Technischer Bericht NTB 22-05

Modellhaftes Inventar radioaktiver Materialien MIRAM-RBG

MIRAM steht für «Modellhaftes Inventar radioaktiver Materialien», eine speziell für die Zwecke der Nagra entwickelte Datenbank zur Verwaltung, radiologischen Berechnung und automatisier­ten Auswertung aller heute vorhandenen und in Zukunft anfallenden radioaktiven Abfälle der Schweiz, inklusive der abgebrannten Brennelemente.

  • Randbedingungen und Zweck

    MIRAM wird innerhalb der jeweiligen Randbedingungen stetig weiterentwickelt und verfeinert. Dabei fliessen die sich entwickelnden Planungsannahmen und Kenntnis der bereits vorhandenen radio­aktiven Abfälle ein. Für wichtige Meilensteine wird die Datenbank konsolidiert, eingefroren und dokumentiert. Das MIRAM-RBG ist der gegenwärtige Stand des sich stetig weiter­entwickelnden MIRAM. Der Stand MIRAM-RBG wurde speziell für das Rahmenbewilligungs­gesuch (RBG) für das geologische Tiefenlager, insbesondere als eine Basis der Betrachtungen zur Lang­zeit­sicherheit erstellt.   Die Datenbasis und die Beschreibung der eingeflossenen Annahmen und Randbedingungen in Form dieses Berichtes sind Bestandteil des RBG. Die Randbedingungen entsprechen zu einem grossen Teil denen des Entsorgungsprogramms 21. Eine wesentliche Änderung gegenüber dem Entsorgungsprogramm 21 ergibt sich aus dem Vorschlag, die Ver­packungs­anlagen am Standort der Zwilag zu planen. MIRAM-RBG beschreibt hinsichtlich der Abfall­mengen, Material und Nuklidinventare ein nach bestem Wissen realistisch abge­schätztes Inventar radioaktiver Abfälle. Für das Nuklidinventar werden zusätzlich die Ungewiss­heiten ausgewiesen. Für Analysen, die auf konservativen Daten beruhen, werden je nach Bedarf separate Abschätzungen getroffen und in den jeweiligen Berichten dokumentiert.
  • Datenbasis

    In MIRAM-RBG ist der Bestand der effektiv produzierten (d. h. endlagergerecht konditionierten) radioaktiven Abfälle der Schweiz per 31.12.2019 erfasst. Alle Angaben in MIRAM-RBG zu den nach diesem Zeitpunkt angefallenen bzw. anfallenden Abfällen basieren auf einer Prognose, bei welcher die Abfälle modellhaft nach aktuellem Wissensstand charakterisiert und quantifiziert werden.
  • Abfallgebindetypen

    Über sogenannte Abfallgebindetypen (AGT) werden die relevanten Charakteristika der Abfälle, d. h. chemische und radiologische Eigenschaften sowie der Aufbau von Abfallgebinden, in formalisier­ter Weise beschrieben. Somit besteht eine übersichtliche und nachvollziehbare Einteilung der diversen Abfälle. Einzelgebinde innerhalb eines AGT unterscheiden sich nur in einigen vor­bestimmten Eigenschaften voneinander, und in diesen nur in einem bestimmten, vorab spezifizierten Bereich. MIRAM-RGB umfasst 395 reale AGT zu vorhandenen Abfällen und 257 Modell-AGT für in Zukunft erwartete Abfälle.

    Die Charakteristika der in MIRAM erfassten Abfälle basieren grundsätzlich auf den in den AGT-Spezifikationen enthaltenen Informationen. Nur bei AGT mit fortgeschrittener Produktion wird zusätz­lich auf die in den «Individuellen Zusatzdokumentationen» der realen Einzelgebinde deklarierten Angaben zurückgegriffen. Für Modell-AGT wird auf Modellrechnungen und Abschätzungen, wenn möglich auf Basis vergleichbarer, bereits existierender AGT abgestützt. Primär­angaben zu Materialien werden dabei standardisiert, Nuklidvektoren ggf. für die Bedürfnisse der Planung und Sicherheitsnachweise des geologischen Tiefenlagers erweitert und für korrosionssensitive Materialien (Metalle) Informationen zu deren Geometrien erfasst.

  • Repräsentative Gebinde

    Durch den radioaktiven Zerfall und den zeitlich verteilten Anfall der Einzelgebinde sind alle damit verknüpften radiologischen Kenndaten zeitabhängig. Deshalb werden in MIRAM im Hinblick auf Analysen, v. a. zur Langzeitsicherheit, sogenannte repräsentative Gebinde für die AGT definiert. Diese beschreiben die mittleren Eigenschaften der Einzelgebinde eines AGT zu einem bestimmten absoluten Referenzzeitpunkt. Als Referenzjahr für die repräsentativen Gebinde in MIRAM-RBG wird das Jahr 2075 angesetzt, d. h. das Ende des Einlagerungsbetriebs des HAA-Lagers für hochaktive radioaktive Abfälle. Die Behälterkonfigurationen und die Material­inventare der repräsentativen Gebinde sind identisch zu denen der AGT.
  • Ableitung der Kenndaten des Inventars

    Für jeden AGT werden die gemäss seiner Spezifikation zu deklarierenden Kenndaten und Eigen­schaften des chemischen und radiologischen Inventars erhoben. Die Methoden hierzu sind abhängig von der Eigenschaft und Herkunft des jeweiligen Rohabfalls und vor allem vom Prozess­schritt, in dem der Abfall anfällt. Nicht alle Methoden sind für alle Abfälle in gleicher Weise geeignet. Zum Teil ergänzen sich Methoden und werden parallel – auch im Sinne einer Qualitäts­kontrolle – angewendet. Die teilweise von der Nagra speziell hierfür entwickelten Werk­zeuge bieten darüber hinaus auch die Möglichkeit zur Verpackungsplanung und ‑optimierung, wie z. B. AMAC (Advanced Methodology for Activation Characterization).
  • Verpackungskonzept

    Im Sinne einer einfachen und sicheren Handhabung bei der Einlagerung der schwach- und mittel­aktiven Abfälle sowie alphatoxischen Abfällen in das geologische Tiefenlager sollen nach der­zeitigem Lagerkonzept ausschliesslich standardisierte Endlagerbehälter verwendet werden. Dieses Konzept mit einer verringerten Anzahl unterschiedlicher, zu handhabender Behälter wird in MIRAM-RBG berücksichtigt.
  • Datenauswertung

    Die Datenbank MIRAM ermöglicht eine umfangreiche Datenanalyse. Für gewisse Frage­stellungen und für einen raschen Überblick kann es von Vorteil sein, den Detaillierungsgrad der sich aus der grossen Anzahl der AGT ergibt, zu verringern. Dafür werden in MIRAM Abfall­gebinde­typen mit vergleichbaren Charakteristiken zu sogenannten Abfallsorten gruppiert. Hierzu werden fünf Kriterien zur Kategorisierung verwendet. Diese und weitere Kategorisierungen bieten erweiterte Optionen für Analysen.