Technischer Bericht NTB 86-01
Sondierbohrung WeiachGeologie
Die Sondierbohrung Weiach wurde im Übergangsbereich zwischen Tafeljura und Molassebecken rund 900 m südlich des Rheins in der Gemeinde Weiach, Kt. Zürich abgeteuft (Koord. 676.744/268.618, Höhe 368.66 m ü.M.). Die Bohrarbeiten dauerten vom 10. Januar bis zum 12. November 1983. Ausgenommen 4 Abschnitte im Kristallin von zusammen 160 m Länge wurde die ganze Strecke bis zur Endtiefe von 2482 m gekernt, wobei die Kerne mechanisch mittels Multishot-Verfahren orientiert wurden. In der 2020 m mächtigen Sedimentfolge konnte erstmals im schweizerischen Alpenvorland auch produktives Karbon zu Tage gefördert werden. Das Kernmaterial diente umfangreichen und detaillierten Untersuchungen, die u. a. eine exakte Charakterisierung der Gesteine und die Rekonstruktion der geologischen Ereignisse zum Ziele hatten.
Die Sedimentstrecke gliedert sich in einen 991.5 m mächtigen Schichtstapel aus Quartär (35.0 m), Untere Süsswassermolasse (140.27 m), Eozän (8.76 m) und Mesozoikum (805.47 m) sowie eine 1028.90 m mächtige Permokarbon-Abfolge. Die mesozoische Schichtreihe besteht grösstenteils aus tonigen Gesteinen, mit Ausnahme mächtigerer Karbonate im Oberen Malm und Oberen Muschelkalk. Die mesozoische Abfolge konnte in 43, z. T. biostratigraphisch datierte, Formationen und Members gegliedert werden, die sich vorwiegend mit den Einheiten des Schwäbischen Juras – v. a. der Wutach Region – korrelieren lassen. Das bedeutet, dass die lithologische Ausbildung der mesozoischen Einheiten über grosse Distanzen gleich bleibt.
Der vorwiegend mergelige Malm (292.18 m) weist zuoberst den mächtigen, verkarsteten «Massenkalk» (90.27m) aus Mikriten und zuckerkörnigen Kalken (Dedolomiten) auf. Auch der Dogger (187.46 m) ist in toniger (schwäbischer) Fazies entwickelt, wobei eisenoolitische Leithorizonte eine Gliederung ermöglichen. Der Opalinus-Ton (111.17 m), welcher durchschnittlich 10 – 20 % Quarz führt, lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Häufigkeit von SiIt- bzw. Feinsandsteinlagen und der sideritischen Konkretionen in fünf Untereinheiten gliedern. Während der vorwiegend tonige Lias (38.65 m) faziell und in seiner Mächtigkeit mit demjenigen des östlichen Aargauer Jura übereinstimmt, ist der Mittlere Keuper wiederum gleich wie im benachbarten süddeutschen Raum ausgebildet. Seine tonig-mergelige Abfolge wird von Gansinger Dolomit (3.30 m) und Schilfsandstein (11.93 m) unterbrochen. Im liegenden Gipskeuper ( 74.53 m) nimmt der Anhydritgehalt gegen unten auf Kosten des Tongehalts deutlich zu. Der Gipskeuper kann aufgrund textureller und struktureller Unterschiede in fünf Untereinheiten gegliedert werden, die auch in den Bohrungen Böttstein und Schafisheim erbohrt worden sind. Der dolomitische Teil des Oberen Muschelkalks (68.77 m) ist relativ mächtig ausgebildet, da er neben dem Trigonodus-Dolomit (37.92 m) den dolomitisierten Teil des Plattenkalkes umfasst. Allgemein zeigt sich der Trigonodus-Dolomit infolge anhydritgefüllter Poren weniger porös als etwa in Böttstein. Der Mittlere Muschelkalk (56.66 m) besteht aus dem Dolomit der Anhydritgruppe (9.76 m) und den Sulfatschichten (46.90 m), ein eigentliches Salzlager fehlt. Obschon die Sulfatschichten in den bisher abgeteuften 6 Nagra-Bohrungen in die gleichen Untereinheiten gegliedert werden können, weichen diese von Bohrung zu Bohrung in ihrer Ausbildung und Mächtigkeit z. T. stark voneinander ab.
Der Untere Muschelkalk (37.27 m) wird, wie im süddeutschen Raum, von den dunkelgrauen Orbicularis-Mergeln und Wellenmergeln sowie dem Wellendolomit aufgebaut. Der Buntsandstein (9.67 m) besteht aus einer weissen z. T. schlecht zementierten Sandsteinserie.
Im Liegenden des Buntsandsteins wurden 1028.90 m (991.50 – 2020.40 m) kontinentale klastische Sedimente des Permokarbons durchbohrt. Sie bestehen generell aus einer Wechselfolge von Tonen, Silt- und Sandsteinen und untergeordnet Konglomeraten. Im oberen Teil wurden bis in 1188 m Teufe typische Rotschichten angetroffen, die unter semiariden und oxidierenden Bedingungen abgelagert worden sind. In ihrem Liegenden folgen hellgraue Sandsteine und grauschwarze Tone, sowie eine mächtige, flözführende Serie, die von einem warmhumiden Klima zeugen. Palynologisch konnten vier Biozonen ausgeschieden werden, die vom höheren Stephanien A, an der Basis der Sedimentabfolge, bis ins untere Autunien reichen. Diese Einstufung wird durch die zahlreichen Makropflanzenfunde bestätigt. Die Karbon/Perm-Grenze kommt ins Intervall 1443.0 – 1451.5 m zu liegen. Somit stellt der Farbumschlag von grau zu rot (oben) nicht etwa die Grenze zum Rotligenden dar, sondern dürfte eher dem Wechsel vom Unter- zum Oberrotliegenden entsprechen.
Die lithologisch vielfältige Permokarbon-Abfolge lässt sich aufgrund unterschiedlicher sedimentologischer Merkmale in 11 Lithofazieseinheiten gliedern. Zuoberst liegen als monotone Einheit «Feinkörnige Rotschichten einer Playa» (991.50 – 1058.03m) vor, bestehend aus rot-braunen, siltigen Tonen mit grünen Reduktionshöfen, vereinzelten Anhydrit- und Calicheknollen, sowie häufigen Trockenrissen und Adhäsionsrippeln. Die Reduktionshöfe weisen jeweils im Kern komplexe Erzmineralanreicherungen, u. a. Ni- und Co-Arsenide auf, was auf Mobilität bestimmter Elemente wie U, V, Co, Ni während der Diagenese schliessen lässt. Die «Polymikten Kristallinbreccien des proximalen Schuttfächers» (1058.03 – 1086.48 m) überlagern die Einheit «Rotbraune zyklische Serie des alluvialen Schuttfächers» (1086.48 – 1169.42m), eine Serie von dm- bis m-mächtigen Grobsandstein-Ton Kleinzyklen. Darunter folgt die lithofaziell ähnliche «graubraune bis grau-schwarze zyklische Serie des alluvialen Schuttfächers» (1169.62 – 1252.07m). Die «Lakustrische Serie» (1252.07 – 1387.95 m) stellt eine wechselvolle und sedimentologisch komplexe Abfolge aus Konglomeraten, fining-upward Kleinzyklen, grünlichen, turbiditischen Siltstein-Rhythmiten und bituminösen schwarzen Ton- bis Kalkmergeln mit Stromatolithen, Fischen und Ostrakoden dar. In der «Grosszyklischen Grobsandstein-Ton-Serie» (1387.95 – 1474.80 m) fallen bis 8 m mächtige Sandsteinkörper auf, die mit den zugehörigen hangenden Siltsteinen 15 m mächtige Zyklen biIden. Die «Obere kleinzyklische Sandstein-Ton-Serie» (1474.80 – 1551. 39m) enthält einzelne gelbbraune, bis 18 cm mächtige Tuffitlagen – Zeugen einer verstärkten vulkanischen Tätigkeit im obersten Stephanien. Die «Kohle-Serien» (1551.39 – 1751.60 m) wird durch sechs Kohleflözgruppen von mehreren Metern Mächtigkeit, sowie bis 38.62 m mächtigen Sandstein-Ton Grosszyklen geprägt. Der Inkohlungsgrad im gesamten Permokarbon reicht von Gasflammkohlen bis zu Fettkohlen. Infolge des hohen Aschegehaltes sind jedoch die Kohlen, abgesehen von 2 Flözgruppen, nicht abbauwürdige Brandschiefer. Sie entstanden allochthon aus umgelagertem Waldmoortorf, der zusammen mit siliziklastischem Detritus und den im Wasser lebenden Algen in einem Moorsee sedimentiert worden ist. Im Liegenden der Kohle-Serie folgen kleinzyklische Abfolgen: die «Mittlere-» (1751.60 – 1840.91 m) und die «Untere kleinzyklische Sandstein-Ton-Serie» (1950.98 – 2020.40m), getrennt durch die «Feinkonglomeratische Grobsandstein-Serie» (1840.91 – 1950.98 m). Letztere besteht aus einer unregelmässigen Abfolge von grobkörnigen bis feinkonglomeratischen Sandsteinen in mehreren Metern mächtigen amalgamierten Bänken und wenigen Ton- bis Feinsandsteinlagen.
Die Permokarbon-Sedimente gelangten in einem spätvariskischen intramontanen Becken und in unterschiedlichen Bildungsmilieus, die von einem anastomosierenden Flussystem mit Moorseen (unten) über einen Seenkomplex bis zu alluvialen Schuttfächern und Playas (oben) reichen, zur Ablagerung.
Hohe absolute und offene Porositäten wurden vom Tertiär bis zur Basis des Mesozoikums (991.50 m) in vier Formationen angetroffen. Es sind dies Formationen, die von der allgemein tonigen Fazies abweichen (Untere Süsswassermolasse, Massenkalk, Trigonodus-Dolomit, Buntsandstein), wobei allerdings auch der Opalinus-Ton eine durchschnittliche Porosität von 10 % besitzt. Die Untere Süsswassermolasse enthält sehr schlecht zementierte Silt- und Sandsteine mit Porositäten bis 30 %, ebenso enthält der Buntsandstein Horizonte mit grossen sekundären Porositäten. Bei den zwei Karbonatformationen zeichnet sich der Massenkalk durch starke Karstlösung und der Trigonodus-Dolomit durch Lösungsporen aus. Die absolute Porosität nimmt im Permokarbon von etwa 10 % im Dach auf etwa 2 % an der Basis ab. Allerdings wurden im Bereich von etwa 1100 m Teufe Extremwerte von 20 % gemessen. Die zwar stark variierenden Durchlässigkeitswerte nehmen ebenfalls bis 1400 m Teufe deutlich ab und liegen im Karbon fast durchwegs unter der Messgrenze von 0.5 mD.
Der an organischen Bestandteilen durch Vitrinitreflexionsmessungen ermittelte Inkohlungsgrad nimmt von 0.46 %Rmax (365 m Teufe) auf 1.85 %Rmax in 2015.75 m Teufe zu. Jedoch zeigt sich im Inkohlungsprofil ein auffälliger Knick zwischen 1000 m und 1400 m Teufe. Im paläozoischen Abschnitt wurde, verglichen mit der mesozoischen Schichtreihe, ein wesentlich höherer Inkohlungsgradient festgestellt. Maturitätsberechnungen führen zum Schluss, dass dies auf einen anormal hohen Wärmegradienten von ca 104°C/km bis zum Unterperm zurückzuführen ist. Die thermische Reife des organischen Materials wurde somit wohl schon im Permokarbon erworben. Ferner lässt sich oberhalb 1400 m Teufe eine rund 1000 m mächtige Schichtlücke vermuten, die gleichzeitig einer thermischen Diskordanz entspricht.
Nach den strukturellen Analysen könnte die mögliche Diskordanz ungefähr bei 1309 m Teufe angenommen werden, denn darunter sind 5 mal mehr Klüfte zu verzeichnen. Darüber ist die Klüftung bis ins Tertiär generell gering, wobei sehr kluftarme mit kluftreicheren Zonen, bzw. Formationen abwechseln, worunter der "Massenkalk" die grösste Klufthäufigkeit aufweist. Die im Gegensatz zur Sondierbohrung Böttstein geringe Kluftzahl hängt zum einen von der tonigeren Schichtreihe und zum andern von der ruhigeren tektonischen Lage ab. In den tertiären und mesozoischen Schichten enthalten 81 % der Klüfte Kluftfüllungen, wovon die Hälfte mit Tonmineralien und ein Viertel mit Calcit belegt sind. Im Permokarbon weisen 90 % eine Füllung auf, die zu 83 % aus Tonmineralien besteht.
Die Sedimentstrecke enthält vier unabhängige Aquifere, nämlich die quartären Schotter, ferner den «Massenkalk», den Oberen Muschelkalk und den Buntsandstein. Der «Massenkalk» ist mehr oder weniger stark verkarstet, wobei viele Karstspalten Ton enthalten. Die aus den Doppelpackertests ermittelten mittleren Durchlässigkeiten liegen zwischen 10-7 und 10-6 m/sec. Im Muschelkalk bilden der obere Trigonodus-Dolomit und der Dolomit der Anhydritgruppe den eigentlichen Aquifer. Als Wasserfliesswege kommen Horizonte mit hoher sekundärer Porosität und Klüfte in Frage. Der Buntsandstein mit z. T. schlecht zementierten porösen Bänken führt artesisch gespanntes Grundwasser.
Der Uebergang von den Sandsteinen des Stephanien zu den Gneisen des kristallinen Grundgebirges scheint sehr scharf zu sein (70 cm Kernverlust). Es wurde kein Basiskonglomerat festgestellt, hingegen sind in den obersten fünf Metern des Kristallins Einflüsse einer schwachen Oberflächenverwitterung zu erkennen.
Das Kristallin besteht aus einer monotonen, oft gebänderten Serie von hochmetamorphen, z. T. Hornblende-führenden Biotit-Plagioklas-Gneisen mit sauren Ganggesteinen, die rund 15 % der Bohrstrecke im Kristallin ausmachen. Das Ursprungsmaterial der Gneise waren wahrscheinlich präkambrische, Al-arme dolomitische Tonsteine bis tonig-dolomitische Grauwacken. Obwohl sie sich nicht direkt mit einer der lithologischen Einheiten des Süd- oder Mittelschwarzwaldes vergleichen lassen, dürften sie doch demselben moldanubischen KrustenteiI angehören. Eine sehr ähnliche Gneisserie wurde in der Forschungsbohrung Urach-3 auf der Schwäbischen Alb erbohrt.
Im Zuge der regional verbreiteten spätvariszisch-oberkarbonischen Bewegungen und Granitintrusionen (ca.300 – 320 M.a.) wurden die Gesteine von Weiach teilweise intensiv tektonohydrothermal überprägt. Ein Zusammenwirken von tektonischer Bewegung und konvektiver Zirkulation eines heissen H2O-NaCI-Fluids, das lokal eventuell unter Ueberdrucken stand, führte zu einer starken Kataklase sowie zu hydrothermalen Umwandlungen, bei denen die metamorphen Mineralien durch zugeführtes H2O (±CO2) umgewandelt wurden. Dabei spielten sich vorwiegend intergranulare Stoffaustausch-Vorgänge unter Konservierung der Gesamtgesteins-Chemismen ab. Deshalb kam es nicht zu erzbildenden Anreicherungsprozessen. Die Umwandlungen erfolgten unter retrograden Bedingungen bei Temperaturen unter 400°C und Drucken unter 1 kb, mithin in einem Umfeld mit stark erhöhtem geothermischem Gradienten, der wahrscheinlich durch die seichten Intrusionen der Umgebung verursacht wurde. Ein Grossteil der intensiven Zerklüftung (im Mittel ca. 11 Klüfte pro Meter) dürfte ebenfalls bei diesem Ereignis entstanden sein.
Permische Bewegungen werden im Kristallin von Weiach wahrscheinlich durch Calcitklüfte, CaCl2-reiche Flüssigkeitseinschlüsse und Ca2+-betonte ZwischenschichtBelegungen der Schichtsilikate dokumentiert. Eine intensive permische Spröddeformation und Vertonung, wie sie im Kristallin der Bohrungen Böttstein, Leuggern und Kaisten festgestellt wurden, fehlt in Weiach.
Die zu über 90 % mit Neubildungen verheilten Klüfte enthalten vorwiegend Chlorit und Calcit. Abgesehen von wenigen Ausnahmen in Apliten wurden keine offenen Klüfte festgestellt. Eindeutig voneinander unterscheidbare Kluftsysteme fehlen. Die Wasserführung des Kristallins ist bei mittleren Durchlässigkeiten unter rund 10-11 m/sec sehr gering.
Die meisten Isotopenverhältnisse von Kluftmineralien deuten auf Ungleichgewichte bezüglich dem entsprechenden Formationswasser. Die Uran- und ThoriumisotopenVerhältnisse der Gesteine weisen ferner auf geochemische Stabilität seit mindestens 1.5 – 2 M.a. hin.
Für einige petrophysikalische Parameter der wichtigsten Gesteinstypen wurden folgende Durchschnittswerte ermittelt:
MessgrösseEinheitfrisch
GneiseUmgewandelte
Gneise («Typ 2»)saure
Ganggesteine
Gesteinsdichte g/cm3 2.74 2.68 2.61
Absolute Porosität Vol% ca. 1.5 1.0 3 – 4
Offene Porosität Vol% 2.3 1.7 1 – 1.5
Wärmeleitfähigkeit W/moK 2.7 2.5 3.1
Spezifische Oberfläche m2/g n.b. 46 n.b.