«Müssen nicht alles heute schon wissen»


Was weiss die Nagra und wie weist sie dieses Wissen aus? An einem Workshop in Zürich wurden Sachverständige der Nagra mit Fragen gelöchert. Die Haupterkenntnis: Für das Jahrhundertprojekt Tiefenlager muss nicht das gesamte Wissen schon jetzt vorhanden sein.

«Null Probleme gibt es nie.» Wenn Probleme auftreten, so müsse man für diese die bestmögliche Lösung finden. Raphael Schneebergers Worte finden nickende Anerkennung. Dann schiebt er schmunzelnd nach: «Wenn Ihnen jemand beim Tunnelbau null Probleme verspricht – ich würde nicht unterschreiben.» Die sieben Zuhörenden rund um den Tisch lachen.

Schneeberger ist Projektleiter Geowissenschaften bei der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra). An diesem Abend steht er den Mitgliedern der Fachgruppen Sicherheit der drei Regionalkonferenzen Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost Red und Antwort. An den beiden anderen Tischen haben Nagra-Forschungschefin Irina Gaus und der stellvertretende Forschungschef, Olivier Leupin, ebenso viele Fragen zu beantworten. Nach zwanzig Minuten rotieren die Experten einen Tisch weiter. Sie sollten zumindest. Denn die Zeit geht (zu) schnell vorbei, den wissbegierigen Teilnehmenden gehen die Fragen nicht aus. Sie wollen mehr wissen über die Korrosion der Endlagerbehälter, über die Gas- und Wärmeentwicklung im Tiefenlager, aber auch über die Einflüsse zukünftiger Eiszeiten.

Raphael Schneeberger im Dialog mit Vertretern aus den Fachgruppen Sicherheit der drei Standortregionen Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost.

So schnell wird neue Technik alt

Zu Beginn des vom Bundesamt für Energie (BFE) organisierten Workshops zeigt Irina Gaus Bilder von Mobiltelefonen und einem Computer aus dem Jahr 1998. «Uralte Technik», schiesst es einem durch den Kopf. Und doch sind es nur 24 Jahre her. In 23 Jahren soll mit dem Bau des Lagers für schwach- und mittelaktive Abfälle begonnen werden. Der Vergleich zeigt, welche grossen Sprünge die Technik in kurzer Zeit machen kann.

«Wir müssen deshalb nicht alles heute schon wissen», erklärt Gaus am Beispiel des Endlagerbehälters. Stahl, Kupfer, Keramik: Auf der ganzen Welt wird daran geforscht. Wobei es auch eine Rolle spielt, in welches Gestein das Tiefenlager gebaut wird. In der Schweiz wurde der Opalinuston als Wirtsgestein auserkoren. Und der Bund macht weitere Vorgaben: Tausend Jahre muss der Behälter dicht sein. Das aktuelle Konzept mit den Stahlbehältern hält sogar zehntausend Jahre. Doch damit gibt man sich nicht zufrieden, es wird weiter geforscht. Und womöglich eine noch sicherere Lösung erarbeitet.

Lieferte Antworten: Nagra-Forschungschefin Irina Gaus.

Einen Fahrplan brauche es trotzdem, man könne nicht ewig warten: «Wir müssen wissen, wann wir was wissen müssen.» Und wann ist das? Die Forschungschefin hatte auch darauf eine Antwort: «So früh wie nötig, so spät wie möglich». Nochmals am Beispiel der Endlagerbehälter erklärt, kann man auf diese Weise festhalten, dass schon heute eine sichere Lösung vorhanden ist. Sollten sich aus den weiterlaufenden Forschungen aber Durchbrüche ergeben, so ist man bereit und offen, diese anzuwenden und die Behälter noch sicherer zu machen.

Die vielen Fragen an diesem Abend zeigen, wie wichtig die Partizipation im Rahmen des «Sachplan geologische Tiefenlager» ist. Dieser ist vor allem für die Wissenschaft bestimmt. Über das geologische Tiefenlager werden am Ende nicht nur Fachleute entscheiden müssen, sondern wir alle. Die lebhaften Diskussionen zeigten, wie gross das Interesse ist – aber auch das Wissen der «Laien-Expertinnen und Laien-Experten», wie es Clemens Bolli vom BFE zum Schluss der Veranstaltung treffend formulierte.