Technischer Bericht NTB 94-14

Interpretation der Reflexionsseismik im Gebiet nördlich Lägeren - Zürcher Weinland

Im Rahmen der Suche nach Standortregionen für die Lagerung hochradioaktiver Ab­fälle evaluiert die Nagra neben dem kristallinen Grundgebirge auch geeignete Sedi­mentgesteins-Formationen. Nach umfassenden Vorabklärungen wurde der ca. 100 m mächtige Opalinuston des östlichen Tafeljuras als weiter zu untersuchende Sediment-Option ausgewählt; denn hier sind, im Gegensatz zum Tafeljura westlich der Aare, auch die liegenden und hangenden Formationen tonreich ausgebildet.

Für die Abklärung der regionalgeologischen Verhältnisse wurden deshalb im Gebiet nördlich Lägeren - Zürcher Weinland, wo der Opalinuston des östlichen Tafeljuras in der geeigneten Tiefe von 400-1000 m unter Terrain liegt, ca. 220 km hochauflösende reflexionsseismische Profile aufgenommen und zusammen mit älteren Seismiklinien ausgewertet.

Dank relativ grossem Aufwand bei der Feldarbeit und der Datenverarbeitung wurde eine sehr gute Qualität der neuen Seismiklinien erreicht, was eine präzise Kartierung der Markerhorizonte und insbesondere des Opalinustons ermöglichte. Vorrangige Ziele der Untersuchungen waren die Abgrenzung der wichtigen tektonischen Einheiten sowie eine Darstellung der potentiellen Wirtgesteinsformationen in diesen Einheiten.

Nach einer interaktiven Interpretation aller verfügbaren Seismiklinien, Bohrungen und Oberflächendaten des Untersuchungsgebietes wurden Isohypsenkarten der fünf wichtigsten Markerhorizonte sowie geologische Profile entlang der neuen Seismiklinien konstruiert. Mit Hilfe der Bohrlochdaten von Weiach und Herdern konnte der regionale seismische Charakter des mittleren Mesozoikums modelliert und so entlang der neuen Seismiklinien die Mächtigkeitsverteilung des Opalinustons im Untersuchungsgebiet kartiert werden. Die resultierende Karte zeigt eine ziemlich konstante Ausbildung mit Mächtigkeiten von 95 – 120 m.

Die geologisch begründete Abgrenzung von potentiellen Standortregionen erfolgt in erster Linie mit tektonischen Kriterien sowie der Tiefenlage des Opalinustons. Im Bereich der geforderten Tiefe eines Endlagers von ca. 400 – 1000 m unter der Erdoberfläche verbleiben im Gebiet Nördlich Lägeren – Zürcher Weinland sechs diskrete Teile mit spezieller tektonischer Situation:

A   Kettenjura: Hier ist die gesamte Schichtreihe über dem basalen Abscherungshorizont kleinräumig gestört. Obwohl z. T. bedeutende Anhäufungen von Opalinuston vorkommen, können auf Grund der Forderung nach ruhiger Lagerung Endlageroptionen im Opalinuston des Kettenjuras ohne weitere Abklärungen ausgeschlossen werden.

B   Die kleinräumig gestörten Abschnitte zwischen Kettenjura und Tafeljura in der sogenannten Vorfaltenzone sind weitgehend auf das Mesozoikum beschränkt. Neben diskreten Scherzonen mit intensiver Zerstörung des ursprünglichen Gesteinsverbandes sind hier seismisch nicht erkennbare Kleinstrukturen, insbesondere Scherflächen und Klüfte zu erwarten, welche durch das ein- bis mehrfache Knicken, Stauchen und Zerren an den Rampenübergängen verursacht wurden.

Die Gebiete A & B sind wegen ihrer tektonischen Beanspruchung für eine Endlageroption auszuschliessen.

C   In ruhig gelagerten Opalinuston-Vorkommen über kompressiv gestörter Trias der Vorfaltenzone muss mit einem vielfältigen Strukturinventar gerechnet werden. Intensive Klüftung, Scherflächen, kompressive neben dilatativen Bereichen auf kurzer Strecke bewirkten hier eine Zerrüttung des ursprünglichen Schichtzusammenhanges in der gesamten Formation. Diese Gebiete können zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, für deren genauere Abklärung wäre aber mit einem erheblichen Explorationsaufwand zu rechnen.

D   Abschnitte mit durchgehend ruhig gelagertem Mesozoikum innerhalb der Vorfaltenzone sind grundsätzlich mit dem Tafeljura vergleichbar. Hier muss aber die Möglichkeit von schichtparallelen Scherzonen im Opalinuston, insbesondere seinem basalen Teil, in Betracht gezogen werden, welche seismisch nicht erkannt werden können.

E   Die ruhig gelagerten Abschnitte des Tafeljuras und der Plateau-Molasse zeichnen sich gegenüber allen anderen Teilgebieten durch eine sehr einfache tektonische Geschichte und ein entsprechend bescheidenes Inventar an seismisch erkennbaren Strukturen aus. Dabei handelt es sich im wesentlichen um Zerrungsbrüche mit Versätzen von wenigen Dekametern, welche oft mit Diskontinuitäten im liegenden Permokarbon korreliert werden können und nach oben meist schon in der Trias auskeilen. Im geeigneten Tiefenbereich des Teilgebietes E ist der Opalinuston ohne sichtbare Schichtstörung auf den Seismiklinien abgebildet (siehe Beilagen) und muss deshalb als bevorzugte Standortregion angesehen werden.

F   Ruhig gelagerte Gebiete im Randbereich des Bodensee-Grabens sind von solchen des Tafeljuras an sich nicht zu unterscheiden. Sie sind aber generell in ihrer Grösse auf wenige km2 beschränkt und zudem relativ schlecht abgrenzbar. Die Rekonstruktion der strukturellen Zusammenhänge in diesem Gebiet gelingt nur unbefriedigend. Weitere Unsicherheiten ergeben sich aus den Hinweisen auf Blattverschiebungen mit kompressivem Charakter, sodass diese Option insgesamt als nur bedingt geeignet angesehen werden kann.