Opalinuston auch in Deutschland im Rennen für Tiefenlager

Opalinuston auch in Deutschland im Rennen für Tiefenlager


Rund 50 Prozent der Fläche Deutschlands sind als Tiefenlagerstandort auf dem Radar der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Diese Fläche soll weiter eingeschränkt werden. Untersucht werden in Deutschland auch Gebiete mit Opalinuston, dem Gestein, in dem das Tiefenlager der Schweiz einst gebaut werden soll.

Das Wichtigste in Kürze:

– Der Opalinuston bleibt bei der Deutschen Standortsuche weiter im Rennen.
– Die BGE möchte ein kleines Gebiet unmittelbar nördlich der Schweizer Grenze nicht weiter untersuchen.
– Grund dafür sind grosse Störungen im Untergrund sowie Vulkane, die es in diesem Gebiet gab.
– «Auch wir von der Nagra würden unser Tiefenlager nicht im Bodensee-Hegau Graben nördlich der Schweizer Grenze bauen wollen», so Chefgeologe Tim Vietor der Nagra.

Die Standortsuche für ein geologisches Tiefenlager befindet sich in Deutschland in einer frühen Phase. In einem ersten Schritt bezeichnete die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) Teilgebiete, welche «günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung hochradioaktiver Abfälle erwarten lassen». Gut 50 Prozent der Fläche Deutschlands fiel in diese Kategorie – aufgeteilt in 90 verschiedene Teilgebiete. Neun dieser Teilgebiete befinden sich im Rennen, weil dort im Untergrund Tongesteine vorkommen.

Im jetzt laufenden Verfahrensschritt engt die BGE diese extrem grosse Fläche weiter ein. Dafür sind Testgebiete definiert worden, an denen die sogenannte Einengungsmethodik geprüft wird. Mithilfe dieser Methode soll später die grosse Fläche aller Teilgebiete verkleinert werden. Unter den Testgebieten ist ein Gebiet mit Opalinuston im Süden Deutschlands. Wendet die BGE die jetzt getestete Einengungsmethodik später an, würde ein kleines Gebiet im unmittelbaren Anschluss an die Schweiz nicht weiter untersucht werden. Grosse Teile des Testgebiets weiter nördlich würden aber in einem späteren Schritt einer umfassenden Bewertung unterzogen werden und blieben weiter im Rennen.

 Das Testgebiet im Süden Deutschlands mit Opalinuston. Beim hellblauen Pfeil befindet sich das Gebiet unmittelbar nördlich der Schweizer Grenze.

Weshalb möchte die BGE das Gebiet unmittelbar nördlich der Schweizer Grenze nicht weiter untersuchen?

Einerseits beginnt unmittelbar an der Schweizer Grenze der sogenannte Bodensee-Hegau-Graben. Im Bereich dieses Grabens wurden die Gesteinsschichten stark bewegt, sodass zahlreiche Störungen und Brüche im Gestein vorkommen. Solch einer Zone möchte man mit einem Tiefenlager ausweichen. Andererseits gab es im Süden Deutschlands noch vor einigen Millionen Jahren Vulkane. Tief aus dem Erdinnern schmolz sich flüssiges Gestein durch alle Gesteinsschichten bis an die Oberfläche durch. Dies führte dazu, dass die Opalinustonschicht stellenweise beschädigt wurde. Der Bodensee-Hegau-Graben und die vulkanische Vergangenheit des Gebiets führen dazu, dass das Gebiet in zwei Bewertungskriterien als «ungünstig» eingestuft wird.

Weiter bezeichnet die BGE die Dicke der Opalinustonschicht von 120 bis 130 Metern als «weniger günstig». Die Opalinustonschicht in den drei potenziellen Standortregionen der Schweiz ist ca. 110 bis 120 Meter dick. Grundsätzlich gilt: Je dicker die Tonschicht, desto besser ist der radioaktive Abfall in der Tiefe eingeschlossen. Dabei hilft aber nicht nur der Opalinuston mit. Sind die Gesteine über und unter dem Opalinuston ebenfalls tonhaltig, können sie zur einschlusswirksamen Gesteinsschicht dazugerechnet werden. Der Opalinuston in der Schweiz ist von geeigneten, tonhaltigen Gesteinen umgeben, sodass die einschlusswirksamen Gesteinsschichten in allen drei Standortregionen die Dicke von 150 Metern deutlich überschreiten.

Tim Vietor, Chefgeologe der Nagra, meint zu den provisorischen Erkenntnissen aus Deutschland: «Auch wir von der Nagra würden unser Tiefenlager nicht im Bodensee-Hegau-Graben, nördlich der Schweizer Grenze bauen wollen. In den drei Schweizer Regionen können wir den wenigen vorkommenden Störungen mit dem Tiefenlager ausweichen. Vulkanische Aktivitäten gab es in den drei Standortregionen in der Schweiz nicht.»

In der Schweiz ist die Standortsuche für das Tiefenlager bereits weiter vorgeschritten als in Deutschland. Die drei Regionen Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost eignen sich alle für den Bau des Lagers. Im Herbst kann die Nagra bekannt geben, welche Region sich am besten eignet. Das letzte Wort bei der Standortsuche, die vom Bund geführt wird, haben Bundesrat und Parlament – und, falls ein Referendum zustande kommt, das Schweizer Stimmvolk.