Wo Brennstäbe ein Hotelzimmer erleuchten


Zürich und sein Tiefenlager. Im Zimmer 25 des Hotels Limmathof konnte man für kurze Zeit eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Tiefenlager des «Isobath Collective» bestaunen. Wir waren da.

«Ich benötige als Depot einen Ausweis», sagt die Dame an der Reception im Hotel Limmathof. Die ID wird ausgehändigt, dafür bekommt man den Schlüssel für das ominöse Zimmer 25. Was einem da wohl erwartet?

Der Schlüssel für das ominöse Zimmer 25.

Seit Oktober 2021 stellt das Hotel Limmathof in Zürich das Zimmer 25 zur Verfügung. Für experimentelle Formate und Kunstprojekte. Als «Zwischenraum, der von Kapitalismus und Pandemie zurückgelassen wurde», wird der «so-da space» auf der Website des betreibenden Kollektivs beschrieben.

«Die Treppe hoch in den ersten Stock, dann rechts», ruft die Dame von der Reception noch hinterher. Einundzwanzig, dreiundzwanzig… da! Die Zimmertür zur Fünfundzwanzig ist mit dem gleichen Aufkleber versehen wie der dazugehörige Schlüssel. Dieser dreht den Riegel zurück und gewährt einen ersten Einblick in das mysteriöse Zimmer…

Keine Gefahr, keine Antworten

Die voraussichtlich letzte Episode in diesem «so-da space» gehört also dem Projekt «the nuclear spike». Verantwortlich dafür ist das «Isobath Collective», bestehend aus Marcel Rickli, Annina Booge, Rony Emmenegger und Stephan Hochleithner. «Der Besuch setzt nicht viel voraus», sagte Rony Emmenegger im Vorfeld. «Das Projekt soll als Stimulus dienen, die Diskussion anregen.» Mit Diskussion meint er die Grundsatzfrage: Wohin mit den radioaktiven Abfällen des nuklearen Zeitalters? In der Wissenschaft herrscht darüber Konsens: Der Atommüll gehört in geologische Tiefenlager.

Die Brennstäbe von " the nuclear spike" bestehen aus Leuchtröhren.

Die Brennstäbe leuchten in klinischem Weiss. Wären die Wände nicht steingrau ausgekleidet, könnte man sich auch in einem Operationssaal wähnen. Die Brennstäbe sind eigentlich Leuchtröhren. Wärme strahlen sie keine ab. Mysteriöse Töne hallen aus der Wand durch den sehr kleinen Raum. Wie es im Untergrund wohl wirklich tönt?

Antworten sind hier keine zu erwarten. Die einzige Information bieten ein paar Zettel am Boden. Sie skizzieren grob die Ausgangslage für die Lagerung radioaktiver Abfälle in der Schweiz. Wohin mit den Abfällen, das sei eine Frage, die viele Generationen beschäftige. «The nuclear spike» wolle die Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle «in einem Raum begeh- und erfahrbar» machen. Das hat es so sicher noch nicht gegeben.

Apropos kleiner Raum: Wer nicht noch stundenlang in Gedanken schwelgen möchte, hat den künstlerischen Exkurs schnell bewältigt. Denn die Grösse des Zimmers entspricht tatsächlich eher einer Besenkammer. Menschen mit Platzangst könnten in dem Raum schon arg an ihre Grenzen stossen. Oder sind die Platzverhältnisse doch bewusst so eng gewählt, weil damit simuliert werden soll, wie die Abfälle dereinst eingeschlossen werden? Und erneut Fragen über Fragen…

Ein Meilenstein steht bevor

Wenn Rony Emmenegger davon spricht, die Diskussion anzuregen, so könnte dies in kleinem Kreis durchaus funktioniert haben. Die Tiefenlagerung hat in der Kunst wohl noch nicht viele Spuren hinterlassen. Ob sich das ändert, wenn die Nagra im September einen Standort für ein Schweizer Tiefenlager vorschlägt? Wird das geologische Tiefenlager gar zur Muse, die Wissenschaft und Kunst vereint?

Wir sind nicht nur gespannt, wir bleiben auch dran. Wo sich Tiefenlager und Kunst treffen, werden wir dabei sein – und darüber berichten.