Arbeitsbericht NAB 14-26

Seismotektonik der Zentralschweiz

Die Analyse von jungen Krustenbewegungen ist eine wichtige Basis für die Beurteilung der Langzeitentwicklung im geologischen Umfeld eines Tiefenlagers. Das geologische Standortgebiet Wellenberg liegt als einziges der in Etappe 2 des Sachplans Geologische Tiefenlager (SGT) untersuchten Gebiete in den Alpen, genauer gesagt in deren nördlichem Teil. Diese Region wies im Vergleich zur Nordschweiz in den letzten ca. 1'000 Jahren eine höhere Seismizität auf, insbesondere wenn man die für die vorliegende Fragestellung relevanteren Beben mit einer Herdtiefe < 15 km betrachtet. Zudem liegt die Zentralschweiz in einer Zone mit gegen Norden relativ stark abnehmenden Hebungsraten.

Im vorliegenden Bericht werden die Kenntnisse über die Seismiziät und Tektonik der Zentralschweiz zusammengefasst und in den grösseren Rahmen gestellt. Dabei wird versucht, Hebungsraten, Seismizität und tektonischer Bau in einem regionalen Rahmen direkt miteinander zu verbinden und die heute aktiven Bewegungen mit den Kenntnissen über die alpine Orogenese in Einklang zu bringen. Neben einer detaillierten Betrachtung der Zentralschweiz werden anhand von Karten und Profilen auch die generellen Unterschiede zwischen der Zentralschweiz und der Nordschweiz aufgezeigt und diskutiert.

Im ersten Teil des Berichts erfolgt eine Beschreibung der tektonischen Situation, der historischen und instrumentellen Seismizität, der geodätisch gemessenen vertikalen und horizontalen Bewegungsraten und der Herdmechanismen. Anschliessend werden die verschiedenen Daten in den Zusammenhang mit der Tiefenstruktur der Schweiz gestellt und anhand von zwei Profildarstellungen diskutiert. 

Im gesamtalpinen Rahmen stellt man eine örtliche Koinzidenz zwischen rezenter Hebung und dem Auftraten von Erdbeben fest, welche auf eine gemeinsame Ursache schliessen lässt. In den Alpen sind die Erdbebenherde auf die oberen 10 bis 12 km konzentriert, während sie im nordalpinen Vorland die gesamte Erdkruste umfassen. Die in den Alpen und im Vorland aus den Herdmechanismen abgeleiteten Spannungszustände unterscheiden sich. Der Gradient der vertikalen Hebungen vom nördlichen Alpenvorland über die Alpen und weiter in die Po-Ebene deutet darauf hin, dass die Gebirgsbildung in den Alpen und möglicherweise im Juragebirge noch im Gange ist. Die Verteilung der jüngsten Spaltspuralter in den Alpen spricht dafür, dass das heutige Hebungsmuster auch in den nächsten 1 bis 2 Millionen Jahren noch aktiv sein wird. 

In der Zentralschweiz treten die Erdbeben in regionalen Anhäufungen auf. Seichte Bebengruppen sind im Aar-Massiv und in den helvetischen Decken häufig, eine tiefer gelegene Anhäufung tritt im Autochthon unter den helvetischen Decken auf. Eine genauere Zuordnung der Erdbeben(gruppen) zu geologischen Strukturen ist nicht möglich. Das Auftreten von Erdbeben mit Dehnungs- und Aufschiebungscharakter in nächster Nähe nebeneinander lässt lokal geringe Gesteinsfestigkeiten vermuten. Bezüglich des zeitlichen Auftretens von Erdbeben lösen sich kurzzeitige lokale Schwärme örtlich ab. Diese Schwärme lassen vermuten, dass die Anwesenheit von Fluiden im Gestein, wie Erdgas oder Karstwasser, als Auslöser in Betracht kommen. Der Vergleich der Seismizität und der vertikalen Hebungen offenbaren, dass sich der Wellenberg und das Aar-Massiv noch als Körper bewegen. Die damit verknüpfte interne Deformation des Alpenkörpers ist diffus verteilt.

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