Technischer Bericht NTB 90-37
Zur Chemie von KolloidenVerfügbare Sorptionsmodelle und zur Frage der Kolloidhaftung
In einer Sicherheitsanalyse für ein Endlager radioaktiver Abfälle muss die Frage eines möglichen Nuklidtransports durch Kolloide berücksichtigt werden. Dazu ist es u. a. notwendig, das Sorptionsverhalten der Kolloide und ihren Transport in porösen und gespaltenen Medien zu beschreiben. Dieser Bericht behandelt einige ausgewählte chemische Teilaspekte des komplexen Gebietes.
Weil die Mechanismen der Ionenadsorption an Oberflächen stoffspezifisch sind, ist der stofflichen Identität der GewässerKolloide vermehrte Beachtung zu schenken. Zur Beschreibung der reversiblen Adsorption an den verschiedenen Kolloid-Klassen stehen geeignete Modelle zur Verfügung, die die Sorption mit Hilfe von Massenwirkungsausdrücken beschreiben. Das für oxidische Grenzflächen entwickelte Oberflächen-Koordinationsmodell erlaubt eine einheitliche Behandlung der verschiedenen Stoffklassen. Dieses Modell ist ausserdem prädiktiv, und es ist mit Erfolg auf natürliche Systeme angewendet worden.
Für den Nuklidtransport durch Kolloide stellt die irreversible Adsorption den ungünstigen Fall dar. Über das Ausmass der Reversibilität und über die Desorptionskinetik wichtiger Nuklid/Kolloid-Kombinationen Iiegen kaum Angaben vor. Es sind deshalb experimentelle Untersuchungen erforderlich.
Aus dem Themenkreis des Kolloidtransports und seiner Modellierung wird nur die Frage der Kolloidhaftung betrachtet. Natürliche Kolloide sowie die Haftflächen am Gestein tragen im Allgemeinen negative Oberflächenladungen, so dass eine gegenseitige Haftung erschwert ist. In der DLVO-Theorie besteht ein Ansatz zur Berechnung der Haftwahrscheinlichkeit aus den Oberflächenpotentialen der Festphasen und der Ionenstärke des Wassers. Es zeigt sich aber, dass diese Theorie wegen inhärenter Mängel zu völlig unrealistischen Prognosen führt und deshalb nicht anwendbar ist. Die Haftwahrscheinlichkeiten müssen an realitätsnahen Systemen experimentell bestimmt werden.