Technischer Bericht NTB 83-25

SondierbohrungSchafisheimArbeitsprogramm

Die Nagra führt in der Nordschweiz ein umfassendes geologisches Untersuchungsprogramm durch mit dem Ziel, die erdwissenschaftlichen Erkenntnisse zu beschaffen, welche notwendig sind, um die Eignung des Untergrundes zur Endlagerung hochradioaktiver Abfälle beurteilen zu können. Die vielfältigen Untersuchungen gliedern sich in ein Tiefbohrprogramm, eine flächenhafte geophysikalische Erkundung der Gesteins- und Strukturverhältnisse, ein hydrogeologisches Untersuchungsprogramm zur Abklärung der Wasserfliesswege im tiefen Untergrund und ein neotektonisches Untersuchungsprogramm zur Erkennung aktiver Erdkrustenbewegungen im Untersuchungsgebiet.

Am 24. Juni 1980 sind von der Nagra 12 Gesuche für Sondierbohrungen dem Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement eingereicht worden. Diese Tiefbohrungen sollen die geologischen Verhältnisse im Grundgebirge und seiner Sedimentbedeckung in einem rund 1200 km2 grossen Gebiet der Nordschweiz erkunden. Zusätzlich sollen sie im weiteren regionalen Rahmen hydrodynamische und geochemische Daten liefern für den Bau eines mathematischen Modells der hydrogeologischen Verhältnisse zwischen der Nordabdachung der Alpen im Bereich der Zentral- und Ostschweiz und dem Schwarzwaldmassiv.
 
Nachdem der Bundesrat am 17. Februar 1982 für 11 der 12 Sondiergesuche die Bewilligung erteilt hat, konnte die Bohrkampagne im Oktober 1982 mit der Sondierbohrung Böttstein beginnen.

Die zweite Sondierbohrung Weiach startete im Januar 1983, die dritte Sondierbohrung Riniken im Juni 1983. Im heutigen Zeitpunkt sind die Bohrarbeiten in Böttstein abgeschlossen. Die Testphase wird demnächst in Angriff genommen. Die Sondierbohrungen Weiach und Riniken befinden sich z.Zt. noch in der Bohrphase.
 
Die Sondierbohrung Schafisheim mit Koordinaten 653 620/246 760 und einer Heereshöhe von 421 m (O.K. Terrain) liegt rund 13 km ostnordöstlich des abtauchenden Juragewölbes des Born-Engelberges, im Bereich der leicht gewellten, generell gegen SE einfallenden, mittelländischen Molasse. In die Molasse sind durch den Reussgletscher mehrere Tröge ausgehobelt worden, welche später durch mächtige Schotter und feinkörnige Seeablagerungen wieder aufgefüllt wurden.
 
Nach geologischer Prognose wird die Bohrung unter den ca. 180 m mächtigen Quartärablagerungen eine rund 1300 m mächtige Sedimentdecke durchfahren. Lithologisch besteht diese Abfolge aus Sand­ und Tonsteinen des Tertiärs (Untere Süsswassermolasse), Kalken, Mergeln und Tonen des Juras sowie Evaporiten, Tonen, Karbonaten und Sandsteinen der Trias. Es ist möglich, dass unter der Trias noch eine geringmächtige Permabfolge vorhanden ist. Das kristalline Grundgebirge soll vertikal über eine Strecke von rund 500 m durchbohrt werden.

Die Endteufe wird sich nach den angetroffenen geologischen und hydrogeologischen Verhältnissen richten, da aus der zu durchbohrenden Kristallin-Strecke genügend Daten für das regionale hydrogeologische Modell erbracht werden müssen.

Das vorliegende Arbeitsprogramm gliedert sich, nach Voranstellung der von den Behörden erlassenen Auflagen, in einen bohrtechnischen und einen erdwissenschaftlichen Teil.

Der bohrtechnische Teil enthält detaillierte Vorschriften an die Bohrfirma, einerseits zum technischen Vortrieb der Tiefbohrung durch die prognostizierte Gesteinsfolge auf die verlangte Endteufe, anderseits über die zu verwendenden Geräte und Materialien wie Blowout Preventer, Rohrstränge, Bohrlochgarnituren, Spülungschemikalien und Zementqualitäten.

Diese Vorschriften und Spezifikationen sind im Rahmen der technischen Kapazität der zum Einsatz kommenden stationären und vollelektrischen Bohranlage National 80 B auf die vielfältigen Anforderungen des geplanten Kern-, Mess- und Testprogramms abgestimmt.

Tabelle 1 gibt einen Ueberblick des erdwissenschaftlichen Teils des Arbeitsprogramms. Es ist auch für Schafisheim, als vierte Bohrung der Tiefbohrkampagne, sehr umfangreich und vielfältig, damit es allen geologisch denkbaren Untergrundverhältnissen, besonders im noch wenig bekannten Kristallinbereich, zu genügen vermag.
 
Da die ganze Strecke des Kristallins und grössere Abschnitte im Sedimentbereich orientiert gekernt werden sollen, wird dies, neben der lithologisch-sedimentologischen Analyse der möglichen, als Barrieren- oder Wirtgesteine in Frage kommenden Sedimentintervalle, Wirtgesteine, die vollständige Erfassung der petrographischen Eigenschaften des potentiellen kristallinen Wirtgesteins im Bohrlochbereich und seiner die Wasserwegigkeit weitgehend bestimmenden Kluftsysteme erlauben.

Ein umfangreiches Programm geophysikalischer Bohrlochmessungen wird die Ergebnisse der Kernanalysen verifizieren und mit zusätzlichen Daten ergänzen. Durch verschiedenartige Mess-Sonden werden Bohrlochlogs aufgenommen, aus denen sich eine Reihe für die Beschreibung des durchbohrten Gebirges wichtiger Parameter berechnen lassen. Eine erste Gruppe von Logs hat zum Ziel, die Gesteine petrographisch zu identifizieren und poröse, d. h. kohlenwasserstoff­ oder wasserführende Zonen aufzuzeigen. Eine zweite Gruppe liefert u. a. Angaben über den Grad der Poren- bzw. Kluftfüllung, die Gesteinsdichte und -temperatur, die natürliche Gamma-Strahlung und die den seismischen Wellengeschwindigkeiten zugrunde liegenden Elastizitätsmodule. Wieder andere Sonden messen Streichen und Fallen von Schicht- und Kluftflächen. Eine weitere Gruppe beschafft Angaben über Durchmesser und Abweichungen des Bohrlochs, Güte der Verrohrungszementation und Lage der Verrohrungsmuffen. Schliesslich werden durch Geophon-Versenkmessungen die Geschwindigkeiten seismischer Laufzeiten ermittelt, welche erlauben, die Tiefengenauigkeit der ausgewerteten reflexionsseismischen Profile des regionalen Messnetzes der Nagra wesentlich zu verbessern.
 
Durch zahlreiche Tests mit verschiedenartigen Methoden, reichend von Förderversuchen im Muschelkalk-Aquifer bis zu markierten Pumpversuchen in gering durchlässigen Kristallinstrecken, sollen die hydraulischen Verhältnisse der Tiefengrundwässer erkundet werden. Es ist geplant, die bei den Tests anfallenden Wasserproben physikalisch-chemisch im Detail zu analysieren und ihren Isotopengehalt zur Abschätzung des Alters der Wässer und deren Residenzzeit in den durchwanderten Gesteinen zu ermitteln.

Das Untersuchungsprogramm wird abgerundet durch felsmechanische und geotechnische Laborexperimente an ausgewählten Bohrkernen, zwecks Beschaffung der für den Schacht- und Kavernenbau eines Endlagers benötigten Kennwerte.
 
Nach Abschluss der Bohr-und Testphase und vor der endgültigen Verfüllung des Bohrlochs wird eine mindestens einjährige Beobachtungsphase folgen zur Ueberwachung von Druckschwankungen der Tiefengrundwässer und nötigenfalls zu weiteren Wasserproben-entnahmen aus der Kristallinstrecke durch Langzeit-Fördertests.

Der Zeitbedarf der Feldarbeiten, von der Bohrphase bis zum Beginn der Beobachtungsphase wird für die Sondierbohrung Schafisheim auf 11 1/2 -14 Monate veranschlagt.

TABELLE siehe Bericht