuell notwendige Bewilligungen über die lokal zuständigen kommunalen und kantonalen Behörden beziehungsweise bundesbehördlichen Ämter eingeholt. Einzig weitere Tiefbohrungen, welche für den Einbau von Langzeitbeobachtungssystemen (LZB) zur Überwachung der Formationswasserdrücke ausgebaut werden, benötigen eine Bewilligungen für erdwissenschaftliche Untersuchungen gemäss KEG Art. 35.

Zudem ist eine konzeptionelle Abstimmung mit dem Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) vorgesehen. Ausserdem müssen die Überwachungsprogramme sowie ihre Ergebnisse gemäss der Richtlinie G03 (ENSI 2020a+b) periodisch dem ENSI zur Prüfung vorgelegt werden.

1.2 Begriffsdefinitionen und Richtlinien
Vorliegendes Kapitel gibt Einblick in die wichtigsten Begriffsdefinitionen und Richtlinien. In Anbetracht der gesetzlichen Relevanz hält sich vorliegender Bericht schliesslich primär an die Richtlinie G03 (ENSI 2020a+b).

1.2.1 IAEA
Der von der International Atomic Energy Agency (IAEA) 2001 veröffentlichte Bericht "Monitoring of geological repositories for high level radioactive waste" definiert wichtige Begriffe (Tabelle 1-2) und gibt Ziele vor (Tabelle 1-3). In der in den Tabellen wiedergegebenen Auswahl der Textpassagen wird ersichtlich, welchen Themen sich vorliegender Bericht vornehmlich annimmt.

1.2.2 NEA
Auch die Nuclear Energy Agency (NEA) der Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) beschäftigt sich mit der Überwachung von gTL. In einem der veröffentlichten Berichte werden Aussagen unter anderem zur Baseline gemacht (Tabelle 1-4).

1.2.3 ENSI G03
In der Richtlinie G03 (ENSI 2020a) definiert das ENSI den Begriff Überwachung (Tabelle 1-5).

Die Richtlinie G03 (ENSI 2020a) und der zugehörige Erläuterungsberichts (ENSI 2020b) zeigen die aktuellen Anforderungen des ENSI bzgl. Überwachung eines gTL auf (Tabelle 1-6 und Tabelle 1-7). Wie der Richtlinie zu entnehmen ist, beginnen die Überwachungen spätestens mit der Rahmenbewilligung (RB) und halten so lange an, bis das gTL nicht mehr der Kernenergiegesetzgebung untersteht.

1.3 Meilensteine und Phasen bei der Realisierung eines gTL
Die gesetzlichen und behördlichen Vorgaben sowie die Festlegung weiterer konzeptueller Vorgaben und Annahmen bilden den Ausgangspunkt für die Ableitung eines Realisierungsplans für ein Lager für schwach und mittelaktive Abfälle (SMA) und ein Lager für hochaktive Abfälle (HAA) oder ein Kombilager. Der Realisierungsplan basiert auf einer Abschätzung des Zeitbedarfs für die Abwicklung der technischen Arbeiten und der behördlichen Verfahren. Im Rahmen des Entsorgungsprogramms 2021 (Nagra 2021), welches im Dezember 2021 veröffentlicht wird, werden die aktuellen Realisierungspläne dargestellt und erläutert, die in verschiedene Phasen aufgeteilt sind (Tabelle 1-9). Hinsichtlich der Gesuchseinreichungen sieht der Realisierungsplan die in Tabelle 1-8 dargestellten Termine vor.

Für die Planung der ÜUG sind diese Phasen und Meilensteine eine wichtige Basis, um den Start der Nullmessungen und die Gesamtdauer der verschiedenen Messungen sowie deren Häufigkeit und Intensität abzuschätzen, welche pro Phase unterschiedlich sein können.

1.4 Geplante schrittweise Aktualisierungen und Präzisierungen
Aufgrund der stufen- beziehungsweise phasengerechten Planung und Realisierung eines gTL wird auch die Planung der Überwachung schrittweise verfeinert und bei Bedarf angepasst. Diese Aktualisierungen und Präzisierungen sind nötig, da für die verschiedenen zeitlichen Phasen und örtlichen Bereiche eines gTL Zielsetzungen und Umfang der Messprogramme variieren können. Ausserdem wird sich die Messtechnik über die nächsten Jahrzehnte weiterentwickeln, wodurch es zu Anpassungen in den verschiedenen Messprogrammen kommen kann. Um frühzeitig auf Technologieentwicklungen reagieren zu können, wird der Stand der Technik kontinuierlich verfolgt und evaluiert. Des Weiteren werden nicht nur die Messtechnik, sondern auch die Messresultate kontinuierlich evaluiert.

Das vorliegende Überwachungskonzept ist so gestaltet, dass es jederzeit angepasst werden kann, sollte es Änderungen bei der Planung oder Umsetzung eines gTL geben oder Entscheide aufgrund der Messdaten dies nötig machen.

Ein wichtiger Meilenstein bei der Planung der Überwachung bildet die Einreichung des RBG, im Zuge dessen gemäss KEV Art. 23 unter anderem ein "Konzept zur Überwachung und Beobachtungsphase" zu erstellen beziehungsweise einzureichen ist. Der vorliegende Bericht stellt in diesem Zusammenhang ein erstes Grundlagendokument dar. Da die Standortwahl momentan noch nicht abgeschlossen ist, sind die hier beschrieben Messprogramme generisch gehalten. Nach der Auswahl der Standorte für die Vorbereitung der Rahmenbewilligungsgesuche (ASR) und vor dem RBG wird ein standortspezifisches ÜUG-Konzept erarbeitet, bei dem die Messprogramme entsprechend angepasst werden.

Nach dem RBG sind die nächsten Konkretisierungsschritte bei der Planung der Überwachung die Einreichung des Gesuchs zu den erdwissenschaftlichen Untersuchungen untertag (EUU), mit denen untertage die geologische Situation vor Ort charakterisiert wird, und bei der Umsetzung der ÜUG die Erstellung neuer Messstellen und der Beginn zugehöriger Messungen beziehungsweise die Durchführung entsprechender Messkampagnen (Kapitel 4).

1.5 Anforderungen in den verschiedenen Stadien eines gTL
Die Anforderungen an die ÜUG werden sich während der schrittweisen Implementierung des gTL in den verschiedenen Phasen ändern. Vor Beginn der Erstellung der Zugangsbauwerke EUU wird die ÜUG zur Erreichung von aussagekräftigen Nullmessungen durchgeführt. Während der Erstellung der Zugangsbauwerke EUU, der Bauten für erdwissenschaftliche Untersuchungen untertag (BEUU), in denen unter anderem Langzeitexperimente durchgeführt und sicherheitsrelevante Techniken erprobt und deren Funktionstüchtigkeit nachgewiesen werden, sowie dem Bau der Lagerfelder gibt es Anforderungen bezüglich Beweissicherung an die ÜUG. Die Beweissicherung wird durchgeführt, um einen möglichen Einfluss der Bautätigkeiten beziehungsweise Bauwerke auf die Umwelt und das geologische Umfeld zu quantifizieren und um natürliche von bauabhängigen Veränderungen während dieser Phasen zu detektieren. Im Übrigen werden während den Bauphasen die stärksten Einflüsse auf die Umwelt und das geologische Umfeld erwartet, weshalb in diesen Phasen die intensivste Überwachung geplant ist. Neben den Anforderungen für die Beweissicherung wird die ÜUG auch wertvolle Daten zur vertieften Charakterisierung des Standorts für ein gTL liefern.

Ab der Einlagerungsphase wird die ÜUG um ein kontinuierliches radiologisches Umweltmonitoring zur Beweissicherung ergänzt. Nach Abschluss der Bau- und Einlagerungsphasen startet die Beobachtungsphase, während der die Intensität der ÜUG reduziert wird, da alle relevanten Bautätigkeiten abgeschlossen sind. Eventuelle Auswirkungen auf die Umwelt und das geologische Umfeld gehen in dieser Zeit vor allem von sogenannten lagerbedingten Einflüssen (LBE) aus, die zum Beispiel durch den Wärmeeintrag von HAA verursacht werden können.

Während der EUU-, der Bau- und der Betriebsphase laufen neben der ÜUG auch untertägige Überwachungsprogramme, zum Beispiel die Überwachung der Pilotlager. Mit Abschluss der Beobachtungsphase steht der ordnungsgemässe Verschluss des Gesamtlagers an. Bestimmte Programme der ÜUG werden während der Verschlussarbeiten wieder intensiviert, um die Auswirkungen dieser Tätigkeiten beobachten und quantifizieren zu können. Nach dem vollständigen Verschluss des Gesamtlagers ist keine untertägige Überwachung mehr möglich, sodass allfällige, befristete Messungen, die durch den Bundesrat nach Verschluss verfügt werden können, nur noch im Rahmen der ÜUG an der beziehungsweise von der Erdoberfläche aus durchgeführt werden; dies bis zur Entlassung des ordnungsgemäss verschlossenen gTL aus der Kernenergiegesetzgebung (KEG Art. 39).

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