Technical Report NTB 00-06

Grimsel Test SiteInvestigation Phase IV (1994 – 1996):The Nagra-JNC in situ study of safety relevant radionuclide retardation in fractured crystalline rockII: The RRP project methodology development, field and laboratory tests

Das von der Nagra und von JNC initiierte Exkavationsprojekt (EP) stellte für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung dar, da erstmalig in einem Felslabor ein Cocktail stark sorbierender Radionuklide in eine wasserführende Scherzone injiziert und anschliessend das gesamte Fliessfeld exkaviert wurde (ca. zwei Tonnen Gestein). Die Komplexität und der Massstab dieses In-situ-Experiments erforderten die Entwicklung, Verbesserung und den Test neuer Methoden und Techniken. Um den Erfolg des angestrebten Hauptexperiments gewährleisten zu können, wurde ausserdem eine Anzahl umfangreicher Labor- und Feldtests im Felslabor Grimsel der Nagra durchgeführt. Letztere wurden weitgehend unter den für das Hauptexperiment erwarteten Bedingungen durchgeführt.

Im vorliegenden Bericht werden die Vorbereitungsarbeiten für die Stabilisierung der Scherzone vor dem Überbohren sowie die Evaluation geeigneter Analysemethoden zur Untersuchung des Gesteinsmaterials aus den entnommenen Bohrkernen ausführlich dargelegt. Der Vergleich verschiedener bestehender Stabilisierungstechniken ergab, dass ein Zweikomponenten-Epoxidharz zur Imprägnierung der Test-Scherzone und zur Konservierung bzw. Erhaltung des bröckeligen Materials der Kluftfüllung (fault gouge) am besten geeignet ist. Bei diesem Evaluationsprozess mussten folgende Kriterien berücksichtigt werden: Viskosität, Dichte, Polymerisationszeit und Volumenkonstanz des Harzes während der Polymerisation, Benetzbarkeit der Oberflächen der wassergesättigten Poren, homogene Mischbarkeit mit verschiedenen Farbstoffen sowie geringe Radionuklidsorption. 

Die physikalischen Eigenschaften wurden von den Harzherstellern bestimmt, während die Imprägnierungseigenschaften im Labor sowohl mit nassem, zermahlenem Gestein (z. B. Valanginienmergel) als auch mit «fault gouge»-Probenmaterial aus der betreffenden Test-Scherzone getestet wurden. Die Benetzbarkeit des Porenraums konnte durch die Injektion von Isopropanol unmittelbar vor der eigentlichen Harzinjektion (d. h. das Porenwasser wurde durch Isopropanol ersetzt) verbessert werden. Zur Optimierung des Injektionsvorgangs wurden zusätzliche Labor und Feldexperimente im Felslabor Grimsel durchgeführt und dabei u. a. Injektionsdruck, Injektionsmethodik und Kontrollmöglichkeiten des Mischungsverhältnisses von Harz und Härter untersucht. Diese Untersuchungen führten zu einer erfolgreichen Imprägnierung des Porenraums innerhalb der Scherzone, wobei das Harz in offene Bruchflächen und mit «fault gouge» verfüllte Bereiche der Scherzone eingedrungen war. Danach wurde vor dem eigentlichen In-situ- Hauptexperiment ein Feldversuch in grösserem Massstab durchgeführt, um die Imprägnierung der Scherzone über experimentell relevante Distanzen sowie die Überbohrtechnik zu untersuchen. Die Erfahrungen aus den Überbohrungsversuchen zeigten, dass nur mit einem Dreifachkernrohr ein vollständiger Kerngewinn erzielt werden konnte und dass die Überbohrung parallel zur Scherzone bedeutend bessere Resultate lieferte als senkrecht dazu. 

Neben der Stabilisierung der Scherzone musste auch sichergestellt werden, dass die Harzinjektion nicht die vorhandene Verteilung der Radionuklide im Gestein verändern durfte. Deshalb wurde zusätzlich eine Reihe von Sorptionsexperimenten an verschiedenen Harztypen durchgeführt. Konventionelle Batch-Versuche an harzimprägnierten Gesteinsproben und mit Radionukliden versetztem Grundwasser aus der Scherzone wurden durchgeführt, um eine mögliche Konkurrenz zwischen Harz und Granodiorit zu bestimmen. Um die In-situ-Bedingungen während des Experiments noch näher simulieren zu können, wurden zusätzlich mit Radionukliden dotierte Gesteinsproben in flüssiges Harz eingetaucht und wiederum das Konkurrenzverhalten zwischen Harz und Granodiorit untersucht. Die Experimente zeigten eindeutig, dass die Harzimprägnierung zu keiner massgeblichen Beeinflussung der In-situ-Verteilung der Radionuklide führt. 

Die Auswertung der oberflächenanalytischen Techniken und der radiochemischen Methoden zur Kernanalyse konzentrierte sich v. a. auf SIMS («Secondary Ion Mass Spectrometry») und LAM-ICP-MS («Laser Ablation Microprobe – Inductively Coupled Plasma – Mass Spectrometry»). Die Studien an einer Reihe von Proben aus der Test-Scherzone hatten zum Ziel, den Einfluss der Oberflächenbeschaffenheit (Rauhigkeit), die Ladungsneutralität der Proben sowie Ausgasungserscheinungen zu untersuchen. Mithilfe von SIMS konnten direkt Elementverteilungen auf dem Mineralkorn bestimmt werden, während sich für LAM-ICP-MS-Messungen Voruntersuchungen mit SEM («Scanning Electron Microscopy») und BSEM («Back Scattered Electron Microscopy») als sehr hilfreich erwiesen. Zusätzliche Analysen mit dem EMPA-Verfahren («Electron Microprobe Analysis») führten nur auf Granodioritoberflächen zum Erfolg, während in natürlichem und synthetischem «fault gouge»-Material eine Punktmessung durch eine nicht zu vernachlässigende Strahlenwanderung verhindert wurde. 

Aufgrund des vereinzelt zu erwartenden Kernmaterialverlustes bei der Probenherstellung aus den Bohrkernen (Bohrkernscheiben) wurde ausserdem die Möglichkeit der Scherzonencharakterisierung am intakten Kern untersucht (Visualisierung von Fliesswegen, Verteilung des Porenraums etc.). Dabei wurden verschiedene Techniken evaluiert, wie auch PET («Positron Emission Tomography») und MR («Micro-Resistivity»). PET erwies sich wegen der Einschränkungen bei der Probengrösse sowie den sehr langen Zählraten als nicht praktikabel. Zudem erfordert diese Technik relativ hohe Aktivitäten, um eine ausreichende Auflösung erzielen zu können. Dennoch wird PET als eine geeignete Labormethode erachtet, mit der in Echtzeit der Radionuklid-Transport durch Bohrkerne im Labor visualisiert werden kann. Auch die MR-Methode erschien zunächst vielversprechend, mangels bereits vorhandener praktischer Erfahrungen im Bereich kristalliner Gesteine hätte aber das hierzu nötige Forschungs- und Entwicklungsprogramm den Rahmen des EP gesprengt. Daher wurde beschlossen, diese Methode nicht weiter zu verfolgen. 

Die in dieser Phase des EP gewonnenen Erkenntnisse führten zu der Überzeugung, dass das geplante In-situ-Hauptexperiment erfolgreich durchgeführt werden kann. Die ausgewählten Methoden und Techniken konnten den speziellen Anforderungen, die an ein solches Feldexperiment in diesem Massstab gestellt werden, angepasst werden (das Feldexperiment ist in MÖRI et al. 2003a beschrieben). Einige der für dieses Experiment entwickelten Techniken konnten inzwischen bereits in JNC's Kamaishi Test Site in Nordost-Japan sowie in SKB's Äspö-Labor in Süd-Schweden angewendet werden.