Technischer Bericht NTB 88-40

Felslabor GrimselWärmetest / Abschlussbericht

Die Beseitigung radioaktiver Abfälle soll langfristig und sicher durch Endlagerung in tiefen geologischen Formationen erfolgen. Während in der Bundesrepublik Deutschland die Endlagerung wärmeproduzierender Abfälle in Salzformationen vorgesehen ist, favorisieren andere Länder Sedimente, kristalline oder vulkanische Formation. Die Zusage der Bundesregierung in Deutschland an das Land Niedersachsen, neben den Untersuchungen im Steinsalz auch andere geologische Formationen auf ihre Endlagerfähigkeit zu untersuchen, haben u. a. auch zu einer Kooperation mit der Schweiz geführt.

Das Schweizer Konzept für die Entsorgung radioaktiver Abfälle sieht die Einlagerung in feste, möglichst dichte Gesteinsformationen vor. Zur Erprobung und Weiterentwicklung von Verfahren zum Nachweis der Eignung eines Endlagerstandorts sowie zur Erforschung der Formation Granit als Wirtgestein für die Einlagerung hochradioaktiver Abfälle wird von der Nagra das «Felslabor Grimsel» (FLG) betrieben. In diesem unterirdischen Labor untersucht die Nagra zusammen mit externen Partnern die mechanischen, geologischen und hydraulischen Eigenschaften des Gebirges mit Hilfe einer Anzahl von In-situ­Tests. Ein von der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung GSF durchgeführtes Experiment war der «Wärmetest» (WT). Ein Wärmetest simuliert die Wärmeleistung wärmeproduzierender Abfälle bei der Einlagerung. Derartige Tests wurden an anderen Standorten wiederholt durchgeführt (z. B. Stripa, Asse, Climax). Der Wärmetest im FLG wurde auf die spezifischen Vorgaben des Schweizer Entsorgungsprogramms abgestimmt, welches die Einlagerung in wenig geklüfteten Gebirgspartien mit geringer Wasserführung vorsieht. Die einzulagernden Abfälle werden ca. 30 bis 40 Jahre im Zwischenlager abgekühlt, bis ihre Wärmeleistung bei der Einlagerung nicht mehr ausreicht, um gegebenenfalls anstehendes Bergwasser zum Sieden zu bringen.

Unter Berücksichtigung der genannten Randbedingungen wurden für den Wärmetest im FLG folgende Zielsetzungen definiert:

Ziel 1:Erprobung und Weiterentwicklung von Verfahren zur Erkundung, zum Nachweis der Eignung und zur Überwachung eines Endlagers für wärmeproduzierende Abfälle im kristallinen Wirtgestein.

Ziel 2:Untersuchungen der thermischen, mechanischen und hydraulischen Reaktionen eines kristallinen Wirtgesteins auf einen künstlichen Wärmeeintrag.

Ziel 3:Entwicklung und Anwendung eines geeigneten Rechenmodells zur standort-spezifischen Modellierung der thermomechanischen Vorgänge im Bereich einer Wärmequelle im kristallinen Wirtgestein.

 

Planung, Durchführung und Auswertung des Wärmetests erfolgten unter strikter Beachtung der gesetzten Ziele. Bei der Vorbereitung der geomechanischen und geophysikalischen Instrumentierung wurde die Verwendbarkeit der bis dato anderenorts eingesetzten Systeme überprüft und für die spezifischen Bedingungen in diesem Test adaptiert. Während des Betriebs der Systeme im Laufe der Testdauer von ca. 3 Jahren konnte ihre Eignung im Wesentlichen nachgewiesen werden. Anderenfalls wurden etwaigen Schwachpunkten durch einen erhöhten Wartungsaufwand Rechnung getragen.

Die gemessenen thermischen, mechanischen und hydraulischen Reaktionen auf den künstlichen Wärmeeintrag werden in diesem Bericht ausführlich dokumentiert und diskutiert. Die thermoinduzierten mechanischen Reaktionen bleiben örtlich begrenzt und erreichen nicht die Grössen, die der Eignung einer Endlagerformation abträglich sein könnten. Die Verformungen sind infolge der starken Dehnungsbehinderung durch das umgebende Gebirge sehr klein.

Die aus dieser Dehnungsbehinderung resultierenden Gebirgsspannungen bleiben kleiner als ca. 10 MPa, so dass in einem Endlager in 1200 m Tiefe bei einer maximalen Gebirgstemperatur von 100°C noch ein hinreichend grosser Abstand der resultierenden Gesamtspannung gegenüber der Bruchfestigkeit des Gesteins zu erwarten ist. Eine erhöhte Seismizität konnte während der Testphasen nicht registriert werden. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass infolge der Auf- und Abkühlvorgänge seismische Energie im Kristallbereich freigesetzt wurde.

Zur Gebirgshydraulik wurden Wasserschüttungs- und Druckaufbaumessungen durchgeführt. Die Änderung der Schüttungsraten und der Druckgradienten waren örtlich und zeitlich eng begrenzt. Der Ventilationstest im FLG, in welchem neben anderem ebenfalls die Änderung der hydraulischen Verhältnisse in der Umgebung eines aufgeheizten Hohlraums untersucht wird, bestätigte dieses Ergebnis.

Zur vorbereitenden und versuchsbegleitenden Modellierung der thermomechanischen Verhältnisse im Wärmetest wurde ein einfaches rotationssymmetrisches FEM-Modell verwendet. Die Resultate dienten zunächst zur Auslegung der Instrumentierung und zur Konzipierung des Versuchsablaufs, später dann im Vergleich mit den Messungen zur Beurteilung der Aussagekraft des gewählten Modells im Hinblick auf die gestellte Aufgabe. Zur Beschreibung der Ausbreitung der Temperatur und der Entstehung von Verformungen und Spannungen im Gebirge infolge des künstlichen Wärmeeintrags ist das gewählte einfache Modell ausreichend.

Nach Abschluss der Untersuchungen im Wärmetest können zu den drei oben angeführten Zielen folgende Aussagen gemacht werden:

Ziel 1:Für die Erkundung und Überwachung der Geomechanik eines Endlagerstandorts für wärmeproduzierende Abfälle stehen geeignete Messverfahren zur Verfügung. Auf einen Wärmetest bei der Erschliessung des Endlagers mit den Schwerpunkten Gebirgsspannungen und Gebirgshydraulik sollte nicht verzichtet werden.

Ziel 2:Die Reaktionen des kristallinen Wirtgesteins auf den Wärmeeintrag bleiben lokal begrenzt. Hydraulische thermoinduzierte Effekte sind von nur kurzer Dauer. Die mechanischen Reaktionen infolge der Aufheizung durch die Abfallbehälter gefährden allein nicht die Sicherheit des Endlagers. Sie sind jedoch jeweils mit standortspezifischen Primärzuständen zu überlagern.

Ziel 3:Die relevanten thermomechanischen Reaktionen lassen sich mit relativ geringem Aufwand modellieren. Unverzichtbar jedoch ist die realistische Beschreibung von Gesteinsparametern und Randbedingungen, zu der wenige gezielte Labor- und In-situ-Tests erforderlich sind.

Vorliegender Bericht entstand im Rahmen des vom Bundesministerium für Forschung und Technologie sonderfinanzierten FE-Projekts: «Untersuchungsprogramm zur Erkundung ausgewählter Eigenschaften von kristallinen Felsformationen für die Endlagerung radioaktiver Abfälle (Förderkennzeichen KWA-5315-4)».