Technischer Bericht NTB 88-25

SedimentstudieZwischenbericht 1988:Möglichkeiten zur Endlagerung Langlebiger Radioaktiver Abfälle in den Sedimenten der Schweiz

Das in der Schweiz verfolgte Entsorgungskonzept sieht die Endlagerung der verglasten hochaktiven Abfälle (HAA) und der langlebigen mittelaktiven Abfälle (LMA) in einem tiefliegenden Stollensystem vor (Endlagertyp C). Mit dem Projekt Gewähr 1985 konnte die Sicherheit und Machbarkeit eines solchen Lagers im Kristallin der Nordschweiz prinzipiell nachgewiesen werden. Die daran anknüpfenden Untersuchungsgrogramme haben die Lokalisierung potentieller Standorte zum Ziel.

Parallel zum Kristallinprogramm laufen bei der Nagra auch Abklärungen über die Eignung sedimentärer Gesteine für die Aufnahme eines solchen Lagers. In ihrer Stellungsnahme zum Projekt Gewähr 1985 regten die Schweizerischen Aufsichtsbehörden eine Intensivierung des Studiums der Sedimente an. Gleichzeitig wurde die Nagra verpflichtet einen ausserhalb der voralpinen Regionen gelegenen, für die Einlagerung langlebiger mittelaktiver Abfälle geeigneten Sediment-Standort zu bezeichnen.

Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über die bisher durchgeführten Untersuchungen und Evaluationen.

Die Sedimente der Nordschweiz sind, im Gegensatz zum Kristallin, in zahlreichen Artikeln recht detailliert beschrieben. Der Hauptteil dieses Zwischenberichts besteht denn auch aus einer Sichtung und Synthese dieser Literatur.

Die Forderung nach einem tektonisch ruhigen und einfach gebauten Gebiet rückten das Mittelland, den Aargauer bis Schaffhauser Tafeljura sowie die Ajoie in den Mittelpunkt der Abklärungen. Aufgrund der Forderungen nach ausreichender Mächtigkeit, geringer Durchlässigkeit und eines guten Rückhaltevermögens für Radionuklide wurden die folgenden 7 in diesem Gebiet anstehenden Formationen als potentielle Wirtgesteine eingestuft: Obere Süsswassermolasse, Untere Süsswassermolasse (USM), Effinger Schichten, Opalinus-Ton, Gipskeuper, Mittl. Muschelkalk (Anhydritgruppe) und Perm. Für diese Formationen wird die Verbreitung in einer für den Lagerbau günstigen Tiefenlage (zwischen 300 – 1’200 m) aufgezeigt und anschliessend die stratigraphischen und tektonischen Verhältnisse, die Hydrogeologie und Geochemie sowie mögliche Rohstoffkonflikte diskutiert. Aufgrund einer vergleichenden Beurteilung werden der Opalinus-Ton und die Untere Süsswassermolasse als aussichtsreichste Optionen taxiert.

In der Folge werden für diese zwei Optionen die bautechnischen Aspekte erläutert und eine recht detaillierte hydrogeologische Modellierung sowie erste Sicherheitsabschätzungen präsentiert. Grundsätzlich kann dabei von einem ähnlichen Baukonzept ausgegangen werden, wie es im Projekt Gewähr 1985 dargelegt wurde. Die Lagerstollen werden jedoch einen etwas geringeren Durchmesser aufweisen und mechanisch vorgetrieben werden. Die maximale Bautiefe - bei wirtschaftlich vertretbarem Aufwand - wird für beide Formationen mit ca. 1’000 m angegeben. Die hydrogeologischen Modelle machen deutlich, dass innerhalb der anvisierten Sedimentabfolgen beträchtliche Potentialdifferenzen mit entsprechend grossen Gradienten auftreten können. Dies trifft insbesondere für den im Verhältnis zur USM relativ geringmächtigen Opalinus­Ton zu. Die Aussage der Modelle bleibt jedoch beschränkt, da erst verhältnismässig wenig zuverlässige Basisdaten verfügbar sind und die prognostizierten Gradienten stark von den vorgegebenen Parametern und Randbedingungen abhängen. Die Sicherheitsanalyse zeigt, dass sowohl im Opalinus-Ton wie auch in der USM eine sichere Endlagerung möglich sein dürfte. Diese Analyse erwies sich jedoch als sehr sensitiv gegenüber Vorgaben betreffend der Fliesswege (Fliesssysteme) innerhalb der Formation. In einem geeigneten Ton garantiert zwar bereits eine geringe Mächtigkeit (in der Grössenordnung einiger Dekameter) eine ausreichende Rückhaltung der Radionuklide, doch muss allfälligen hydraulischen Kurzschlüssen ausreichend Rechnung getragen werden. Solche könnten längs Störungszonen oder – in der USM – längs den hier vorhandenen Sandsteinrinnen eintreten. Letztere sind wegen ihrer komplexen Struktur und den wenig geklärten Retardationseigenschaften schwierig zu modellieren. Beide Formationen erbringen für das Nahfeld des Lagers eine ähnliche Schutzwirkung, die vergleichbar mit derjenigen der kristallinen Gesteine ist. Hingegen könnten geochemische Umwandlungen, die durch die eingelagerten Abfälle hervorgerufen werden, in den Sedimenten eine grössere Rolle spielen als im Kristallin.

Schlussendlich werden 6 potentielle Standortregionen mit Opalinus-Ton und 2 mit USM detaillierter beschrieben, unter besonderer Berücksichtigung der tektonischen Verhältnisse und der geeigneten Tiefenlage. Aus diesen 8 Optionen werden zwei Standortregionen mit Opalinus-Ton («Zürcher Weinland» und «Region nördlich der Lägeren») und eine mit Unterer Süsswassermolasse «Region östlich der Limmat») für weitere Studien ausgewählt. Es ist vorgesehen, in einem weiteren Einengungsschritt eine einzige, mit 1. Priorität zu behandelnde Sediment-Standortoption auszuwählen, die dann mittels Felduntersuchungen (geophysikalische Messungen, Bohrungen) zu erkunden ist. Für diesen Einengungsschritt sollen nun vorerst die Explorationsstrategien sowie der damit verbundene Aufwand zur genügend belastbaren Abklärung der wirtgesteinsspezifischen, sicherheitstechnisch relevanten Fragen evaluiert werden.