
Was von aussen wie eine unscheinbare Lagerhalle wirkt, entpuppt sich im Inneren als eine Zeitkapsel. Eine Zeitkapsel, die eine Reise durch 200 Millionen Jahre Erdgeschichte der Nordschweiz erlaubt. Tausende von zylindrischen Gesteinsproben, sogenannte Bohrkerne, ermöglichen diese Zeitreise. Sie lagern, fein säuberlich beschriftet, in Holzkisten. Jede Holzkiste ist ein kleines Fenster in die Erdgeschichte.
Die Bohrkerne zeigen beispielsweise Ablagerungen aus der geologischen Zeit «Jura» vor über 150 Millionen Jahren, als grosse Teile der Schweiz von einem tropischen Meer bedeckt waren. Fossile Spuren des urzeitlichen Lebens sind erhalten geblieben – darunter versteinerte Korallen, urzeitliche Meeresschnecken und sogar Überreste eines Urkrokodils. Andere Bohrkerne bestehen aus Steinsalz. Daraus können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schlussfolgern, wann sich das urzeitliche Meer zurückgezogen und Salzablagerungen hinterlassen hat.

Anhand der Holzkisten kann aber nicht nur durch die Erdgeschichte gereist werden, sondern auch durch die Geschichte der Nagra. Seit 1972 forscht die Nagra daran, wie der radioaktive Abfall der Schweiz sicher für hunderttausende von Jahren gelagert werden kann und wo. In über 50 Jahren hat die Nagra über die ganze Schweiz verteilt 17 tiefe Bohrungen durchgeführt und rund 20 Kilometer Bohrkerne an die Oberfläche geholt. Kostenpunkt: Mehrere hundert Millionen Franken. Das Ziel: Die geologische Vergangenheit genau verstehen.

Prognosen dank Vergangenheit
Doch warum will oder muss die Nagra die Erdgeschichte der letzten Jahrmillionen verstehen? Wer im Untergrund ein Tiefenlager bauen will, das hunderttausende von Jahren sicher bleibt, muss robuste Prognosen bis in die ferne Zukunft machen können. Um solche Prognosen machen zu können, braucht es ein genaues Bild des Untergrunds und seiner Entstehungsgeschichte. Ein vertieftes Verständnis von vergangenen geologischen Prozessen ermöglicht Prognosen darüber, wie sich die Geologie in Zukunft verändern wird. Entscheidend ist, dass das Gestein den radioaktiven Abfall bis zu einer Million Jahre lang einschliesst.
Ein Beispiel: Die Nagra muss vergangene Eiszeiten möglichst genau simulieren, um daraus Prognosen für zukünftige Vergletscherungen errechnen zu können. Die radioaktiven Abfälle sollen auch in ferner Zukunft vor natürlichen Einflüssen, wie etwa der Erosion durch Gletscher, geschützt sein. Die Nagra forscht zu diesen Fragen nicht allein, sondern auch an der Seite von diversen Universitäten und Instituten. Der Erkenntnisgewinn solcher Projekte geht dabei über die Tiefenlagerforschung hinaus. Dank der Zusammenarbeit mit Forscherinnen und Forschern aus den Bereichen Glaziologie, Geomorphologie und Klima sind bessere Eisfliessmodelle entstanden. Diese zeigen, wo und wann Gletscher entstanden und ins Alpenvorland vorgestossen sind. Diese Erkenntnisse helfen der Nagra, die Langzeitsicherheit des Tiefenlagers nachzuweisen.
Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft
Das Bohrkernarchiv in Mellingen (AG) ist zwar ein Ort der Wissenschaft, aber nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorbehalten. Alle, die sich selbst ein Bild des Untergrunds der Nordschweiz machen wollen, können dies tun: Die Nagra bietet kostenlose Führungen ab zehn Personen an. Eine kleine Ausstellung bietet einen Überblick über die Geologie der Nordschweiz sowie die interessantesten geologischen Schätze des Archivs.
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