Aktueller Stand der Tiefbohrung in Bülach


Die Nagra bohrt seit April 2019 im Gebiet Herrenwis in Bülach in die Tiefe. Zeit für einen Rückblick, was bis jetzt geschehen ist und wo wir stehen.

Radioaktive Abfälle werden dereinst tief im Untergrund in geologischen Tiefenlagern entsorgt. Der Bund leitet die Standortsuche für ein Tiefenlager in der Schweiz. Die Nagra führt in allen drei in Frage kommenden Standortgebieten Tiefbohrungen durch, um das geologische Gesamtbild zu vervollständigen. Untersucht werden unter anderem die Dicke, die Dichtigkeit und die genaue Zusammensetzung des Wirtgesteins Opalinuston, in dem das Tiefenlager gebaut werden soll. Mit der Bohrung Bülach konnten durchgehend gute Gesteinsproben gewonnen werden, um diese Eigenschaften zu bestimmen.

Wir haben mit verschiedenen Projektleitern der Tiefbohrkampagne gesprochen.

Welche Erkenntnisse wurden gewonnen?

<em>Michael Gysi ist «Projektleiter Bohrstellengeologie» und ist zum Beispiel verantwortlich für die Gesteinsproben («Bohrkerne»), welche mit der Bohrung gewonnen werden.</em>‹ style=’width:100%’><figcaption></figcaption></figure><p>Wir konnten Informationen zur Dicke, Durchlässigkeit und Zusammensetzung des Opalinustons sammeln. Wir sind bereits durch die Gesteinsschicht Opalinuston hindurch in einer Tiefe von über 1100 Metern angelangt in einem Gestein mit einem Alter von 234 Millionen Jahren. Die Dicke der Opalinustonschicht wird mit weiteren Analysen noch eindeutig bestimmt. Sie ist nach erster Sichtung aber deutlich dicker als 100 Meter und liegt in einer Tiefe zwischen gut 850 und knapp 1000 Metern.</p><p>Trotz bohrtechnischer Schwierigkeiten ist es uns gelungen, hochwertige Gesteinsproben zu Tage zu fördern. Diese erlauben es uns, die Gesteinsschichten im Labor genauer zu untersuchen und besser zu verstehen. Wir konnten auch viele Messungen im Bohrloch erfolgreich durchführen und haben jetzt grosse Mengen an Daten. In den kommenden Monaten werden diese detailliert untersucht. Dies hilft uns, die geologischen Verhältnisse in der Region Nördlich Lägern noch besser zu verstehen.</p><p>In der Auswertung der im Vorfeld durchgeführten 3D-seismischen-Messungen haben wir in der Schicht über dem Opalinuston einen unterschiedlichen Gesteinskörper identifiziert. Die Tiefbohrung hat nun gezeigt, dass es sich dabei um ein versteinertes Korallenriff handelt. Die Vorstellung, dass vor über 160 Millionen Jahren ein Korallenriff bestanden hatte, ist höchst interessant. Ob dieses versteinerte Riff Auswirkungen auf das Standortgebiet hat, wird zurzeit untersucht.</p><h2 class="wp-block-custom-heading">Was waren die bohrtechnischen Herausforderungen?</h2><figure class=Matthias Ammen ist Sicherheitschef auf den Bohrplätzen und «Drilling Operation Manager»

Zuerst mal freut es mich sehr, dass wir bereits über 1100 Meter der geplanten 1350 Meter in Bülach ohne nennenswerte Zwischenfälle gebohrt haben. Wir mussten zuerst die Arbeiten von über 50 Subunternehmen auf dem Bohrplatz koordinieren. Eine Tiefbohrung ist von der Geologie her anspruchsvoll und es kann Überraschungen geben. Bei unseren Bohrungen müssen wir Vorkehrungen treffen, damit das Bohrloch für diverse Untersuchungen offen bleibt und am Rand nicht ausbricht. Im unteren Teil des Opalinustons ist uns das in Bülach nicht optimal gelungen. Wir haben daraus gelernt, um diese Dinge bei den nächsten Bohrungen verbessern zu können. Beispielsweise werden wir je nach Gestein unterschiedliche Bohrkronen verwenden und die Zusammensetzung der Bohrspülung anpassen.

Was hat uns überrascht?

Lukas Oesch ist «Projektleiter regionale Partizipation» und koordiniert den Kontakt mit der Standortregion Nördlich Lägern und der Nagra.

Bereits 2000 Leute haben uns auf dem Bohrplatz Bülach über die Schultern geschaut und viele davon haben auch den Infopavillon besucht. Wir waren überrascht vom grossen Interesse an den Tiefbohrungen. Wir konnten unzählige spannende Gespräche mit den Besuchern führen und Fragen klären – wobei auch wir viel darüber gelernt haben, was die lokale Bevölkerung in Zusammenhang mit den Bohrungen beschäftigt. Wir standen stets in engem Kontakt mit Gemeinde- und Behördenvertretern sowie Anwohnern des Bohrplatzes. Die Zusammenarbeit mit diesen Betroffenen war gut. Gemeinsam haben wir für deren Anliegen Lösungen gefunden.

Uns freut auch das rege Interesse der regionalen und nationalen Medien. In einem Beitrag der Sendung «Schweiz aktuell» wurde sogar ausführlich über den Weg vom Gewinnen bis zur Analyse der Bohrkerne berichtet.

Ausblick

Maurus Alig ist «Gesamtprojektleiter des Sachplans geologische Tiefenlager Etappe 3»

Viele Bohrplatzbesucherinnen und -besucher haben uns gefragt, ob Bülach gemäss den Erkenntnissen aus der Tiefbohrung der sicherste Standort sei. Diese Frage können wir noch nicht beantworten. Die Bedeutung neuer Erkenntnisse müssen immer im Vergleich mit anderen Standortgebieten bewertet werden.

Die Tiefbohrung in Bülach hat uns wichtige Erkenntnisse geliefert. Wir werden ergebnisoffen weiterbohren und alle Informationen sorgfältig auswerten. Wir rechnen weiterhin damit, dass die Tiefbohrungen zusammen mit den Informationen aus der 3D-Seismik es uns erlauben werden, die für die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers relevanten Unterschiede zwischen den drei Standortgebieten zu erfassen. Zuverlässig bewerten können wir die Standortgebiete in zwei bis drei Jahren.

Unsere zweite Tiefbohrung Trüllikon 1 läuft gut. Wir erreichen dort in Kürze den Opalinuston. Die Vorbereitungen für nachfolgende Bohrungen sind weit fortgeschritten. In den Gemeinden Bözberg und Marthalen werden derzeit Bohrplätze erstellt. Wir werden weiterhin über neue Erkenntnisse informieren.