Technischer Bericht NTB 81-08
Vergleichende Übersicht der Gefahren, Schutzmassnahmen und Risiken einer Endlagerung radioaktiver Abfälle
Der vorliegende Bericht will einerseits eine Übersicht über die zu erwartenden Risiken bei der geologischen Endlagerung radioaktiver Abfälle geben. Andererseits wird versucht, einen Vergleich dieser Risiken gegenüber den «konventionellen» Risiken, welche freiwillig oder unfreiwillig mit Natur und Technik verbunden sind und die menschliche Existenz seit langer Zeit begleiten, anzustellen.
Bei der Stromerzeugung in Kernkraftwerken, aber auch in Forschung, Industrie und Medizin entstehen radioaktive Abfälle. Diese müssen infolge ihrer langlebigen, aber im Verlauf der Zeit abnehmenden Giftigkeit, für lange Zeiträume von der Biosphäre ferngehalten werden. Eine Übersicht über Art und Weise einer möglichen Gefährdung radioaktiver Abfälle an die Umwelt findet sich in Kapital 2 dieses Berichtes. Es wird unter anderem dargelegt, dass die Giftigkeit von Radionukliden durchaus mit denjenigen von nichtradioaktiven chemischen Stoffen verglichen werden kann.
Weltweit sieht man deshalb vor, dass die zu beseitigenden radioaktiven Abfälle auf sichere und sorgfältige Weise in tiefen Schichten stabiler geologischer Formationen eingelagert werden. Als Endlager eignen sich Standorte, die frei von zirkulierendem Grundwasser sind oder in denen die freie Bewegung des Grundwassers stark eingeschränkt ist. Um die im Endlager deponierten radioaktiven Stoffe an ihrer Ausbreitung zu hindern, werden voneinander unabhängige technische und natürliche Schutzbarrieren verwendet. Die Kenntnis der Eigenschaften der technischen Barrieren, dazu zählen Verpackungs- und Abdichtungsmaterialien, ist ebenso wichtig wie die Kenntnis der natürlichen Barrieren, welche durch die Geologie und Hydrogeologie des Endlagerstandortgebietes gegeben sind. Dieses als Mehrfachbarrierenkonzept bezeichnete Schutzprinzip soll den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle garantieren.
Was bedeutet Sicherheit in Bezug auf den langfristigen Einschluss radioaktiver Abfälle? Sicherheit ist eher ein relativer als ein absoluter Begriff, weil es «absolute Sicherheit» nirgends gibt und weil stets ein Restrisiko verbleibt. Wir brauchen daher eine Grundlage, um abschätzen zu können, ob solche Restrisiken akzeptabel sein können.
Ausgehend von der Forderung, dass die Kosten-Nutzen-Bilanz aller menschlichen Aktivitäten positiv sein muss, hat die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) zum Schutze der Gesellschaft und der einzelnen Individuen den Grundsatz formuliert, dass die Strahlenexposition insgesamt so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar gehalten werden muss, wobei auch ökonomische und soziale Faktoren als Entscheidungsgrundlage zu berücksichtigen sind.
Die Sicherheit eines Endlagers einerseits und das Risiko für die Umgebung des Endlagers andererseits sind komplementäre Begriffe.
Der Begriff «Risiko» umfasst zwei wesentliche Faktoren:
- das Ausmass der unerwünschten Folgen, als Konsequenz (S) bezeichnet
- die Ungewissheit des Ereignisses, d. h. die Eintrittswahrscheinlichkeit (P) während eines bestimmten Beobachtungszeitraums
Üblicherweise wird das Risiko (R) als das Produkt aus beiden Faktoren verstanden, doch sind auch andere Ansätze möglich.
Im Hinblick auf die nukleare Entsorgung ist mit Risiko vor allem eine erhöhte Strahlendosis, aufgrund der Einnahme freigesetzter Radionuklide, angesprochen. Mögliche Schutzmassnahmen gegen zusätzliche Strahlendosen sind in Kapitel 3 dargestellt. Kapitel 4 enthält eine Abschätzung des Endlagerrisikos, welche es dem Leser ermöglicht, ein festgestelltes Risiko in ein Gesamtbild besser einzuordnen.
In den letzten Jahren sind eine Reihe, vor allem ausländischer Sicherheitsanalysen durchgeführt worden, um Art und Umfang des möglichen Endlagerrisikos bei der Beseitigung radioaktiver Abfälle abzuklären. Daraus lassen sich erste Schlussfolgerungen ableiten, die in Kapitel 5 zusammengefasst sind. Allgemein wird das Endlagerrisiko als sehr klein angesehen. Es darf geschlossen werden, dass die geologische Endlagerung grundsätzlich machbar ist, und dass deren Risiken sowohl in der Betriebsphase als auch in der Nachbetriebsphase nach heutigem Stand der Untersuchungen unterhalb vieler zum heutigen Zeitpunkt bereits akzeptierter Risiken liegen. Konkretere Aussagen werden auf der Grundlage standortspezifischer Projekte gemacht werden können. Mit standortspezifischem Datenmaterial und verfeinerten Modellen ist zu erwarten, dass die aufgrund vereinfachter Modelle und konservativer Ansätze errechnete obere Risikogrenze der Endlagerung noch tiefer angesetzt werden kann.