Technischer Bericht NTB 85-61

Inventar chemisch-toxischer Stoffe in nuklearen Endlagern und ihre Freisatzung in die Umwelt

Nach den Schutzzielen für das Projekt Gewähr 1985, wie es von den Bundesbehörden formuliert worden ist, darf ein Endlager für radioaktive Abfälle auch zu keinen Belastungen von Menschen und Umwelt durch chemisch-toxische Auswirkungen führen. Im vorliegenden Bericht wird ausgeführt, dass Errichtung und Betrieb von Endlagern, wie sie im Projekt Gewähr 1985 beschrieben sind, auch dieses Schutzziel zu erreichen vermögen.

Das Bundesamt für Umweltschutz hat eine Liste der interessierenden ökotoxischen Stoffe und anderer Stoffe, die sonst aufgrund ihrer chemischen und toxischen Eigenschaften ein Problem darstellen könnten, zur Verfügung gestellt. Eine Inventarisierung der ökotoxischen und anderen Problemstoffe in den Endlagern Typ B und Typ C, die aufgrund des Abfallsortenhandbuches und ergänzenden Umfragen bei den Abfalllieferanten aufgestellt wurde, hat ergeben, dass die Problemstoffe vorwiegend im Endlager Typ B vorkommen und die Schwermetalle Nickel, Cadmium, Kupfer und Chrom als repräsentativ gelten können.

Im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Umweltschutz wurde Cadmium für die weitere Untersuchung ausgewählt, vornehmlich des Interesses wegen, das diesem Metall in den ökologischen Diskussionen entgegengebracht wird. Unter der Voraussetzung, dass das ursprünglich als Metall eingebrachte Cadmium sich später oxidiere und als zweiwertiges Kation durch das Bergwasser aus dem Endlagerbereich in die Biosphäre gelange, konnte die in der Biosphäre maximal zu erwartende Cadmiumkonzentration ermittelt werden. Methoden und Parameter der Transportrechnung waren analog denjenigen für radioaktive Stoffe im Projekt Gewähr 1985.

Die Rechnungen ergaben maximal Cd-Konzentrationen im Boden im Bereich der natürlichen Konzentrationen von landwirtschaftlich genutzten Oberböden. Die berechneten Cd-Konzentrationen im Grundwasser liegen um etwa eine Grössenordnung tiefer als die natürlichen Konzentrationen in offenen Gewässern.

Es sind keine Grenzkonzentrationen von chemisch-toxischen Stoffen in der Umwelt festgelegt. Zur Beurteilung der berechneten Werte können jedoch neben den natürlichen Konzentrationen auch die Richtwerte für den Schwermetallgehalt von landwirtschaftlich genutzten Böden herangezogen werden. Für das Cadmium liegt der berechnete Gehalt im Boden um etwa eine Grössenordnung, der lösliche Anteil um rund einen Faktor 30 tiefer als der entsprechende Richtwert für landwirtschaftlichen Nutzboden.

Aufgrund der konservativen Berechnung des Stofftransportes in der Geo­ und Biosphäre und der oben skizzierten Bewertung der Resultate lässt sich schliessen, dass das im Endlager vorhandene Cadmium keine wesentliche Erhöhung der Cd-Konzentrationen in der Umwelt bewirkt. Dadurch kann das ökotoxische Risikopotential von Cadmium aus dem Endlager Typ B als unbedeutend eingestuft werden.

Wie aus einfachen Vergleichsrechnungen hervorgeht, ist für die anderen Schwermetalle Nickel, Kupfer und Chrom nicht mit grundlegend anderen ökotoxischen Verhältnissen zu rechnen wie für das untersuchte Cadmium.