Arbeitsbericht NAB 14-70

Potenzial der Kohlenwasserstoff-Ressourcen in der Nordschweiz

Als Teil der geologischen Abklärungen für die von der Nagra vorgeschlagenen Standortgebiete (Sachplan geologische Tiefenlager, Etappe 2) wurde das mögliche Potenzial von fossilen Energieressourcen in der Nordschweiz abgeschätzt. Dabei wurden alle möglichen Lagerstättentypen (Plays), einschliesslich der neueren nicht-konventionellen Vorkommen wie Schiefergas/-öl, Kohleflözgas oder Gas in dichten Sandsteinen berücksichtigt. Eine erste ähnliche Potenzialabschätzung wurde bereits früher für das Gebiet des gesamten Schweizer Mittellands und des subalpinen Bereichs erarbeitet (Leu 2008). Der vorliegende Bericht ist eine Aktualisierung und Vertiefung für die Nordschweiz.

Die Datengrundlage für die Evaluation umfasst neben publizierten Informationen alle relevanten Resultate anderer Untersuchungen der Nagra (2D-Seismik 2011/12, Interpretation des Permokarbons, Gravimetrie, geochemische Analysen etc.) sowie der Erdölindustrie, insbesondere der SEAG.

Das gewählte Beurteilungskonzept basiert auf einer detaillierten Analyse der für spezifische Lagerstättentypen relevanten Parameter, wie Formationstiefe, -mächtigkeit, Gesteinscharakteristiken und Migrationsgeschichte von Erdöl und Erdgas. Das geologische Potenzial der individuellen Ressourcen wurde unter Annahme der heute gängigen Technologien beurteilt. Für die lokalisierten Potenzialgebiete wurden semi-quantitative Hochrechnungen des vorhandenen förderbaren Gesamtvolumens der Kohlenwasserstoffe berechnet. Weiter wird die wirtschaftliche Relevanz dieser möglichen Lagerstätten diskutiert.

Untersucht wurde das Potenzial von:

  • Kohlebergbau
  • Kohleflözgas (CBM, coal bed methane)
  • In situ-Kohlevergasung (UCG, underground coal gasification)
  • Konventionelle Erdöl-/Erdgaslagerstätten
  • Erdöl- und Erdgas in dichten Gesteinen (tight oil, tight gas)
  • Schiefergas und Schieferöl (shale gas, light tight oil)
  • Teer- und Ölsande
  • Ölschiefer

In einem ersten Schritt wurden die petroleumgeologischen Rahmenbedingungen des weiteren Untersuchungsgebiets für diese Lagerstättentypen analysiert. Schlüsselfaktoren sind die generelle stratigraphische Abfolge und ihre geologische Geschichte mit Subsidenz- und Hebungsphasen, die tektonische Entwicklung und dadurch bedingte Strukturelemente, die Temperatur- und Maturitätsgeschichte sowie bekannte Indikationen an der Oberfläche und Öl- und Gasanzeichen in Bohrungen. Eine Schlüsselrolle spielen in der Nordschweiz die paläozoischen Trogstrukturen mit ihren Permokarbonsedimenten.

Ein Untertag-Kohleabbau ist mit heutiger Technologie im besten Fall in einem nur relativ kleinen Gebiet im Bereich der Permokarbon-Trograndzone Nord (Mandach – Unterehrendingen – Siglistorf) möglich. Verschiedene Faktoren, wie grosse Tiefe und relativ hohe Gebirgstemperaturen sind jedoch eher erschwerende Faktoren. Schätzungen für das förderbare Kohlevolumen ergeben 6'000 Mt (Mt = 106 t), die jedoch heute kaum wirtschaftlich nutzbar sind.

Ein Potenzial für Kohleflözgas wird in einem ca. 5 km breiten Streifen je entlang der Trograndzone Nord (Aare bis Eglisau) und der Trograndzone Süd (Aarau – Wettingen – Frauenfeld) lokalisiert. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit für die Förderung der abgeschätzten ~ 25 Milliarden m3 Erdgas würde weitere Explorationsbohrungen benötigen.

Das einzige Gebiet mit einem Potenzial für eine In situ-Kohlevergasung der Karbonkohleflöze konnte nur in der Trograndzone Nord im Gebiet Mandach – Unterehrendingen – Böbikon lokalisiert werden. Da die Technologie jedoch noch nicht ausgereift ist, kann die wirtschaftliche Relevanz nicht beurteilt werden.

Ein Potenzial für konventionelle Erdöl- und Erdgaslagerstätten ist nach bisherigen Erkenntnissen in einer relativ untiefen Antiklinalstruktur im Permokarbon im Raum Siglistorf und generell im mesozoischen Intervall im sudöstlichen Untersuchungsgebiet (Langenthal – Frauen-feld), unter der flachliegenden Molasse vorhanden. Basierend auf den Untersuchungen der Erdölindustrie von 2007 für die Antiklinalstruktur bei Siglistorf kann, ohne die damit verbundenen Risiken einzubeziehen, ein wirtschaftlich förderbares Erdgasvolumen von 4.5 – 6.0 Milliarden m3 hochgerechnet werden.

Die besten Chancen für ein Potenzial von Erdgasressourcen in den dichten Permokarbonsedimenten bestehen im zentralen Teil des Nordschweizer Permokarbontrogs und den westlichen Teilen der dazugehörenden Trograndzone Nord. Ein spekulatives Potenzial besteht zudem entlang der ganzen Trograndzone Süd (inklusive Bereich Olten – Aarau) und möglicherweise im vermuteten Trog bei Schaffhausen. Für den zentralen Teil des Permokarbontrogs kann ein förderbares Erdgasvolumen im Bereich von 50 – 65 Milliarden m3 berechnet werden. Die Wirtschaftlichkeit einer Nutzung kann jedoch auch hier nur mit weiteren Untersuchungen abgeklärt werden.

Ein spekulatives Potenzial für Schieferöl und Schiefergas in Tonsteinen ist nur südöstlich der Linie Langenthal – Hallwil – Wohlen – Kloten – Herdern vorhanden, wo der Opalinuston und der direkt darunterliegende Posidonienschiefer des obersten Lias Maturitäten > 0.6 %Ro (Beginn Ölfenster) erreicht haben. Die bituminösen Tonschiefer des Autunien im Nordschweizer Permokarbontrog haben zwar geeignete geochemische Eigenschaften für diese nicht-konventionellen Ressourcen, aber die geringe Mächtigkeit der einzelnen Tonsteinintervalle (in der Regel < 10 m, maximal 13.5 m) und die teilweise tektonische Beanspruchung erlauben heute keine Förderung.

Ein Potenzial für Teer- und Ölsande fehlt im ganzen Untersuchungsgebiet.

Aus der Gesamtbeurteilung des Untersuchungsgebiets resultiert generell ein Potenzial für fossile Lagerstätten entlang der Längsachse des Nordschweizer Permokarbontrogs mit teilweiser Überlappung von mehreren Ressourcentypen. Weitere Gebiete mit spekulativem Potenzial befinden sich in einem Streifen entlang des gesamten Jura-Südfusses und weiter östlich bis nach Frauenfeld sowie im Bereich Klettgau – Schaffhausen. Ein Potenzial für mesozoische oder tertiäre Lagerstätten (konventionell oder nicht-konventionell) kommt nur in der Südosthälfte des Untersuchungsgebiets vor.

Die Untersuchungen zeigen, dass nur das vorgeschlagene geologische Standortgebiet Zürich Nordost in grossen Teilen kein Potenzial für fossile Rohstoffe aufweist. Die Standortgebiete Jura-Südfuss und Südranden sind von einem spekulativen Potenzial für Erdgas in dichten Gesteinen des Permokarbons sowie Kohleflözgas in den Karbonkohlen betroffen. Im gesamten Standortgebiet Jura Ost besteht ein mögliches Potenzial für Erdgas in dichten Gesteinen des Permokarbons. Dasselbe gilt für das Standortgebiet Nördlich Lägern, wobei dort der Nordwestrand auch im Bereich von weiteren möglichen Lagerstättentypen liegt.