Gelbe Fässer und leuchtende Brennstäbe? Wie unser Atommüll wirklich aussieht


Es gibt verschiedene Arten von radioaktiven Abfällen. Über deren Eigenschaften führt uns die Populärkultur aber fast immer in die Irre…

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Wie stellen Sie sich Atommüll vor?

Vielleicht als eine grüne, leuchtende Kloake in gelben Fässern? Solche Vorstellungen schwirren in vielen Köpfen herum. Das haben wir unter anderem den Simpsons zu verdanken. Mit der Realität haben die Verhältnisse in Springfield – zum Glück! – kaum etwas zu tun. Und überhaupt: Atommüll ist nicht gleich Atommüll.

Eine Übersicht über die radioaktiven Abfälle der Schweiz, deren Eigenschaften und wo sie entstehen.

Gefährlich sind sie alle

Ganz egal, ob wir die strahlenden Hinterlassenschaften nun Atommüll oder radioaktive Abfälle nennen: Diese Stoffe sind gefährlich, denn sie senden ionisierende Strahlung aus – umgangssprachlich sagen wir: Sie sind radioaktiv.

Aus diesem Grund müssen Mensch und Umwelt geschützt werden. In der Schweiz heisst die Lösung dafür: Entsorgung in einem geologischen Tiefenlager.

Unspektakulär: Blick ins Zwischenlager Würenlingen mit den Castor-Behältern.
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Der Atommüll strahlt teils so lange, dass er in einem Tiefenlager entsorgt werden muss. Der Grund für die Strahlung ist die Radioaktivität. Doch was genau ist das?

In die Tiefe mit dem Atommüll – aber warum?
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Mit dem grossen Abstand zur Erdoberfläche schafft ein Tiefenlager die nötige Sicherheit. Diese Art der Entsorgung von Atommüll ist weltweiter Konsens.

In erster Linie wird zwischen hochaktiven Abfällen (HAA) sowie schwach- und mittelaktiven Abfällen (SMA) unterschieden.

Als dritte Kategorie werden manchmal noch die alphatoxischen Abfälle (ATA) angeführt. Sie sind ein Spezialfall und es gibt nur sehr wenig davon: Diese Abfälle weisen eine grössere Menge an sogenannten Alphastrahlern auf. Diese Art von Strahlung lässt sich einfach abschirmen. Dafür haben die Alphastrahler in der Regel eine lange Halbwertszeit. Das heisst: Sie zerfallen nur langsam und strahlen deshalb sehr lange.

Strahlen ja, leuchten nein: Brennstäbe aus Atomkraftwerken

Hochaktive Abfälle entstehen in den Kernkraftwerken. In erster Linie handelt es sich dabei um abgebrannte Brennelemente. Sie sehen weitaus weniger spektakulär aus als das bei den Simpsons dargestellt wird: Sie sind nämlich weder grün, noch leuchten sie. Gefährlich sind sie aber allemal: Die Radioaktivität von verbrauchten Kernbrennstoffen erreicht frühestens nach rund 200’000 Jahren natürliche Werte.

Weshalb Radioaktivität oftmals als leuchtend illustriert wird, darüber kann man nur spekulieren. Ein möglicher Grund: Radioaktivität ist unsichtbar, aber eben gefährlich. Diese Gefahr soll in Filmen oder Comics sichtbar gemacht werden. Daher wird die Strahlung als leuchtend – meistens grün – inszeniert.

So werden abgebrannte Brennelemente in Endlagerbehälter verpackt.

Der grüne Uranstab hat seit jeher einen prominenten Auftritt im Simpsons-Intro

Die hochaktiven Abfälle machen volumenmässig nur circa zehn Prozent des Schweizer Atommülls aus. Sie sind aber für 99 Prozent der Radioaktivität verantwortlich und produzieren viel Wärme.

Den wesentlich grösseren Anteil am Schweizer Atommüll machen aber die schwach- und mittelaktiven Abfälle aus.

 

Die in den gelben Fässern – aber nur manchmal…

Neunzig Prozent des Schweizer Atommülls ist schwach- und mittelaktiv. Er stammt zum grössten Teil aus den Kernkraftwerken: Rückstände aus der Wasserreinigung, kontaminierte Schutzanzüge oder Werkzeuge sind Beispiele dafür. Dazu kommt der Abfall, der bei der Stilllegung der Kernkraftwerke entsteht, respektive noch entstehen wird.

Auch Medizin, Industrie und Forschung produzieren radioaktive Abfälle. Für sie ist der Bund zuständig.

Schwach- und mittelaktive Abfälle produzieren weniger Wärme. Ausserdem zerfallen die meisten radioaktiven Stoffe in diesen Abfällen schneller. Es dauert aber noch immer rund 1000 Jahren, bis die Radioaktivität der meisten Stoffe auf ein ungefährliches Mass abgeklungen ist.

So sieht die Realität aus: Betriebsabfälle aus einem Kernkraftwerk in einem Fass.

Aber was hat es nun mit den gelben Fässern auf sich?

Nun, sie existieren tatsächlich. Nur: Es gibt noch viele andere Behälter, die ebenfalls zum Einsatz kommen. Längst nicht alle radioaktiven Abfälle landen also in der berühmten gelben Tonne.

Und ganz wichtig: Das Bild von lose herumliegenden Fässern wird es in einem Schweizer Tiefenlager nicht geben. Die Fässer werden zunächst fein säuberlich in grössere Betoncontainer eingepackt und die Hohlräume mit Zementmörtel aufgefüllt. Erst dann erfolgt die Entsorgung im Tiefenlager

Bevor die Fässer ins Tiefenlager kommen, werden sie in Betoncontainern platziert. Die Hohlräume werden zudem aufgefüllt.

Gewisse Abfälle werden bei Temperaturen von bis zu 20’000 Grad in einem Plasmabrenner verbrannt. Zwar kann die Radioaktivität dadurch nicht verringert, geschweige denn beseitigt werden, aber das Volumen der Abfälle wird deutlich reduziert.

Während dem Verbrennen wird den geschmolzenen Abfällen Glas beigemischt. Dadurch entsteht beim Abkühlen ein fester Körper – ideal für die Entsorgung. Ein weiteres Bild, das sich nämlich in vielen Köpfen festgesetzt hat, sind auslaufende Flüssigkeiten. Die radioaktiven Abfälle der Schweiz werden jedoch allesamt in feste Form gebracht.

Die grüne Kloake, die aus dem Fass tropft: Es gibt sie definitiv nicht. Und das ist auch gut so.

Erwartung vs. Realität: Grünleuchtende Stäbe und Flüssigkeiten weisen bei den Simpsons auf Radioaktivität hin. Die Realität ist weit weniger spektakulär: Alle Abfälle – einige davon tatsächlich in gelben Fässern – werden in feste Form gebracht und sicher verpackt zwischengelagert bis das Tiefenlager bereitsteht.

Bilder: 20th Century Fox Television / ZWILAG

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