Technischer Bericht NTB 88-19

Untersuchungen zur Standorteignung im Hinblick auf die Endlagerung schwach- und mittelaktiver AbfälleBerichterstattung über die Untersuchungen der Phase 1 am potentiellen Standort Piz Pian Grand (Gemeinden Mesocco und Rossa, GR)

Der Bundesrat bewilligte am 30. September 1985 für die drei potentiellen Standorte Bois de la Glaive, Oberbauenstock und Piz Pian Grand Untersuchungen zur Abklärung ihrer Eignung im Hinblick auf die Endlagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle. Der vorliegende Bericht fasst die im Gebiet des Piz Pian Grand durchgeführten Untersuchungen und deren Resultate zusammen.

Im ersten Kapitel des Berichtes werden die wichtigsten Aspekte des Vorgehens bei der Planung und der Durchführung der Arbeiten, sowie deren Zielsetzung erläutert. Es wird auch eine kurze Chronologie des Ablaufes der Untersuchungen gegeben.

Die Ergebnisse der erdwissenschaftlichen Untersuchungen werden im zweiten Kapitel übersichtsmässig dargelegt und kommentiert. Ausgehend von einer Übersicht über die bisherigen Kenntnisse wird versucht, ein möglichst umfassendes Bild der geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse zu entwerfen, so wie es sich nach der Auswertung der Untersuchungsresultate ergibt.

Mit der geologischen Detailkartierung wurden die Verteilung der verschiedenen Gesteinstypen und das Auftreten von Strukturen der duktilen und der spröden Verformung dokumentiert. Vom lithologischen Gesichtspunkt her hat sich im Wesentlichen die von früheren Bearbeitern her bekannte Verteilung der Gesteinstypen bestätigt. Die strukturgeologische Rekognoszierung hat gegenüber den früheren geologischen Unterlagen die Bedeutung von grossräumigen Störungen (z. T. mit Anzeichen von neotektonischen Bewegungen) und der Klüftung hervorgehoben. Die Ergebnisse der Oberflächenkartierung wurden durch die Bearbeitung des Kernmaterials von vier Kurzbohrungen aus dem Freispiegelstollen Valbella-Spina ergänzt. Bohrlochgeophysikalische Messungen in den Bohrungen lieferten zusätzlich gesteinsphysikalische Parameter des untersuchten Gesteins und rundeten so das Bild der geologischen Verhältnisse im lokalen Bereich ab.

Eine weitere Verbesserung der Kenntnisse der geologischen Situation wurde mit der Analyse der im Freispiegelstollen durchgeführten geophysikalischen Untersuchungen erreicht. In zwei zeitlich getrennten Kampagnen wurden Profile des elektrischen Gebirgswiderstandes, der natürlichen Gammastrahlung und der seismischen Geschwindigkeiten (Kompressions- und Scherwellen-geschwindigkeiten) aufgezeichnet. Die Auswertung der Daten ergab einerseits die Bestätigung der Existenz einer Zone mit sehr geringer Wasserführung, andererseits konnte eine Zonierung entlang dem Stollenprofil abgeleitet werden, die recht gut mit der geologischen Aufnahme aus der Bauzeit des Stollens und den Verhältnissen an der Oberfläche in Einklang steht.

Für die Deutung der hydrogeologischen Verhältnisse im Gebiet des Piz Pian Grand wurde in den vier Bohrungen aus dem Freispiegelstollen eine Reihe von hydraulischen Tests ausgeführt. Dabei wurden für die in den Bohrungen durchteuften Schiefer und Schiefergneise sehr niedrige Durchlässigkeiten ermittelt, die im Mittel unter 10-11 m/s liegen. Die in den hydraulischen Tests gemessenen Drücke sind gerade wegen der niedrigen Durchlässigkeiten nur bedingt auf grössere Gesteinsvolumina übertragbar und sind zudem stark von der Drainage zum Freispiegelstollen hin beeinflusst.

Ein hydrogeologisches Untersuchungsprogramm an der Oberfläche, das die Erhebung eines Quellenkatasters, regelmässige Messungen verschiedener relevanter Parameter und hydrochemische Analysen ausgewählter Wässer an der Oberfläche und im Stollen umfasste, diente einerseits als Instrument der vorsorglichen Beweissicherung und andererseits als erste Datenbasis zur Beschreibung der hydrogeologischen Situation.

Die Interpretation der Ergebnisse der geologischen, geophysikalischen und hydrogeologischen Untersuchungen erlaubte eine erste, allgemeine Beschreibung der angetroffenen Verhältnisse unter dem speziellen Aspekt des Studiums der Wasserfliesssysteme.

Im dritten Kapitel dieses Berichtes werden Studien mit modellartigem Charakter beschrieben und ein provisorisches bauliches Konzept für ein allfälliges Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle vorgestellt. Nachdem eine erste Analyse der Langzeitsicherheit eines potentiellen Endlagers am Piz Pian Grand bereits 1985/1986 durchgeführt worden war, wurde die Analyse auf Basis der neu angefallenen Ergebnisse überarbeitet. Dabei ergaben sich keine Hinweise darauf, dass ein Endlager nicht genügend sicher sein würde.

Die hydrodynamischen Modellrechnungen, die vor der Durchführung der in diesem Bericht dokumentierten Arbeiten ausgeführt worden sind, behalten ihre Gültigkeit, weil die im Feld ermittelten Daten zum in den Modellen benutzten Datensatz nicht im Widerspruch stehen.

Im vierten abschliessenden Kapitel werden die vorgestellten Ergebnisse zusammengefasst. Als Schlussfolgerung kann festgehalten werden, dass die Untersuchungen keine Hinweise auf Ausschlussgründe für den potentiellen Standort Piz Pian Grand ergeben haben. Eine Verbesserung der für die Beurteilung der Eignung für ein allfälliges Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle notwendigen Kenntnisse kann nur durch den Vortrieb eines Sondierstollens erreicht werden.